Schnipsel I

und es begegneten mir

– der reizende Herr in der Kneipe, ein Gespräch eröffnen wollend: “Do you have electricity down there in Europe?”

– der asiatisch stämmige Taxifahrer, der irre lachend und vor Ampeln (egal welcher Couleur) scharf bremsend in einem seltsam auf- und abschwellenden Singsang sein “AHHHyou-aKatt-OHHH-AHHHyou-aLionn”-Mantra intonierte

– der Penner ums Eck, der regelmäßig mit seinem Gott hadert, welcher offensichtlich in einer rostigen Mülltonne wohnt und mit angekauten Brotstückchen bespuckt werden muss

– der Arbeitskollege, der angesichts der Adresse des Social Security Büros fragt, wie man denn wohl am besten nach Sankt Annex komme [90 7TH ST,ANNEX 1ST FL / SAN FRANCISCO, CA 94103]

tbc

Menschwerdung

Für fast alles, was man hier in Amerika tut, wird man zum Zwecke der Beweisführung der eigenen Existenz nach der Social Security Number gefragt.

Und da es ohne SSN auch keinen paycheck gibt, habe ich heute die meine beantragt. Das Homeland Security Bureau hatte bereits alle meine Daten incl. Photo schon zentral an alle relevanten US-Behörden weitergegeben, so dass ich binnen 10 Minuten bei einer ganz reizenden Dame mit allem durch war. In den nächsten 10 Tagen werde man mir die Karte zusenden.

Auf dem selben Stockwerk des Gebäudes sind ebenfalls Wohlfahrts- und Rentenbehörden untergebracht und man teilt sich den Wartebereich (der in seiner Organisation der Wartenummern an den im Frankfurter Konsulat erinnert). Viele der Antragsteller sind sichtbar krank, verkrüppelt, arm, resigniert und ohne Hoffnung. Eine Lehrstunde in Prekariat.

Der gute Abschluss des Tages: ich habe meinen Hausschlüssel bekommen und habe beim ersten “Jetzt-isses-wirklich-meins”-Rundgang mit Hausbesitzerssorgenblick einigen Reparaturbedarf erkannt – bin ich froh, dass bald Besuch kommt, der daran Freude hat… Ich werde wohl am Wochenende nach Ikea (Gästebett und Grundausstattung kaufen) erst mal putzen. Kann mich aber sehr darauf freuen.

Wochenende im Zeitraffer

– Haus gemietet
– viel Nützliches losgetreten, von Strom bis Müllabführ
– Ausflug nach Berkeley, dort die ganze Stadt in heller Aufregung wg. Football angetroffen: kompletter Ausnahmezustand, ich freu mich schon drauf, das im November auch zu erleben. Uni-Campus besichtigt, desgleichen jede Menge Hippies (im Schnitt gut jenseits der 60) und Rastafarians. Man handelt mit Batiken und Schmuck und Hanf und Mary Jane sind allgegenwärtig. Hat teilweise schon fast was anrührendes. Mein pick of the day war ein Laden, der “Obama 2008 – Temporary Tattoos” anbietet. Bekenntnis ohne Reue.
– abends Jörn wiedergetroffen, den ich vor fünf Jahren in Chicago auf einem architectural walk kennengelernt hatte und in Emeryville ausgegangen.
– bei tollster Sicht nachts über die Bay Bridge zurückgefahren, die Skyline bestrahlt von einem Halbmond. Hach.
– mit meinem “Leih”AuPair Leonie (dazu gelegentlich mehr) Sonntagmorgens um 10:00 Uhr zum Shoppen in die Mall (nur Super Savings, Clearance und unglaubliche Mengen Discount – ich hab ja, seit ich da bin, nur einen Rand McNally Straßenatlas gekauft, um Orientierung vorzutäuschen) – sie hat auch ordentlich gespart. (Das sagen die Menschen im Supermarkt immer: “you saved today…” und die unwesentlich höhrere Summe, die man gerade ausgibt, wird eher verschämt und beiläufig erwähnt.)
– Umgehend weiter auf den Flohmarkt und zum Friedhof. [Nebenbemerkung: in München habe ich in Reichweite überdurchschnittlich vieler Altenheime gewohnt. In San Bruno sind es Friedhöfe. Ist hoffentlich kein Omen.] Letzterer ein mehrere/viele Footballfelder großes Areal, ein weißer Grabstein am nächsten auf einer riesigen gepflegten grünen Wiese. (Wir haben Legionen von Gärtnern mit Motorsensen um die Steine herumschneiden sehen.) Trotzdem ist die Anmutung weniger morbide als in alten Totenstädten.
– und dann eine tour de Möbelgeschäft, um ein Gästebett zu wählen; letztendlich wird Ikea den Zuschlag bekommen – man könnte hier in ganz scheußlichen Absonderlichkeiten schlafen müssen.

