Wahrscheinlich ist das Geburtstagsparadoxon (http://bit.ly/BoHzB) dafür verantwortlich, dass meine zwei besten Freunde am 3. Oktober ihr Wiegenfest feiern – wurscht: ich gratuliere euch beiden von Herzen und freu mich, dass der eine ungeschlagener Kommentarmeister ist und wünsche mir, dass der andere bald wieder seiner Aufgabe als Blog-Troll nachkommt. You are missed!
Hic sunt dracones
“She’s a beauty!” Genau. Finde ich auch. Cecil, ein sonnengegerbter Ruheständler in seinen Sechzigern und seit 10 Jahren passionierter Kite-Flyer ist auf einmal bei Wes, Toni und mir auf der Shoreline Drachenwiese aufgetaucht. Die beiden Jungs haben mir immer mal beim Starten geholfen, aber jetzt verlangen der Wind und ihre Teufelsdrachen ihre volle Aufmerksamkeit. Lucky me: nun hat Cecil es sich zur selbstgewählten Aufgabe gemacht, mich in der Kunst des Drachenfliegens zu unterweisen.
Ich kann sie (ja, mein Drachen ist ein Mädchen, keine Ahnung warum) nach mittellangen Flügen schon sehr gut abstürzen lassen – ich krieg’ sie dann bloß nicht mehr hoch. Cecil untersucht die Angelegenheit, vermißt Schnüre, bringt sie auf die gleiche Länge, lehrt mich Knoten und zeigt mir dann, was “The Girl” alles kann. Axel, Doppel-Axel, lustige Loopings, verwirrte Schnüre wieder entwirren – alles mit ein paar sehr ruhigen weichen Handbewegungen.
“All you have to do is listen to the wind and know when you have to let go and when to hold tight.” Ein paar Mal habe ich das heute schon hingekriegt – und der Rest ist “practice, practice, and a lil’ mo practice.” Wird schon werden.
Der Altweibersommer
dürfte hierzulande vor lauter Political Correctness wahrscheinlich gar nicht so heißen. Im besten Fall möglicherweise “Senior Citizen Season” oder so. Haben tun wir ihn trotzdem. Genießen tun wir ihn auch.
Und die beste Beschreibung der “Fünften Jahreszeit” ist von Kurt Tucholsky und immer noch richtig. Da. Lesen.
Die schönste Zeit im Jahr, im Leben, im Jahr? Lassen Sie mich nachfühlen.
Frühling? Dieser lange, etwas bleichsüchtige Lümmel, mit einem Papierblütenkranz auf dem Kopf, da stakt er über die begrünten Hügel, einen gelben Stecken hat er in der Hand, präraffaelitisch und wie aus der Fürsorge entlaufen; alles ist hellblau und laut, die Spatzen fiepen und sielen sich in blauen Lachen, die Knospen knospen mit einem kleinen Knall, grüne Blättchen stecken fürwitzig ihre Köpfchen . . . ä, pfui Deibel! . . . die Erde sieht aus wie unrasiert, der Regen regnet jeglichen Tag und tut sich noch was darauf zugute: ich bin so nötig für das Wachstum, regnet er. Der Frühling –?
Sommer? Wie eine trächtige Kuh liegt das Land, die Felder haben zu tun, die Engerlinge auch, die Stare auch; die Vogelscheuchen scheuchen, daß die ältesten Vögel nicht aus dem Lachen herauskommen, die Ochsen schwitzen, die Dampfpflüge machen Muh, eine ungeheure Tätigkeit hat rings sich aufgetan; nachts, wenn die Nebel steigen, wirtschaftet es noch im Bauch der Erde, das ganze Land dampft vor Arbeit, es wächst, begattet sich, jungt, Säfte steigen auf und ab, die Stuten brüten, Kühe sitzen auf ihren Eiern, die Enten bringen lebendige Junge zur Welt: kleine piepsende Wolleballen, der Hahn – der Hahn, das Aas, ist so recht das Symbol des Sommers! er preist seinen Tritt an, das göttliche Elixier, er ist das Zeichen der Fruchtbarkeit, hast du das gesehn? und macht demgemäß einen mordsmäßigen Krach . . . der Sommer –?
Herbst? Mürrisch zieht sich die Haut der Erde zusammen, dünne Schleier legt sich die Fröstelnde über, Regenschauer fegt über die Felder und peitscht die entfleischten Baumstümpfe, die ihre hölzernen Schwurfinger zum Offenbarungseid in die Luft strecken: Hier ist nichts mehr zu holen . . . So sieht es auch aus . . . Nichts zu holen . . . und der Wind verklagt die Erde, und klagend heult er um die Ecken, in enge Nasengänge wühlt er sich ein, Huuh macht er in den Stirnhöhlen, denn der Wind bekommt Prozente von den Nasendoktoren . . . hochauf spritzt brauner Straßenmodder . . . die Sonne ist zur Kur in Abazzia . . . der Herbst –?
