Ich neige dazu, mir fürs Wochenende einen Plan zu machen, meist eine Mischung aus Kür und Pflicht.
Geplant: Wie jeden Samstagmorgen ein Telefonat mit meinen Eltern.
Ungeplant: Mehrstündiges Trockenlegen der Garage, weil der Waschmaschinenschlauch währenddessen heimtückisch sich statt ins Becken in den Raum ergossen hatte. (Mann, steht in dieser Garage viel Zeug. Erwäge, einen Garage Sale zu planen.)
Geplant: In den ersten der endlich gelieferten Bände der “Planetary”-Reihe (Warren Ellis/John Cassaday) hineinlesen, dann ans Meer, Tidepools hüpfen.
Ungeplant: Ein gigantischer Frühlingstag, ein Liegestuhl mit Hafteffekt und ein paar Stunden später alle vier Bände gelesen zu haben.
Geplant: Friseurbesuch mit vollem Programm (Haare schneiden, Brauen zupfen).
Ungeplant: Beim Friseur sind alle Sessel und die Wartebank vollbesetzt. Dann halt nicht.
Modifikation: Beim Mexikaner Zutaten fürs Abendessen einkaufen.
Geplant: Heimfahren, Abendessen kochen.
Ungeplant: Von Carmen und Francisco abgefangen zu werden, die mir a) Obst übergeben, das Sam bei ihnen für mich deponiert hat und b) darauf hinweisen, daß die Halterung des Stromkabels zu meinem Haus auf dem Dach herumklappert und ich dringend bei PG&E anrufen soll, um das reparieren zu lassen, es bestehe nämlich akute Brandgefahr und bei den Holzhäusern hier und dem San Bruno-Wind fürchten sie den Funkenflug.
Modifikation: Erst telefonieren, dann kochen. Die Dame an der Hotline bei PG&E zeigt äußerste Besorgnis und verspricht, noch heute Abend den “Emergency-Truck” vorbeizuschicken, mit sowas sei nicht zu spaßen. Mir wird zum ersten Mal auch ein bißchen anders.
Ich mache keine weiteren Pläne mehr.
Der Mann von PG&E kommt schon eine knappe Stunde später, klettert auf die Leiter, konstatiert da, wo der “Plug” sitzen sollte, ein Loch im Dach und ein nunmehr gefährlich durchhängendes Kabel, da muß noch heute Abend was gemacht werden. Dann geschieht etwas, was ich bei einem Amerikaner noch nie erlebt habe: Er schimpft auf die Unfähigkeit der Amerikaner, ihre Infrastruktur zu warten und zu modernisieren – solche überirdischen Kabelführungen gebe es doch sonst nur noch in Dritte-Welt-Ländern, Kabel gehörten in den Boden. Das sei weder ästhetisch anzusehen, noch sei es sicher, aber dieses Land ziehe es ja vor, in der Weltgeschichte herumzureisen und den Staatshaushalt darauf zu verbraten “to blow other countries up”. Bei mir rennt er da offene Türen ein (hier heißt das “preaching to the choir”) und so lästern wir eine gute halbe Stunde lang über die republikanischen Präsidentschaftskandidaten (the Mormon and the Millionaire), den Irrglauben vom “Guten Amerika” (dieses romantisierte Fifties-Bild von wohlondulierten Hausfrauen in Petticoatkleidchen, die wegen eines neuen Staubsaugers in Ekstase ausbrechen), Sarah Palin, die diversen “bible belts”, den alltäglichen Rassismus, die Unabdingbarkeit einer staatlichen Basis-Krankenversicherung, das Faszinosum, daß Republikaner ihrem Wahlvolk Europa als sozialistisches Unding verkaufen (“they know how to beat their own drums”) und den irren Haß, der viele umtreibt und dazu führt, daß viele Amerikaner selbst einen Hauklotz wählen würden, wenn er nur republikanisch und weiß ist.
Zwischenzeitlich sind Carmen und Francisco hinzugestoßen und Francisco ist gleich voll bei der Sache, leuchtet David (dem PG&E-Mann) reicht Werkzeug an und die beiden fachsimpeln über den 200,000-Dollar-Truck, mit dem David unterwegs ist. Carmen verdreht nur die Augen und meint, sie kenne das von ihren “three boys. It’s always about tools.”
David stellt fest, daß sich das Hängekabel im Baum vor dem Haus verheddert hat und fängt an, Äste zu schneiden. Der Baum ist ein “community tree” und dergleichen Wartungsarbeiten liegen in der Verantwortung der Gemeindeverwaltung von San Bruno und darum – da sind sie sich alle einig – wird nie was passieren, wenn man’s nicht selbst macht. (Francisco ist nun vollends neidisch auf die Ausstattung von Davids Truck.)
Ein paar Minuten später meldet er Vollzug. Das Kabel ist wieder straff und statt des alten Steckers (den er in der Dachrinne hätte verankern müssen) hat er eine interessante Kabelschleifen-mit-Verbindungsstück-Installation geschaffen. Die entlaste das aus dem Haus kommende Kabel, das wohl noch ein Original aus der Bauzeit des Hauses in den vierziger Jahren sei und je-der-zeit brechen könne. (Der Vermieter ist, das bestätigt sich auch hier wieder, kein Fan von Renovierungsmaßnahmen.)
Wir scheiden schwer voneinander und bestätigen einander mehrfach, wie sehr uns die Unterhaltung gefallen hat. Ich biete an, sofort wieder einen Notfall zu haben, damit wir sie fortsetzen können (so lumpig wie das hier alles ist, ist das meine leichteste Übung). Er rät davon ab, weil er nicht immer an Samstagabenden Dienst habe, und ich, wenn ich Pech hätte, das nächste Mal auf einen von diesen “Dam’ Republicans” unter seinen Kollegen treffen könne. Eine Bitte hat er aber doch noch: “Tell your German friends that not all American are stubborn Red-neck Republicans. Some of us use their brains to think.”
Plan für morgen: einen Fünftelbaum in die grüne Tonne entsorgen. Die home improvement Maßnahmen nachholen, die heute wegen “power emergency” ausgefallen sind. Und dann wäre da noch die Steuererklärung…