in diesem Sinne: ruhet sanft.

home far from home

got it!

habe soeben bei Bob mein Häuschen in San Bruno angemietet und kann Montag in einer Woche einziehen, wenn die Cleaning Crew durch ist und noch ein wenig frische Farbe auf die Wände geworfen wurde.

Ich freu mich riesig auf Einrichten und Wohnen und hoffe, dass mein Container bald kommt. Fürs erste werde ich ein Gästebett kaufen und das probeschlafen, damit ich nur das beste anzubieten habe.

Bob hat mich im übrigen vor den Wintern gewarnt, es werde dann hier in der Gegend gerne mal windig und könne bis in die “lower sixties” kühl werden. Das heißt dann um die 15, 16 Grade Celsius. Pah. Das wird sich wohl überleben lassen.

Auf meiner neuen Terasse kann ich bequem mit 20 Leuten grillen – muss mal rausfinden, wo man hier Biertischgarnituren kaufen kann und brauche dringend 20 Freunde und einen Grill. Freu mich schon auf mein erstes mega-dickes T-Bone-Steak!

Ab jetzt bin ich besuchsfähig!

heute vor einer Woche…

… war ich gerade mal angekommen.

Heute:

  • kannn ich mein Navigationsgerät nicht nur bedienen, sondern schon gelegentlich korrigieren bzw. ganz auf Shirleys Dienste verzichten und habe schon einen Heimweg gefunden, wo ich fast ausschließlich auf “El Camino Real” langfahre
  • bekomme ich morgens bei Christie im Buon Giorno Coffee Shop einen “Sabrina special”
  • bin ich im Besitz einer Safeway – sowie einer Borders-Kundenkarte und kann mich bei jedem Einkauf unglaublich reich sparen (und wenn ich irgendwann das Prinzip mit den von der Tageszeit abhängigen Mengen der “pay X get Y” Großpackungen verstanden haben werde, verdiene ich noch bares Geld damit)
  • paßt Robert, der security guy im Bürogebäude auf mich auf. (Er hat mir beispielsweise heute morgen ein Feuerzeug geschenkt, damit ich nicht fremde Raucher auf der Straße ansprechen muß, wenn ich meines vergessen habe.)
  • stehe ich kurz vor der Anmietung meines Häuschens. Ich treffe mich morgen nochmal dort mit Bob, um herauszufinden, ob es immer noch so schön ist und zu verstehen, was denn an utilities und dergleichen Kosten zu kalkulieren sei. Und wenn wir uns handelseinig werden, dann werde ich Mieter und Heimwerker.
  • plane ich, morgen Michael Douglas und Karl Malden zu toppen, die Van Ness und die Lombard Street rauf und runter zu brausen (und – natürlich – brav an jedem Stopschild zu halten). Und über jede Brücke zu fahren.
  • habe ich schon eine ganze intensive Arbeitswoche hinter mir

Den Blumen-im-Haar-Teil habe ich noch nicht erlebt, bin aber nunmehr im Besitz eines “section-by-section-maps”-Reiseführers. Das find ich schon noch.