Und Winter? Es wird eine Art Schnee geliefert, der sich, wenn er die Erde nur von weitem sieht, sofort in Schmutz auflöst; wenn es kalt ist, ist es nicht richtig kalt sondern naßkalt, also naß . . . Tritt man auf Eis, macht das Eis Knack und bekommt rissige Sprünge, so eine Qualität ist das! Manchmal ist Glatteis, dann sitzt der liebe Gott, der gute, alte Mann, in den Wattewolken und freut sich, daß die Leute der Länge lang hinschlagen . . . also, wenn sie denn werden kindisch . . . kalt ist der Ostwind, kalt die Sonnenstrahlen, am kältesten die Zentralheizung – der Winter –?
»Kurz und knapp, Herr Hauser! Hier sind unsere vier Jahreszeiten. Bitte: Welche –?« Keine. Die fünfte.
»Es gibt keine fünfte.«
Es gibt eine fünfte. – Hör zu:
Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheuern gebracht ist, wenn sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt, so müde ist es – wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat –: dann ist die fünfte Jahreszeit.
Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist, gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist – nun ist es vorüber. Nun sind da noch die Blätter und die Gräser und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick steht das Räderwerk still. Es ruht.
Mücken spielen im schwarz-goldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne, tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen . . . kein Blatt bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt, es ist ganz still. Boot, das flußab gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben – es ruht.
So vier, so acht Tage –
Und dann geht etwas vor.
Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert – und doch alles. Es geht wie ein Knack durch die Luft – es ist etwas geschehen; so lange hat sich der Kubus noch gehalten, er hat geschwankt . . . , na . . . na . . . , und nun ist er auf die andere Seite gefallen. Noch ist alles wie gestern: die Blätter, die Bäume, die Sträucher . . . aber nun ist alles anders. Das Licht ist hell, Spinnenfäden schwimmen durch die Luft, alles hat sich einen Ruck gegeben, dahin der Zauber, der Bann ist gebrochen – nun geht es in einen klaren Herbst. Wie viele hast du? Dies ist einer davon. Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören. Es ist die Zeit, in der ältere Herren sehr sentimental werden – es ist nicht der Johannistrieb, es ist etwas andres. Es ist: optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.
Es ist die fünfte und schönste Jahreszeit.
■ · Kaspar Hauser
Die Weltbühne, 22.10.1929, Nr. 43, S. 631.
The Big Pumpkin
Weihnachten mag ich nicht, weder das Fest noch die Deko. Das mag einem frühkindlichen Trauma geschuldet sein; mit einer Floristinnenmutter beginnt der Advent nämlich, wenn die Grabschmucksaison am Tag nach Allerheiligen abgeschlossen ist. Er dauert zwei Monate, in denen eine Unzahl von Kränzen und Gestecken fabriziert werden (Kerzen andrahten, Zapfen andrahten, Tannenreiser bündeln und andrahten) und Mama vor lauter Arbeit wieder nicht zum Plätzchen backen kommt.
Mit Weihnachten bin ich durch. Nicht jedoch mit Halloween, das mag ich. Meine Vorbereitungen sind abgeschlossen: die Gummi-Fledermaus hängt wieder an der Lampe, die dicke Kürbiskerze steht draußen auf der Fensterbank und drin die Hexen-, Geister- und Skeletterschneekugeln. Außerdem habe ich bei Sam ein paar große dicke fette Pumpkins für die Treppe geordert.
Am meisten Spaß hatte ich beim Halloween-Unfug bestaunen und Süßigkeiten einkaufen. “Meine” Halloweenies kriegen nur handzusammengestellte “fat free” (das heißt 150% zucker- und buntfarbenhaltige) Leckerle.
Dem Einkauf dieses Modells habe ich schweren Herzens widerstanden. IMG_0765
Mißverständnis. Großes Mißverständnis!
Werte Kackkatzen in der Nachbarschaft,
ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt: mein Garten ist keine Bedürfnisanstalt. Ihr scheint der Auffassung zu sein, dass der Große Katzenkotgott eure Gebete erhört und euch eine Vielzahl weicher aufnahmebereiter Individualfäkalstationen geschenkt hat. Vollkommen falsch! Vielmehr ist ein ehrlicher hart arbeitender Maulwurf zugange. Der darf das und ist geduldet.
Der Vorgarten ist ebenfalls off limits. (Hinten sieben und vorne zwei Haufen – ihr spinnt ja!)
Go away!
PS: Das ist im übrigen die letzte Warnung. Ab dem nächsten Haufen sprühe ich Minz- und Nelkenöl.
