Aus dem Vokabelheft

Wenn ich nicht in den USA schon beruflich umpfzich Formulare ausgefüllt hätte, wüßte ich nicht, dass im Angelsächsischen “Professional bodies” sowas wie Berufsverbände oder Standeskammern oder dergleichen sind, und wäre doch sehr verblüfft gewesen, als mir heute auf einem offensichtlich von einer Künstlichen na ja Intelligenz übersetzten Fragebogen neben “Autoritäten” (= “Authorities”, Behörden) auch die Option angeboten wurde “Professionelle Körper” anzukreuzen.

Andererseits hätte ich sonst nie ein paar vergnügliche Momente damit verbracht, mir auszumalen, was wohl unprofessionelle Körper ausmacht. Es ist nicht alles schlecht.

Gelesen: Alessandro Tota – “Die Grosse Illusion 1 – New York 1938”

New York, Ende der Dreißiger Jahre. Immigranten aus der ganzen Welt, inklusive der landwirtschaftlichen dürregeplagten Bundesstaaten der USA selbst, drängen in die große Stadt, die Glück (und Brot) verheißt. Es ist eine Stadt, in der das Leben tobt (man denke “Babylon Berlin”), Verbrechen an jeder Ecke stattfinden, jeder für sich um sein kleines bißchen Leben kämpft und Superhelden fliegen lernen – sprich, die Literaturgattung Comic zum Leben erwacht.

In diesen großartig gezeichneten Moloch (ja, es ist eine Graphic Novel) kommt die großäugige junge Naive aus Kansas und erst mal fast unter die Räder – wie es dann für sie und ihre Begeisterung für Schundbücher und -heftchen weitergeht, lese eine und ein jeder selbst. Es macht Freude. Ein Ausflug in eine Geschichte, in der Amerika noch “the Land of Dreams” war, eine kommunistische Partei nicht nur existent, sondern auch Herausgeberin mindestens einer Zeitung “Rise of the Masses”, New York eine Stadt, in der Schmuddel und geniale Architektur, Kunst, Kultur, Kommerz und Suppenküche zusammengehörten, kurz, eine Zeit, die lange vorbei ist.

Ich freue mich schon sehr auf den 2. Band und empfehle, den ersten bis dahin gelesen zu haben.

Gelesen: Mattie Lubchansky – “Boys Weekend”

Der beste Freund einer Transfrau möchte, dass sie sein Trauzeuge wird (das englische “best man” macht ihre mehrseitige Verletzung noch klarer) und lädt alle seine Kumpels zu einem Junggesellenabschied auf einem futuristischen hedonistischen Eiland ein, auf dem es alles gibt und alles geht und das Las Vegas aussehen läßt wie ein sehr lahmes Euro-Disney.

Außerdem noch ein irrer überkapitalistischer Orden oder Sekte oder so – “The Gray Hand” – der massig Mitglieder, auch die Kumpels, für ein Schneeballsystem anwirbt und seine Opfer zu Zombiearbeitssklaven macht, die man daran erkennt, dass sie wenig reden, weil sie wenig Hirn haben. (Was ich bei der Ausgangslage jetzt gar nicht soo schlimm finde.) Und Schlangen. Und Seeungeheuer.

Ich weiß nicht mehr, woher ich die Empfehlung dafür hatte, vermute aber stark die Website: www.whatanuttershyte.com. Was für ein uninspirierter wehleidiger Dreck!

Bloß nicht lesen.

No Shit

Seit ich auf meinem Balkon zu den Aluknispelstreifen noch eine Installation aus diversen Borsteninstrumenten, ja, was… installiert habe, schlacken (das ist mein persönliches Kunstwort aus Schlafen und Kacken zusammengesetzt und gildet als neu erfunden) die Herrschaften Mistviecher woanders.

Möge es so bleiben.

Lange Schatten

Immer, aber wirklich immer, wenn ich in einem angelsächsischen Film einen jüngeren (das sind in meinem Alter Menschen, die die dreißig auch schon mal gut überschritten haben können) männlichen Schauspieler sehe, der mir bekannt vorkommt, bei dem ich mich aber beim besten Willen nicht erinnern kann, wo und in welcher Rolle ich ihn schon einmal gesehen habe, dann versuche ich inzwischen, ihn mir in einer Rüstung oder sonstiger kampftauglicher Kleidung vorzustellen.

Meistens komme ich dann drauf, dass er, wie alle die anderen auch, bei Game of Thrones dabei war.

Da war es nur noch eins

Außen, Nacht: Dunkel, Regen, grauslig. Wirres Haar, Besen, die Augen zusammengekniffen, ist das jetzt…?

Es ist und flattert erschrocken auf und in die dunkle regnerische grauslige Nacht. Hätte das blöde Vieh woanders geschlafen, hätte es ungestört durchkacken und -schlafen können. Vielleicht morgen schon?

Gelesen: Cemile Sahin* – “Alle Hunde sterben”

Ein gewaltiges Buch. Grausam. Hart. In einer Sprache geschrieben, die einem Bilder ins Hirn hämmert – etwas Vergleichbares ist mir bisher noch nicht begegnet.

Sahin beschreibt Staatsgewalt, Staatsbrutalität, Staatsgrausamkeit, verübt von Uniformierten, Polizisten und Soldaten, gegen Menschen, die “der Staat” nicht haben will, sie zu Unmenschen, “Terroristen” definiert und zur Jagd freigibt.

Aus ihrer Biographie und den Namen ihrer Protagonistinnen und Protagonisten läßt sich ableiten, dass die Täter Türken, die Opfer Kurden sind. Das ist natürlich wichtig, wird aber nie explizit erwähnt, da die Methode und die Foltern universell sind.

Sahins Sprache bleibt kalt, knapp und sachlich. Das macht die Lektüre fast schmerzhaft. Es ziehe ein jeder und eine jede für sich selbst den Schluß, ob er oder sie sich dem aussetzen will. Ich hatte Alpträume.

Missen möchte ich sie für mich dennoch nicht und werde mich durch ihr noch schmales Gesamtwerk lesen (die “Hunde” sind das zweite von drei bisher erschienenen Büchern). Allerdings mit angemessenem Abstand zwischendrin.

* Falls jemandem der Name bekannt vorkommt, könnte es daran liegen: https://flockblog.de/?p=51627

Gemischte Gefühle

Es gibt da zwei Lesarten:

  • Die böse Frau, die kurz nach hereingebrochener Dunkelheit zwei arme, gegen die Kälte dick aufgeplusterte Vögelchen aus dem Tiefschlaf reißt, von ihrem Nachtlager auf den knispelnden Alustreifen vertreibt und ihnen triumphierend gemein grinsend bei den taumelnden Fluchtflügelschlägen nachsieht.
  • Die Stadtbewohnerin, die nach einer aufwendigen Putzaktion den nach der jüngsten Mieterhöhung noch teureren Balkon von Taubenkacke und den darin enthaltenen krankheitserregende Bakterien, Pilzen und Parasiten freihalten will – und, auch wenn es langsam schwer fällt, netterweise (noch) nicht zur Kreisler-Methode* greift. (Tip the hat to Ms. W. in K.)

* Die Kreisler-Methode? Ich unterstelle meiner Leserschaft, dass alle sie kennen. Aber falls nicht: