Oooops!

Ich bin vorhin der Aufforderung der netten Aufsichtsdame im Smith Tower gefolgt, einfach da Platz zu nehmen, wo es mir gefällt. Hab’ ich ganz instinktiv den Sessel der Kaiserin von China gewählt (“The Wishing Chair”). Und beim Nachlesen erfahren, dass “it is said that a single woman who sits in the chair will marry within a year”.

Ich hoffe nicht, dass die das ernst meinen. Ich wollte doch nur sitzen.

Roadtrip nach Norden, 7. Tag (Seattle)

In knapp  3 Stunden schaffen wir’s vom Cocktail-Benson mit Valet Parking ins Sixth Avenue Motel in Seattle und bekommen ein Zimmer mit Blick auf die Leuchtreklame der Nude-Tanzbar. Wenn unsere Vorhänge nicht ganz dicht schließen, werden wir wohl die Nacht über weiter in ca. Dreiminutenabständen informiert werden, dass am “Thursday Amateur Night” ist und auch ansonsten hemmungslose Damen vor nichts zurückschrecken. Hauptsache, sie sind dabei schön leise!

Wir brauchen Schlaf, denn wir haben uns heute Nachmittag Seattle erlaufen. Diese Stadt ist eine städteplanerische Fehlleistung. Statt wie jede Stadt am Meer zur Wasserfront sanft abschüssig am Hang zu liegen, hat man jede Menge steile Zwischentäler eingebaut – wie daheim in San Francisco, wo ich das auch schon nicht mag. Man geht also nicht einfach ‘runter zum Public Market am Hafen (eine Art Viktualienmarkt mit viel Seafood), sondern hinauf und hinab und wieder hinauf und hinab und nochmal hinauf und hinab – das muss doch weiß Gott nicht sein. Dieses glorreiche Land hat unter anderem die Great Plains vorzuweisen, davon kann man doch lernen.

Davon abgesehen ist Seattle wirklich schön. Die Erste und Zweite Avenue sind gesäumt von Gebäuden im Art Nouveau/Beaux Arts Stil aus der Zeit um die vorige Jahrhundertwende, gut erhalten bzw. schön restauriert.  (In Europa nennt man die Epochen Jugendstil und Klassizismus.) Der allererste Wolkenkratzer, das Alaska Building, war bei seiner Fertigstellung im Jahre 1904 immerhin schon 14 Stockwerke hoch  und bis 1911 das höchste Gebäude der Gegend. Heutzutage sieht es aus wie ein liebenswürdiger kleiner Zwerg zwischen dem 78 Etagen hohen Columbia Building, der Space Needle (605 Füße hoch) und dem 38-stöckigen Smith Tower.

Letzterer ein großartiger Turm mit einer 360° Außenaussichtsplattform im 35. Stock – der ideale Platz, einen Sonnenuntergang über der Stadt zu erleben. Wenn die Sonne ihren Abgang ordentlich mit den Öffnungszeiten des Smith Observatoriums abstimmt. Dabei ist auch extrem hilfreich, wenn sie überhaupt erst einmal scheint. Tat sie nicht. War aber trotzdem schön.

Gestern war gegenüber übrigens “Monday Madness” – muss ganz was tolles sein, leuchtet nämlich als einzige Attraktion in rotem Flacker-Neon.

Roadtrip nach Norden, 6. Tag (Halbzeit)

Es ist schwer zu glauben, dass die Oregon Coast ein Sommerreiseziel ist, wo die Sonne so kräftig scheint, dass Menschen sich Sonnenbrand holen, man allerlei Spiel und Spaß am Strand treibt, sich gar im Ozean aufhält und nach einem strahlenden Sonnenuntergang noch lange unterm Sternenhimmel am Lagerfeuer sitzt.