Fundraising
Jedes amerikanische Kind wächst mit der festen Überzeugung auf, dass es, wenn nix unvorhergesehenes dazwischenkommt, hier Präsident werden kann. Es sieht so aus, als würde irgendwer Stanford-Freshmen (knapp 18, laut Selbstdefiniton “sooo under twenty-one”, dem magischen Alter, ab dem man in der Öffentlichkeit legal Alkohol konsumieren darf) bei der Einführungsveranstaltung die Grundlagen der Statistik erklären und dass es wahrscheinlicher ist, an eines von vielen möglichen Regierungsämtern in Washington zu kommen, als sich auf dieses eine zu kaprizieren.
Offensichtlich nehmen sie an, dass sie ihr Ziel schneller erreichen, wenn sie Mitglied im “Student Government” waren, zusammengesetzt aus “an experienced President and energized Vice President, and an incredible cabinet comprised of student leaders with a variety of backgrounds”. Keine Ahnung, wie die ihre Posten verteilen, ob das Los entscheidet, Wahlen stattfinden oder durch klassisches Kungeln. Emmas Aufgabe in dem Verein ist Finance. Genauer gesagt: Einnahmen. Also auf gut amerikanisch: Lobby-Liaison.
Skrupel in der Adressenbeschaffung scheint sie nicht zu kennen – so wie’s aussieht, hat sie einfach die Kontaktdatenbank des Stanford-Jobnetzwerkes gehackt und alle Unternehmen angemailt, die je einen Stanford-Studenten anheuern wollen. Ihr “big goal” für dieses Jahr ist genug Geld zu sammeln, um ein “new entrepreneurship-focused dorm” aufzubauen. Im Klartext: ein Wohnheim für BWL-Studenten mit Unternehmerambitionen.
Nein, danke. Von der Sorte gibt’s schon mehr als genug, die werden dann später im schlimmsten Fall Consultants. Mir gäbet nix!
“Come as you are”
zur “Lesbian Werewolf Party with Biting Booth”. Ein wenig widersprüchlich will mir scheinen, dass anschließend sofort Verkleidungstips auf der Einladung zu finden sind:”Come dressed in costume and get a free raffle ticket. Costume ideas: Lumberjack, Hunter, Woodland Critter, Furry, Beast, Prey, Frat Boy, Sorority Girl, Shapeshifter, or other things that go bump in the night. (Warning: Vampires WILL be staked).” Eintritt frei, es sei denn, mir wäre an Alpha (für $20; 2 copies of Lunatic Fringe, 2 raffle tickets & 1 gift bag loaded with goodies) oder Beta Status (für $12; 1 copy of Lunatic Fringe & 1 raffle ticket) gelegen. Man verspricht mir einen spaßigen Abend “This event will feature raffles (Tombolas), contests, book signings, bootblacking (Stiefel wichsen oder lecken, je nach Kontext), a biting booth (Beißbude) and more. 21+”) und erwartet sehnsüchtig meine Zusage (“Please RSVP by or before Friday“).
Das kommt davon, wenn man sich in Buchhandlungen in den Newsletter-Verteiler für Lesungen und Neuerscheinungspräsentationen einträgt. (Andrerseits: mein Standard-Lieblingskostüm als “Holla die Waldfee” wäre vielleicht sogar dem Anlass angemessen. Dennoch, ich werde Holla nicht ausführen, das Buch interessiert mich so ganz und gar nicht: http://amzn.to/mXHRFH)
Logo!
Es konnte ja gar nicht anders sein, als dass Sam heute wieder vor und hinter dem Haus gemäht hat – schließlich leert die Müllabfuhr morgen die großen grünen Tonnen mit dem Gartenabfall.
Hab’ ich mit dem ein Glück!
Quotenregelung
Nunc est bibendum
Christoph hat es in den letzten Monaten zu wahrer Meisterschaft als Margarita-Mixer gebracht – vor allem durch das Ignorieren der üblichen Mischverhältnisse (was dazu führt, dass uns inzwischen die in Bars von sogenannten Profis gemixten Ritas als recht dünne Plörre erscheinen). Unser aktueller Favorit besteht aus großzügig bemessenen Teilen braunem Tequilla, reichlich Midori, einem Spritzer José-Cuervo-Tequilla-Mix (wegen der Vitamine, das ist uns aus der Strawberry Lodge geblieben), geblendet mit nicht zu viel Eis.
Und am Sonntagabend, nach gerade mal zwei Ritas für jeden, war auf einmal der Schnaps alle. Bin ich natürlich heute losgezogen, Vorräte aufstocken. Man weiß ja inzwischen, wohin und so konnte ich erfreuliche Sonderangebote von Souzas Bestem in Gold und Silber in handlichen Halbgallonenflaschen (aus Plastik) erwerben. Christoph muss nur noch mixen.
Außerdem habe ich im Spirituosenregal noch eine exotische – vorgeblich typisch deutsche – Spezialität entdeckt: Pfefferminzschnaps. Aber man muss nicht alles haben…
Rumpelminze klingt irgendwie auch eher nach einer dicken gemütlichen Hexe mit einer Warze auf der krummen Nase als nach ernstzunehmendem alkoholischen Getränk, oder?