Die Menschen, mit denen ich bisher zu tun hatte, sind ungeheuer nett und offen, das Gros ganz extrem hilfsbereit und der verbleibende Rest verbirgt seine Faulheit hinter der geschickten Frage “do you want ME to do [ … ] for YOU?” Das kann man sich gar nicht zu bejahen trauen…

Heute hatte ich mit einer Heart&Soul Kalifornierin zu tun, die sehr “environmental” ist, deshalb Plastikflaschen hasst und missionierend dagegen zu Felde zieht. Sie heißt nicht Jeanne, sondern Stephanie, und wird voraussichtlich ebensowenig ausrichten wie die Erstgenannte.

Und der CalTrain pfeift hinter mir durch die Nacht als würde er als Backgroundtuter für einen Hobo-Song von Woodie Guthrie gecastet.

Morgen mehr.

Regen?

Regen vom Himmel: gibt es nicht.

Regen im Supermarkt aber schon!

Gestern beim Einkaufen @Safeway ging auf einmal ein Gewitter mit Blitz und Donner los und dann wurde das Gemüse in den Auslagen minutenlang sanft berieselt.

Sehr hübsch. Selten so glückstrahlende Karotten gesehen.

doch schon…

mein erstes SF-Falschparkticket (das ist hier so eine Art Volkskrankheit) – über 60 Dollars – das also ist gemeint mit dem “Preis der Arbeit”…

San Francisco Bay

let me share!

Jeden Morgen fahre ich, aus dem Süden kommend auf die sonnenglitzernde San Francisco Bay zu (eine scharfe Kurve und dann liegt sie auf einmal da, in voller Pracht) und mir geht jeden Morgen bei diesem Anblick das Herz auf. Ich lebe jetzt nämlich hier.

that’s all for now

mein erstes “Open House”

Heute hatte ich meine ersten zwei Hausbesichtigungstermine; die Terminvereinbarungen dafür sind eher formlos – das Haus steht einfach an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit einem jeden, der es ansehen will, vom Keller bis zum Speicher zur Verfügung.

Soweit zur Theorie. In der Praxis standen Shirley und ich nach vielen Irrwegen (sie ist nicht die schnellste, wenn es darum geht, auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren – etwa wenn ich rechts und links verwechsle) vor einem Zaun, an dem ein Zettelchen appliziert war “open house canselled sorry” (genauso). Hmmm. Dann halt nicht.

Nächste Station: das offene Haus in der 2nd street in San Bruno. Das haben wir (sehr gutes Omen) mit nur ein einziges Mal Verfahren gefunden (Shirley wollte unbedingt auf den Gleisen der CalTrain einen U-Turn haben und wurde bockig, als sie ihn nicht bekam). In der Tür stand “Hi I’m Bob” (das “o” ausgesprochen, wie es ein heftig an Brechreiz leidender Frosch nicht schöner könnte). Bob, mein Realtor, mit einer Neigung zu wildwucherndem Euphemismus. Wenn Tarantino in seinem nächsten Film außer Till Schweiger noch eine Hackfresse braucht – ich hätte da wen für ihn.

Das Haus selbst ist ein wenig heruntergekommen, ein Traum für jeden Heimwerker und hat alles, was ich gerne hätte, mit Wohnküche, 2 Schlafzimmern, einem Wohnzimmer und darüber hinaus eine Riesengarage mit einem zusätzlichen Lagerraum, durch den man den einzigen Zugang in den Garten hat. Der Garten ist vollkommen verwildert, dem Gras ist nur noch mit einer scharfen Sense beizukommen und die paar versprengten Bäume, die drinstehen, würden sich auch wohler fühlen, wenn man sie ein wenig zurecht stutzte. Mit ein paar Kübeln Seifenwasser, ein paar Eimern Farbe und entsprechendem Elan könnte man aus dem Ding ein echtes Schmuckkästchen machen. Leider gibt es keine Bilder, dafür war Bob überhaupt nicht zu haben. Ich habe also eine “Application” abgegeben und wenn Bob morgen seinen Dienst an der Allgemeinheit absolviert haben wird (er ist zum Schöffen bei Gericht berufen worden), dann wird er sich melden. Ich hätte gute Lust, mich auf dieses Abenteuer einzulassen. Mit mir noch ca. weitere 20 Bewerber.