Soweit ich das nach 2 Tagen beurteilen kann, fällt die Temperatur, kaum dass man an die Küste kommt, um ca. 40F, und Horizont und Pazifik unterscheiden sich in der Farbe nur unwesentlich. Außerdem bläst der Wind und es ist so mistig (Adjektiv zu Mist, vulgo Tiefnebel), dass es einem die Haare zu wilden Lockerl aufzwirbelt. Die haben keine Ahnung, was Sommer ist. Und der Rest ist irreführende Werbung. Man trägt am Strand nicht Badehose und Bikini, sondern Pulli und Windbreaker oder Neoprenanzug!

Wir haben unsere Dünenfahrt abgekürzt (wenn die Küste uns nicht will, dann wollen wir sie schon zweimal nicht) und sind bei Lincoln, am Devil’s Lake vorbei (“Siagst du an See?” “Naa, bloß Baam und an Nebel.”) nach rechts, ins Binnenland abgebogen. Siehe da, kaum 20 Meilen östlich werden die Temperaturen normaler (über 70F) und gegen Mittag picknicken wir im Salmon River Valley draußen im T-Shirt, wie sich das gehört.

Als wir in Portland, OR ankommen, ist es wieder ordentlich knackwarm. Wir fahren vor, der livrierte Hotelportier reißt den Schlag auf, heißt uns herzlich willkommen, lädt das Gepäck aus und übernimmt den Wagen zum Valet Parking. Wir fahren in den 11. Stock und genießen den Blick – jetzt wissen wir auch, was uns im Economy Inn gefehlt hat…

Den Nachmittag verbringen wir im größten chinesischen Garten außerhalb Chinas, dem Lan Su Garden (http://bit.ly/d5MiMc), versuchen – davon inspiriert – anschließend wieder vergeblich, eines Chinese Dinner For 2 Herr zu werden (es geht nicht, sie kochen immer für mindestens vier Mann und ein jeder davon ein Vielfraß). Danach schaffen wir’s noch auf eine Parkbank an der Waterfront (“Is’ no weit zum nächsten Bankerl? Mei Bauch is soo voll…”) und schauen uns Brückerl an. (“Wie in Passau.”)

Den Restabend verbringen wir damit, zu überprüfen, ob die Hotelbar wirklich über das Weltklasseniveau verfügt, das sie zu haben vorgibt. Eine erkleckliche Anzahl von Black Widows (Tequilla mit Ingwer und Blaubeeren, wegen der Vitamine) und Whiskey Sours später können wir dasssss vollllinhaltlich beschtätijn.

Fragen über Fragen (to be continued)

  • Wenn ein Einwohner Oregons ein Oregano ist, wie lautet dann der korrekte Plural?
  • Bewohner des Bundesstaats Washington heißen Presidents – oder?
  • Warum liegt Portland nicht an der Port, so wie Chemnitz an der Chem oder Innsbruck am Inn?
  • Warum schaut es an der Waterfront in Portland genauso aus, wie an der Innpromenade in Passau und ist der Vergleichende möglicherweise voreingenommen?
  • Warum heißt der Elch ab dem 45. Breitengrad nicht mehr Elk sondern Moose?
  • Wieso stammt eigentlich jeder zweite, mit dem wir unterwegs in Gespräch kommen, aus der Bay Area (so wie der Irish Pub Barmann in Ashland oder Hannelore Hickey, 75, vom Damenchor Liederkranz, die auch auf dem Weg zum Schwefelsee noch Altstimmen rekrutiert)?
  • In Oregon gibt es keine Sales Tax. Außerdem gibt es keinen Oregano, der selbst tanken kann. Vielmehr verfügt der Bundesstaat über autorisierte Gas Pumper. Bei Shell in Grün. Woanders in andersfarbigen Overalls. Warum muss man dennoch aussteigen, seine Kreditkartendaten eingeben und auch noch wissen, wieviel Gallonen das Auto heute schlucken möchte?

Roadtrip nach Norden, 5. Tag – 9/11

Den Morgen nach der lauten Nacht im Economy Inn zu Reedsport begehen wir dem Etablissement angemessen mit lauwarmem Pappbecher-Kaffee (mit dairy-free Creamer) und einem Donut. Packen und weg und nie mehr ein Wort drüber verlieren – außer als Anekdote über den vielen reisenden White Trash und dessen spannendes Sozialverhalten. Klug geworden, hatten wir in der Nacht deren W-Lan gründlich genützt und alle weiteren Übernachtungen (Portland, Seattle und Vancouver) vorausgebucht, außer für heute Nacht – da wollen wir uns im Dunes National Park so lange Richtung Norden treiben lassen, bis wir das schönste Plätzchen von allen gefunden haben.

Die Oregoner Küste empfängt uns mit blendendem Nebel, Nieselgriesel, einer steifen Brise und einem Temperatursturz (gestern 100F, heute umara 60F). Zum ersten Mal seit der Abreise aus der Bay Area besteht Bedarf an Hoodies, Windbreakern und Socken, ganz ungewohnt. Von wegen, es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Wir tragen angemessenes Scheißwetteroutfit und es ist trotzdem windig, kalt und ungemütlich. In den Dünen, im Biotop, am Binnensee – überall fehlt einfach Sonne.

Wurscht, wir fahren jetzt einfach nach Florence und lassen uns bei Mo’s heiße Suppe reichen. Die hält dann auch lange genug vor, damit wir durch die Historical Car Show (die sie netterweise gerade veranstalten) schlendern können und es bis zum Coffee Shop schaffen, wo uns Heißgetränke gereicht werden. Dort blättern wir in den ausliegenden Tourismusbroschüren und stoßen auf die Beschreibung des Agate Beach Motel, die so hübsch klingt, dass wir gleich anrufen und für die Nacht unser Häuschen mit Meeresblick und –rauschen sowie einem Gaskamin reservieren. Das ist doch was zum Vorfreuen, denn nach wieder Dünen, Wäldern, fleischfressenden Pflanzen und Mist (das hiesige sehr treffende Wort für feuchten Tiefnebel) sowie einem Abstecher in die Sea Lion Cove sind wir durchgefroren und hungrig.

Als wir ankommen, brennt schon ein lustiges Feuerchen im Kamin – das Häuschen ist genauso, wie wir es uns vorgestellt haben, http://www.agatebeachmotel.com/ und wenn’s nicht so naß und neblig wäre, wäre alles ganz perfekt.

Und morgen scheint bestimmt wieder die Sonne!

Roadtrip nach Norden, 4. Tag

Wir haben den Tag im Crater Lake National Park (http://1.usa.gov/f0DPkr) verbracht und ausgenützt, dass gerade mal nur noch wenig Schnee lag (in den gaaaaanz schattigen Ecken). Außerdem haben wir dem Rogue River an der Rogue Gorge dabei zugesehen, wie er durch eine Lava-Röhre schäumt und sprudelt, den tiefsten und dunkelblauesten See der USA bestaunt (den Crater Lake, eine Caldera, auf deren “Rim” man ganz oben drumherum fahren kann) – und dann stieg auf einmal Rauch aus dem Wald auf. Uijuij, ein wild fire?

Zur Beruhigung der Touristen stellen die Ranger dann solche Schilder auf, und stehen daneben, um die Vorteile natürlicher Brandrodung (durch Blitzschlag) zu erläutern. Es sieht dennoch beängstigend aus, wenn da auf einmal ein paar Quadratkilometer Wald in Flammen aufgehen.

Unser neuer bester Freund ist der Umpqua River (http://bit.ly/q7OByn), dessen Verlauf wir heute von Roseburg bis nach Reedsport gefolgt sind und dies – weil der Fluss nach Westen fließt und in den Pazifik mündet – in einen Technicolor-Sonnenuntergang hinein. In Elkton gab es ein Elk-Warnschild sowie

den dazugehörigen Elk und den ganzen Weg über sehr viele Verstopfungsschilder,

deren tieferer Sinn uns versagt geblieben ist. Wir haben zumindest nirgends Därme gesehen.

