Gelddruckmaschine

Jetzt schreibe ich schon… wie lange? Kurz nachrechnen. Holla! Jetzt schreibe ich schon seit Juli 2008 den flockblog, nächstes Jahr wird er volljährig und schon zeigen sich erste Spuren von Monetarisierung.

Also: Wir gehen demnächst ins Theater. Ins Bauhoftheater zu Braunau, wie jedes Jahr im Sommer und warum der dieses Jahr in den November fällt, werde ich mir vor Ort noch erklären lassen und dann weitererzählen. Fürs erste kann ich mich glücklich schätzen, s’koscht nix: “Sabine, du hast eine Freikarte bekommen, weil sie sich immer über den Blog freuen.”

Dann doch nicht gelesen: Thomas Mann – “Der Tod in Venedig”

Neulich, beim Bücherregalverschlanken, ist sie mir wieder in die Hände gefallen, die traurige Mär vom Herrn Aschenbach und seiner Venezianer Liebe Tadzio und ich hab sie mir zum Lesen zurechtgelegt. Angefangen, und dies ist ungelogen der 2. Satz:

Überreizt von der schwierigen und gefährlichen, eben jetzt eine höchste Behutsamkeit, Umsicht, Eindringlichkeit und Genauigkeit des Willens erfordernden Arbeit der Vormittagsstunden, hatte der Schriftsteller dem Fortschwingen des produzierenden Triebwerks in seinem Innern, jenem “motus animi continuus”, worin nach Cicero das Wesen der Beredsamkeit besteht, auch nach der Mittagsmahlzeit nicht Einhalt zu tun vermocht und den entlastenden Schlummer nicht gefunden, der ihm, bei zunehmender Abnutzbarkeit seiner Kräfte, einmal untertags so nötig war.

Ich stells dann für ein anderes Mal zurück ins Regal.

Einzahlung, sofort

Ob eine Anzeige für Glücksspiel im Wissenschaftsressort wirklich gut aufgehoben ist, ist mindestens fraglich. Dass diese Kreation der Lotto-Werbetreibenden mit einer doppelten Schlechte-Wortspiel-Gebühr belegt wird, ist es hingegen nicht. Nein, auch die hessische Herkunft ist keine Entschuldigung.

Gestern Abend im Residenztheater: “Lapidarium”

Ohren gespitzt und zugehört: der Sprachakrobat Rainald Goetz hat ein neues Stück geschrieben. Es geht irgendwie darum, dass das alte Dietl-Achtziger-Jahre-Nostalgie-München wieder leuchten soll, und es werden alle aufgerufen, die im hiesigen Künstlerpantheon Rang und Namen sowie ein Haus am See haben, vom Hausgott Dietl selbst über Polt und Achternbusch bis Hader (dem wird, das machen wir hierzulande gern, seine österreichische Herkunft nicht nachgetragen), Bierbichler und natürlich Kroetz, der in dem Film nach dem Dietl/Goetz-Drehbuch den gealterten Baby Schimmerlos* spielen wird, spielen muss, weil “der alte Mann dem Kroetz besonders schön ins Gesicht gegraben” ist. Goetz ist auch schon siebzig, da beschäftigen einen Altern, Leben und Tod, dazu habe er seinem Publikum, so die Vorankündigung, etwas zu sagen. Und er hat sich die neue Hausregisseurin des Residenz-Theaters, Elsa-Sophie Jach für die Umsetzung der Uraufführung gewünscht. Jach hat neulich erst diese wunderschöne Romeo-und-Julia-Inszenierung (s. https://flockblog.de/?p=51365) abgeliefert, die kann was. Gute Voraussetzungen.

Muß ja nicht unbedingt was heißen.

Als es losgeht, stehen schauspielende Menschen in eigenartigen weiß-blauen Kostümen auf der Bühne hinter Fadenvorhängen (immerhin, keine Fliegen) und für viele lange Minuten wird betrieben, was die Kritikerin der Süddeutschen Zeitung eine “assoziative Namedropping-Veranstaltung” nennt. Hätte ich nicht treffender sagen können, danke, Frau Dössel. Dies wiederholt sich im Programmheft, zwei Seiten lang nur Namen – wäre ich die Familie des Baumes, der dafür gefällt wurde, ich würde klagen. Aber das nur nebenbei. Inzwischen sind wir im dritten Bild und die großartige Pia Händler spielt/rezitiert eine schwülstig-feuchte Altmännergeschlechtsaktsphantasie, in dem Widerlichkeiten wie “die Vagina mit der Seele suchen” vorkommen. Wir sitzen am Rand und müssen zum ersten Mal aufstehen, weil die neben uns jetzt, jehetzt gehen. Zum ersten Mal schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass es wohl einen guten Grund gibt, warum die Aufführung ohne Pause angesetzt ist. Ohne Pause. Oi weh.

