Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten der beiden Krimi-Verfilmungen an: feine Leute betreibe an schönen Orten bei schönem Wetter kultivierten Müßiggang sowie giftige Konversation. Den Rüpeln aus der früheren Kolonie, denen es eh immer nur um Geldvermehrung geht, wie profan, begegnet man mit amüsierter Arroganz. Noblesse oblige. Bis Peter Ustinov als Hercule Poirot seine grauen Zellen bemühen muß, um herauszufinden, wer ein bißchen zu sehr die Contenance verloren hat. Der Fall wird aufgeklärt, immer, die Bösen der verdienten Strafe zugeführt, Ritt in den Sonnenuntergang. Alles gut.
“Evil Under the Sun” ist die helle Freude. Sehr gut besetzt, flott inszeniert, und Cole Porter swingt dazu. Hach! Insbesondere die Damen (Diana Rigg, Dame Maggie Smith, Jane Birkin…) führen sich und ihren Putz spazieren – die Hutmacher werden im Abspann eigens erwähnt und ich hätte jede ihrer Kreationen gerne getragen. Sehr Hach!
Location ist eine abgeschiedene sonnenverwöhnte Insel irgendwo in der Adria, das Hotel, in dem die britische haute volée nun aufeinandertrifft, war mal der Ferienpalast eines nicht näher benannten ausländischen Monarchen, den dieser seiner Ex-Gespielin (Dame Maggie) als Abfindung überlassen hatte. Schon das sehr hübsch. Die Schauspieler und Innen haben sichtlich Spaß, eine Zeit wieder auferstehen zu lassen, in der Britannien über die Meere herrscht, vom Rest der Welt (und, zum Beispiel, seiner mangelhaften Sanitäranlagen) ganz glücklich isoliert ist, die Nasen hoch und die Oberlippe steif, kleine rassistische Schlenker inklusive. Kurz, das Empire in all seiner Pracht, mit Königshaus und Wachablösung und für die Ewigkeit geschaffen. (Der Roman ist zwischen 1939 und 1940 entstanden und wurde 1941 erstmals veröffentlicht. Christie wußte es also schon besser.)
Regisseur Guy Hamilton läßt sich viel Zeit beim Erzählen und bringt liebenswerte Details unter. Pars pro toto: der Schurke trägt zum muskelbepackten Körper schwarze genitalbetonende Speedos und erobert den Ozean per Kopfsprung. Wenn Poirot sich zu Wasser läßt (die Szene ist tatsächlich mit einem Stapellauf vergleichbar), geht er in einem langen Bademantel und Badeschuhen gemessenen Schrittes zum Steg. Dort legt er den Mantel ordentlich ab. Darunter trägt er einen formidablen Badeanzug, mit knielangem Bein und Oberteil. Auch schwarz. Er schreitet die Treppe hinab. Der Blick schweift in die Weite. Als er feststellen muss, dass das Meer aus kaltem Wasser besteht, läßt er es kurz seine Waden belecken, macht mit den Armen ein paar Trockenschwimmzüge und sieht zu, dass er, parallel zum Steg gehend, an der anderen Treppe wieder rauskommt. Vielfach Hach! Dergleichen Episödchen gibt es mehr, aber keine so schön wie diese.
“Evil Under the Sun” – das Slowfood unter den Kinofilmen und weil Poirot seine kleinen grauen Zellen einsetzt, kann das Publikum entspannt Augen und Ohren weiden. Hach!
“Appointment with Death” ist der Versuch, diesen Erfolg zu wiederholen. Allerdings in plump und staubig, wg. Ausgrabungsstätten im Heiligen Land. Die großen Frauenrollen sind mit Amerikanerinnen besetzt, wobei Carrie Fisher ohne Zopfschnecken über den Ohren erst mal irritiert, dann aber als junge Liebhaberin ganz okay ist. Piper Laurie ist als Über-Bitch ohne Brüche vollkommen unterfordert, aber zum Glück auch bald tot. Einzig Lauren Bacalls Charakter bekommt vermeintlich etwas Tiefe – sie ist zwar gebürtige Kolonistin (halt aus Amerika), hat aber zur Veredelung einen Briten geheiratet, sich sofort auf den Marsch durch die Institutionen gemacht und vertritt das Vereinigte Königreich nun hier im Ausland als Parlamentsabgeordnete. Leider läßt Regisseur Michael Winner sie diese Figur nur als Summe der Häßlichkeitsklischees beider Nationen spielen – das scheint ihr zwar Spaß zu machen, sie könnte aber soviel mehr. Auch sie ist, wie der Angelsachse das nennt “under-used”. Selbst dem großen Sir John Gielgud traut man offensichtlich nicht zu, den very british Offizier mit einem Augenzwinkern zu spielen. Das ist alles so bierenst und darum leider fad. Zudem wird in diesem Film ein weiteres Klischee, nämlich das vom sinistren Orientalen mit dem finsteren Blick und dem Messer im langen Gewand ein wenig zu ausführlich breitgetreten. Gibt nochmal Punktabzug. “Appointment with Death” muss man sich nur ansehen, wenn man Vollständigkeitsbedarf hat.
Das Wiedersehen mit dem ersten Film in der Ustinov-spielt-Poirot-Reihe, “Death on the Nile” aus dem Jahr 1978, habe ich mir für einen der zu erwartenden langen Winterabende aufgehoben. Mega-Starbesetzung. Ich werde berichten.