Vom gehobenen Stratford Inn in Ashland sind wir um ein paar Klassen abgesunken und verbringen die Nacht im Economy Inn in Reedsport, bei dessen Website es sich offensichtlich um die Meisterabschlussarbeit eines Absolventen der Fachhochschule für Kaffee- und Butterfahrten handelt. http://bit.ly/nJdSix

Mit einem haben sie recht: es sind nur noch ein paar Minuten zum Meer.

 

Roadtrip nach Norden, 3. Tag

Nach einer Nacht in der Harry-Potter-Suite (ein Zimmer unter der Treppe) in Redding, einer Stadt, die keiner weiteren Erwähnung wert ist, fahren wir durch dicht bewaldete Berge und sonnenausgedörrte Steppen nach Ashland, Oregon, da, wo Shakespeare noch mehr zu Hause ist als in Stratford upon Avon. (Sagen die Ashlander.)

Leider haben die Ashlander ihren Spielplan gar kein bißchen mit uns abgestimmt: “Julius Cäser” wurde heute um 1:30pm als Matinee gegeben, “Richard III” morgen um die gleiche Zeit (nein, gar nicht drüber nachdenken: die Amerikaner nennen alles, was nachmittags stattfindet, Matinee, was schert die der französische Wortsinn); wir waren entweder noch nicht da oder sind schon wieder weg. Phhh. Ashland ist auch so ganz nett, mit einem ausgesucht hübschen Stadtpark und einer Unzahl von Geschäften, die auch genausogut Stände auf Tollwood haben könnten. Kruscht aus Tibet und Indien, Kruscht von Indianern, Mexikanern, Inka, wurscht, Hauptsache bunt, klein- bis mittelpreisig und mitbringseltauglich.

Wir haben uns bei knapp 100F (hier im Hinterland ist ein richtig schön heißer Spätsommer) im Städtchen ergangen, unseren Proviant für den nächsten Wildernesstrip zum Crater Lake besorgt und viel getrunken, vorwiegend vitaminhaltige Margaritas sowie nahrhaftes Guiness. Soviel, wie Shakespeare über’s Saufen geschrieben hat, hätte er uns sicher verstanden.

Heute gelernt: das bovine Äquivalent zum “Mit-eiskaltem-Wasser-Duscher” ist der “Interstate-Mittelstreifen-Weider”.

Roadtrip nach Norden, 1. und 2. Tag

Wer sich mittwochs gegen Mittag aus San Bruno Richtung Nord-Osten auf den Weg macht, der landet abends wie geplant in Chester am Lake Almanor, um dort feststellen zu müssen, dass die Chesterer zwar an einem See wohnen, ihn aber aus unerfindlichen Gründen nicht zur Kenntnis nehmen. Die wenigen Hotels ballen sich an der Hauptstraße und haben alle eines gemeinsam: Bloß keinen Seeblick! Bloß nicht!

Wollen wir aber. Also lassen wir Chester ganz rasch hinter uns, fahren zum Ost-Ufer und stoßen auf das Dorado Inn (http://bit.ly/pjpAwS), das Lisa, die ganz reizenden Besitzerin mit viel Esoterik im Blick, als ihr “Labor of Love” beschwärmt. Eigentlich hat sie schon Saison-Ende, und eigentlich nimmt sie auch nur Gäste auf, die mindestens eine Woche bleiben. Und eigentlich ist das alles ganz egal, sie findet uns nett und wir mieten uns in eine kleine Villa am See mit 2 Schlafzimmern, 2 Bädern und einer Küche ein, in der man Batallione bekochen könnte. Außerdem eine Terasse mit Seeblick.

Die Natur zeigt sich von ihrer besten Seite: Sonnenuntergang über’m See in Feuerfarben, später ein Wetterleuchten in den Bergen dahinter, Grillen zirpen, Moskitos verenden an Halogenstrahlern und als es endlich von immer noch mehr als 90F abkühlt, langt ein Hoodie gegen das Frösteln. Christoph und ich sind sehr zufrieden mit unserem Ferienstart!