Die Schauspieltruppe ist inzwischen zum Chor mutiert und sagt, nunmehr mit blonden kurzen Strubbelfrisuren, Hashtag-Sentenzen auf (nicht fragen, einfach ertragen) und Matthias Döpfner muss besprochen werden und Benjamin Stuckrad-Barre und “Noch wach?” und der tote Mentor Michael Rutschky und sein langes Sterben, irgendwie grätscht auch Harry Styles rein und es ist alles ganz furchtbar unnötig und arg lang und nicht “hilariousmäßig”, wie Goetz behauptet. Da! Abwechslung. Hinter uns raschelt und ruschelt regentaugliche Kleidung – das Paar ist fluchtbereit angekleidet und tauscht sich, gut vernehmbar flüsternd, über den besten Zeitpunkt aus, hier rauszukommen. Er ist jetzt. Jehetzt.

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass wir ungefähr zwei Drittel schon geschafft haben und dass ich wieder aufstehen muss, um die nächsten rauszulassen, nutze ich, um einen Blick nach hinten zu werfen. Der zu Anfang gut besetzte Zuschauerraum weist arge Lücken auf, das Türenklappern will gar nicht mehr aufhören. Inzwischen wird auf der Bühne mit Farbe umeinander gebatzelt**, die Männer spritzen (wie symbolisch) auf eine Plastikwand in Müllsackblau (für die Vornehmeren unter uns: Yves-Klein), die Frau glättet mit einer Walze die Flecken zu einer weißen Fläche. Das soll mir bestimmt was sagen, ich weiß aber nicht, was und es ist mir so dermaßen wurscht. Auch, warum nun einer in Giftgrün die Wörter “Death Work Life Death” aufsprüht – wie mir, nur um das endlich mal gesagt zu haben, Goetzens denglische Kunstsprache, neben dem ganzen Schwachsinn hier, gründlich on the cookie geht. Dann muss Pia Händler wieder an den Bühnenrand treten und mit toternstem Gesicht sagen: “We kill the flame”. Jetzt kommen eh schon kaum Frauen vor in dieser sehr sehr seltsamen Männerwelt und dann so ein Satz. Warum nur? Immer wieder klappern Türen.

Wir kommen nun zum Suizid. Warum auch nicht? Den bespricht sehr ausführlich Vincent zur Linden, auf einem Pfad voll schwarzer Steine und trägt dazu ein Totenhemdchen aus Papier. Es beginnt zu regnen (Kompliment an die Bühnenbauer). Aus dem Wet-Hemderl-Contest geht ein nunmehr nackter Vincent zur Linden hervor, der großen Schwachsinn aufsagen muss, während sein hübscher Körper weiter sanft beregnet wird (ich hoffe, das Wasser war wohltemperiert). Die Dame vor mir nimmt jetzt, jehetzt ihre Brille ab, faltet sie vorsichtig ins Etui und verstaut es in ihrer Handtasche. Sehschwächen können einen in seltenen Fällen zum Vorteil geraten.

Wie lang denn noch? Ah! Da! Gerade hat einer auf der Bühne gesagt: “Es ist vorbei.” und aus der Reihe hinter uns wie aus der (Selbstmörder-höhö-)Pistole geschossen die Antwort: “Ja, bitte.” Oh, Götter, die Scheinwerfer gehen aus: es ist vorbei.

Der Applaus kommt zögerlich, aber dann doch, weil: die Schauspieler können ja nichts dafür und haben wirklich ihr bestes gegeben. Doch, denen darf man klatschen. Muss man sogar. Wer so einen Unfug lernen muss, und spielen, und ohne Hänger aufsagen kann, hat sich den ehrlich verdient. Doch. Sie waren gut. Klatschen. Aber auch nicht zu lang. Das noch verbleibende Publikum hat jetzt nämlich Hofgang.