Ich habe mir im Anschluss an die Hausbesichtigung noch die “San Bruno Avenue”, also die Einkaufszeile angesehen, auch in Hinblick darauf, wo man denn mal was essen gehen könnte und welche Einkaufsmöglichkeiten es in Fußentfernung gibt. Erfreulicherweise gibt es von allem alles, zum Beispiel auch ein Möbel-Verleihhaus, das vielleicht eine ganz interessante Option ist, wenn ich denn am Wochenende schon einziehen könnte. Die Schilder an den Gebäuden sind immer zweisprachig, Englisch und Spanisch und die Menschen auf der Straße neigen eher nicht zur Haute couture. San Bruno verhält sich zu Palo Alto ungefähr so, wie Sendling zu Grünwald. Paßt.

Die CalTrain-Station ist ca. 8 Gehminuten vom Haus entfernt, mit dem Auto sind es ca. 20 Minuten in die Stadt (ins Büro), der Flughafen ist nicht weit und man ist aber auch gleich draußen im Grüneren.

Ich bin sehr gespannt, was ich machen werde, wenn ich den Zuschlag erhalten sollte.

Mein Lieblingsspruch heute, gelesen auf einem T-Shirt: “sure! let me drop everything to solve your problem”

wieder mal umziehen oder: ya gotta move it

damit ich den zu-lang-gebliebener-Gast-Hautgout gar nicht erst bekomme, werde ich morgen früh bei meinen geschätzten Palo-Alto-Pieper-Gastgebern ausziehen und stattdessen in ein handverlesenes Howard-Johnson-Motel in (jawoll!) San Bruno umziehen. Da bleibe ich dann mal bis übers Wochenende und lasse die Bärenstadt auf mich wirken.

Der Herr an der Rezeption hat meine persönliche Vorsprache gleich mit der Ernennung zum AAA-Mitglied ehrenhalber gewürdigt (10 US$ Discount per Nacht und Frühstück (pappig-klebrige Danish) inklusive. Außerdem arbeite eine seiner Schwägerinnen im Real Estate Business – besser kann mans gar nicht treffen. Der Liquor Store ist gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite und das Etablissement 2 Häuser weiter verspricht “Adult Fun” – also ausgewachsenen Spaß. Ich hoffe noch auf den Gun Shop in der nächsten Querstraße, dann sollte ich alles beeinander haben, was ich als angehende Resident Alien so brauche…

Zudem gedenke ich mich am Wochenende auch über die Bay Bridge gen Berkeley aufzumachen, um gegebenenfalls in der kommenden Woche dort irgendwo zu wohnen und herauszufinden, ob ich es auf der anderen Seite der Bay schöner finden möchte als auf der Peninsula.

Ich bin sehr froh, dass ich ein Auto mit Neverlost-Navigation gemietet habe, auch wenn Shirley eher eine Zicke ist und manchmal einfach auf der Strecke weitere Richtungsangaben verweigert. Dann ist sie nur durch wiederholtes Drücken der “Enter” Taste dazu zu bewegen, die Route ein weiteres Mal zu kalkulieren – und auch das recht zögerlich und widerborstig. Hierzulande nennt man ein solches Verhalten cross-grained.

Zum Abschlus noch mein heutiges Lieblingszitat aus den Wohnungsanzeigen:

“No Pets No Waterbeds”

In diesem Sinne: Gute Nacht!