Donnerstag
Heute gehen wir hiken. (Ja, ich auch, wenn auch widerwillig; aber was will man machen: dieses Dreckskalifornien besteht aus irre viel Natur und die liegt immer irgendwie über dem Meeresspiegel.)

Im Lassen Volcanic Nationalpark wandern wir den Bumpass Hell Trail hinauf, zu (was wohl?) Bumpass Hell, einem Bassin, in dem die Erde immer noch vulkanisch aktiv ist, mit Gestein in unglaublich vielfältigen und intensiven Farben, mit kochenden Schlammlöchern, heißen Quellen und Fumarolen. Aus letzteren steigt Wasserdampf auf und Schwefelgase, das heißt, die auf über 8000 Füßen ohnehin schon dünne Luft stinkt erbärmlich nach faulen Eiern. (Wir überlegen, die Deo-Duftnote Axe-Sulfur zu kreieren.) Obwohl die Tagestemperaturen bei ca. 100F liegen und die Erde so nah an und über der Oberfläche kocht, liegt in schattigen Ecken immer noch (!) Schnee (wir sind zwei Mal über Schneehügerlen geklettert) und der nächste Winter wird in 4-8 Wochen erwartet. Das wäre mal eine Gegend für mich.

Morgen geht es weiter nach Ashland, OR. Shakespeare schauen.

3 Tage – 3 Canyons – 3 Staaten* – 1 Tal

Was keiner weiß und manchen wundern wird: Nevada ist das amerikanische Äquivalent zu Sachsen und Las Vegas entspricht im wesentlichen Chemnitz. Ich war noch nie da. Will heißen, ich war noch nie in Sachsen – da muss ich mich wohl auf das sächsische Mitglied des Canyon-Trip-Trios verlassen. (Auch wenn ich, ganz ehrlich gesagt, leise Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Behauptung habe.) Utah ist quasi fast wie Bayern, „du kannst schaugn, wo du willst, du siagst immer einen Kirchturm und Bier ist ein Grundnahrungsmittel“.

Weil ich morgen doch in Urlaub fahre und noch Zeit zum Packen und Vorbereiten brauche und es außerdem auch schon wieder so sauspät ist, schreibe ich den Blogpost über unseren Canyon Trip ausnahmsweise nur im (extended) Telegrammstil.

Freitagnacht
Las Vegas. Für ca. eineinhalb Stunden. Dann haben wir nämlich endlich einen Leihwagen und sind den Strip bis Downtown Mitte entlanggefahren (Instant Wedding Chappels, Pfandleiher und “Bargain Bail Bonds” – „Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei“-Kautions-Vorstrecker) (alles wie in Chemnitz) und biegen nach links ab, für weitere eineinhalb Stunden Fahrt durch die stockdunkle Wüstennacht zu unseren vorbestellten Betten in Mesquite.

Samstag
Auf dem Weg zum Zion Nationalpark schmeißt sich der Red Canyon im Morgenlicht in den Weg. Um es gleich vorwegzunehmen: wir haben vorwiegend rote Steine gesehen, mit mehr oder weniger Struktur im Stein, mit mehr oder weniger Wasser und also Grün dazwischen – alles unglaublich riesig, majestätisch, leuchtend, atemberaubend! Auf fließend amerikanisch formuliert (selbst gehört) : “This is, like, so wow!”

(Irgendwann werden wir aus unseren gemeinsam knapp 2000 Photos auch die Memory-Bilder aussortiert haben und eine nichtmitreisendenkompatible Auswahl treffen. Irgendwann.)

Wir sind in Utah, wo der Canyon “Zion” heißt, ein schwer erklimmbares Hochplateau “Angel’s Landing” und Felsen nach den biblischen Patriarchen benannt sind. Es ist schön dort, wir “wandern” (deswegen in Anführungszeichen, weil der “Trail” rollstuhltauglich ist) den Riverside Trail bis zu den Narrows, aus denen uns tropfende Menschen in Neoprenanzügen mit Kletterseilen und Steigeisen entgegenkommen. So ernst meinen wir’s dann doch nicht.