* Es handelt sich hierbei um eine Referenz aus der Kategorie “Fragt Oma”. Baby Schimmerlos, gespielt vom jungen Franz-Xaver Kroetz mit Föhnfrisur war in der Dietl-Serie “Kir Royal” (das ist ein Mixgetränk aus Cassis und Champagner) ein rasender Klatschreporter, dem Münchner Original Michael Graeter nachempfunden. Wir sprechen von einer Zeit ohne Internet, in der es in München fünf verschiedene Tageszeitungen gab, und wenn man möglicherweise drinstand, sich nachts die druckfrischen Ausgaben und… ehrlich, das führt jetzt zu weit. Junge Menschen, das habt ihr einfach verpasst.

** Das macht man wohl zur Zeit im jungen Theater so. Habe ich erst im Frühjahr in Hamburg gesehen.

Richtig

Wenn dieser Artikel, werte Spiegelredaktion, bei Bento erschienen wäre, eurem bei mir für vielfache Aufreger gesorgt habenden, nunmehr schon lange eingestellten Jugendmagazin, dann hätte ich mich nicht gewundert. Kein bißchen.

Es würde mich aber interessieren, wieviele Menschen bereit waren, für die Wochenendzeitungslektüre eure Bezahlschranke gegen Geld zu überwinden, um herauszufinden, wie es um das “echte Leben der Internet-Stars Stachel, Cengko und Theo” bestellt ist.

Gelesen: Cemile Sahin – “Kommando Ajax”

Sahins drittes Buch ist ein superschnelles Actionfilm-Drehbuch mit alles und scharf. Absurder Komik, alten und neuen Heimaten (der Plural ist nach wie vor schwierig), Schmugglern und Kunsthändlern (die Distinktion ist ebenfalls nicht leicht), Klein-, Mittel- und Großkriminellen, Zockern, Künstlern und schwerstarbeitenden Premium-Premium-Putzfrauen (das sind die mit Schlüssel und mit freier Zeiteinteilung am Wochenende), Schuld und Sühne. In schnellen Schnitten, markiert durch Collagen der mehrfach begabten Autorin, dazwischen wieder Sätze, wie aus Metall geätzt.

Dieses Mal kein Stoff, aus dem Alpträume sind, sondern einer, der geradezu nach einem mutigen Regisseur schreit.

Lesen! Lesen!

Gestern Abend in der Unterfahrt: Yazz Ahmed Quartett

Pass auf: Fusion Musik, britisch und orientalisch. Hach! Die Bandleaderin mit einem Namen, der schon wie ihr Musikstil kling, einer ersten Heimat in Bahrein, in einer megamonstercoolen Addidas-Abaya, mit einem poshen Akzent aus der westlichsten Westlage des Londoner Westends. Und sie spielt Trompete. Und Flügelhorn. Flügelhorn. Hach!

Ich hatte den Herrschaften (Ralph Wyld, sagenhaft am Vibraphon, David Manington, Bass und Rod Youngs, yes!!, Schlagzeug) schon allein wegen der vermeintlichen Exotik viel Vorschußjubel gegeben, wobei mein weiser Begleiter schon bei der Kartenbestellung gewarnt hatte: “die find ich ein bißchen fad”.

So war es dann auch. Alles gute Musiker, aber halt a weng langweilig. Mein sehr freundlicher Begleiter beschrieb den Klang mit den Worten “es mäandert”. Ich bin ja nicht so gut erzogen und nenne den Effekt “wabern” (ganz recht, Frau R. aus M., wie in “Lohe”). Also nicht ganz das Gelbe vom Ei.

Wir haben nachgezählt und bis zum Jahresende noch sechs weitere Konzerte gebucht und sind sehr hoffnungsfroh, dass die nächsten besser werden.

Hey, Fee…

…wenn ich nach Frieden auf Erden, kein Mensch muss je wieder hungern und die Geschichte mit dem Klima ist auch gelöst noch einen Wunsch freihaben sollte, dann wünsche ich dem norwegischen Nobelkomitee morgen eine glückliche unerschütterliche Hand.

Für die Nachgeborenen: Die Vereinigten Staaten von Amerika (was man halt so nennt) haben den 45. Präsidenten auch zum 47. gewählt (was man halt so nennt). Seinem Vorgänger, dem 44. Präsidenten, einem auf Hawaii geborenen Schwarzen, wurde der Friedensnobelpreis verliehen. Darum will er den auch (für die Beendigung von – je nach Tageslaune – fünf bis acht Kriegen (die keine sind). Und für seinen “Deal”, die Einigung bei den Gaza-Verhandlungen, welche er gestern (Mittwoch) exklusiv auf seiner eigenen Plattform verkündete.

Morgen (Freitag) wird der Preisträger bekannt gegeben. Man möchte gerade nicht in einer norwegischen Haut stecken.