Sehr ernst meinen wir hingegen, dass wir abends im Hotel gerne noch unser mehr als verdientes Fläschchen Wein getrunken hätten. “Nein, nein, nix da. This is Utah.” Alkohol gibt’s nur in lizensierten Liquor Stores, und ganz bestimmt nicht so spät und schon gar nicht sonntags (es sei denn, man gehe zum Essen aus, frage explizit nach der Weinkarte und nehme dann den ungetrunkenen Rest mit). Bier können wir haben, und zwar viel, denn “don’t break sixpacks”. Der wirklich hilfsbereite Mann im Hotelrestaurant ist auch nicht ganz glücklich mit seinem Staat (“more cops than people living here”) und gibt uns einen Tip. Wir sollen am nächsten Tag bei Ruby’s Giftshop vorsprechen und sagen, dass Kyle uns schicke, dann ließe sich vielleicht was machen. “No promises, though.” So stelle ich mir die Speakeasys während der Prohibition vor – es ist schon pervers, wohin dieser Joseph Smith und sein kranker Monotheismus führen.

Sonntag
Der Bryce Canyon ist nicht nur “a hell of a place to lose a cow” sondern auch seiner Ostausrichtung wegen der perfekte Platz, einen Sonnenaufgang zu erleben. Ein überwältigendes Erlebnis. Sagt man. Sollten wir bei Gelegenheit mal nachprüfen – nach zwei langen Tagen hatten wir Schlaf nötig. Der Bryce Canyon ist auch später am Tag noch überwältigend und wir hatten Riesenglück und einen leicht bewölkten und kühlen Tag (35°C) erwischt. Noch mehr rote Steine und Hoodoos (Sandsteinformationen). Eine Kathedrale, schnatternde Marktfrauen, ein sinkendes Schiff, eine Reihe Kerzen – je länger man draufschaut, desto mehr kann man sehen. Ganz arg schön! Ich habe mich mit einem Ranger unterhalten, der gerade nach Schichtende auch seine Augen noch einmal weiden wollte. Hoodoo und Voodoo klingt nicht nur gleich, beides stehe für böse Hexerei. Und ja doch, in vier bis sechs Wochen werde der erste Schnee schon wieder fallen – das sei ja vielleicht was schönes, man käme aber auch ein wenig schlechter auf den Trails voran. (Für diese Prognose hätte er sich keine schlechtere Zielgruppe als mich aussuchen können.) Dann kamen die Jungs vom Queen’s Garden Trail wieder hochgeschnauft, es dunkelte und ein Matthias-Claudius-Halbmond stand hoch am Himmel.

Montag
Auf dem Gut-Fünf-Stunden-Fahrt-Rückweg nach Vegas durchquerten wir noch einmal Zion (dieses Mal die “Scenic Route” bei Tageslicht) und passierten auf der Fahrt zum “Valley of Fire” (rote Steine) die sterbende Stadt Overton, in der man nur deshalb nicht tot über dem Zaun hängen muss, weil die Leichenhalle das besterhaltene Gebäude im Ort ist. Grausig. Irgendwo im Nichts. Aber mit “School Bus Stop.” Selbst das Navi benahm sich suizidgefährdet und wollte alle paar Meter einfach nach “links abbiegen” – mitten in die Wüste und dann dort einsam sterben. Beziehungsweise uns mit sich reißen.

Im Feuertal hat’s geregnet. Ganz dicke einzelne Landregentropfen, die binnen eines Wimpernschlags im roten Steinstaub schon nicht mehr zu sehen waren.

Abschließend jeweils eine Eins mit Stern an Toni, der die ganze Strecke über der Fahrer war (in einem Dodge Nitro) und an Christoph, dessen Routenvorschlägen wir freudig und begeistert gefolgt sind.

Und morgen geht’s los, für eineinhalb Wochen Urlaub Richtung Norden. Ich muss bloß noch packen. Und sollte duschen. Und was essen.

* Nevada, Arizona, Utah