Bewerber Behaimanot

ist hochqualifiziert. Er ist und kann unter anderem:

– Licensed  as Resident Insurance Producer
– Accident and Health
– Fire and Casualty Broker-Agent
– Life-Only
– Passed the “Uniform Securities Agent State Law Examination”, Exam, Series 63
– Licensed as Guard / Patrolperson
– Certificate of Completion in Printed Circuit Board Design
– Certificate of Completion in Oscilloscope Fundamentals

Software-Entwicklung kann er nicht.

First Amendment

Die Väter der hiesigen Verfassung haben das seinerzeit mit der Trennung von Kirche und Staat sehr ernst genommen und deswegen gibt es in staatlichen Schulen keinen Religionsunterricht (konfessionelle Lehr- und andere Kinderaufbewahrungsanstalten erhalten ebenfalls keine staatlichen Zuschüsse) und das Prinzip der Kirchensteuer, wo sich der Staat zum Büttel macht, ist einem Amerikaner vollkommen unverständlich. Warum Weihnachten dann doch ein Feiertag ist (am 25. Dezember haben sogar die meisten Supermärkte geschlossen), muss man nicht verstehen. Rührt bei der hiesigen merkantilen Gesinnung wahrscheinlich daher, dass wie überall auf der Welt das höchste Fest der Kaufleute zelebriert wird. Möglicherweise hat die Gilde der Händler deswegen auf jeden Dollarschein eigens das Motto “In God We Trust” drucken lassen?

Jetzt bin ich ganz von meinem Thema abgekommen. Eigentlich wollte ich doch darüber schreiben, dass wir Arbeitnehmer hier in Amerika auch mal bezahlt freihaben. Und zwar bald: nächste Woche von Donnerstag bis Sonntag, weil wir Dank geben und dann noch einmal zwischen den Jahren. Wenn nämlich in den USA ein Feiertag auf ein Wochenende fällt, muss er entweder vorgezogen oder nachgeholt werden. Und weil Weihnachten dieses Jahr so saublöde liegt, haben wir von 24. Dezember bis einschließlich 1. Januar frei. (Ja, ich weiß auch, dass da zwei Wochenenden dabei sind und zwei Urlaubstage abgezogen werden – aber man lernt, sich über soviel freie Zeit am Stück sehr zu freuen.)

Außerdem fliege ich zwischen Thanksgiving und X-mas noch mal ein Wöchele in die Sonne. Hach. Ich komm’ aus dem Freuen gar nicht mehr heraus.

Sehr sehr schade

und bedauerlicherweise nicht einmal durch großzügige Gaben von “Dr. Teals Relief and Relax Bubble Bath” in’s dampfende Wasser zu ändern: Meine Badewanne ist noch nicht einmal ansatzweise ein Ersatz für einen Hot Tub.

Ich habe angefangen zu erwägen, mir einen anzuschaffen. Dafür spricht: Ich find’s toll. Kalte Nächte gibt es mehr als hinreichend. Platz hab’ ich (große Terasse), Wasser- und Stromanschlüsse sowie eine Sump Pump für das Abwasser auch. Was dagegen sprechen könnte, weiß ich noch nicht.

Neulich bei “American Dad” ist der Titelheld beim Gebraucht-Tub-Händler fündig geworden. Daraus kann man schließen, dass das hierzulande gang und gäbe ist. Ich werde recherchieren und berichten.

Russian River

Wir haben am Donnerstag gelauncht. Und weil es in der Software-Entwicklung genauso zugeht wie überall auf der Welt, wurde die Zeit vor dem Abgabetermin auf einmal höllisch knapp. Toni und Christoph haben (inklusive des vorherigen Wochenendes) Tag und Nacht durchgearbeitet, kaum noch geschlafen und waren äußerst erholungsbedürftig. Ich auch, ich hatte nämlich aus reiner Solidarität ebenfalls Schlafstörungen. Was für eine glückliche Fügung, dass wir schon vor Wochen vorausschauend genug waren, uns ein “weekend-get-away” am Russian River zu buchen. Bei Ursel: http://bit.ly/tfMDTU*

Es fing auch genau an wie geplant: es regnete in Strömen und wir kamen viel zu spät los (letzteres war nicht geplant, aber zu erwarten gewesen). Die Fahrt zog sich ein bißchen, zum einen wegen des Wetters, zum anderen deswegen, weil immer alle am Freitagnachmittag woanders hinzuwollen scheinen und einem die Straßen verstopfen. Egal.

Wir sind da, der Schlüssel hängt wie vereinbart im mit Zahlencode gesicherten Schlüsselkasten. Jetzt nur noch schnell einkaufen, Wein, Feuerholz, Fleisch, Salat, Wein, Brot, Gemischtwurscht, Käse, Wein, Chips, Naschwerk, Wein, Nudeln, Rohkost, haben wir schon Wein? und das alles mit logistischem Geschick (“wer ist hier der beste Tetris-Spieler?”) in’s ohnehin schon vollgeladene Auto schlichten, von der Hauptstraße in den dunklen Finsterwald abbiegen, Haus finden, Licht finden (der Lichtschaltermonteur war definitiv ein Nonkonformist), ausladen, Betten verlosen (Kinderzimmer, Master Bedroom oder die Suite im Westflügel). Danach nur noch Einschüren (Christoph hat sich den Titel “God of Hellfire” redlich verdient), alles für’s Fondue vorbereiten (“Oh, verdammt. Salz vergessen. Und Spiritus. Und Butter.”), Toni noch einmal in die dunkle Regennacht schicken, das Versiebte zu besorgen. Setzen. Essen. Wein trinken. Und ab dann nur noch faulenzen. Auf der Terasse dampft der Hot Tub, in der Stube prasselt gut genährtes Feuer, ein Sessel ist bequemer als der andere – Idealbedingungen.

Ich stehe am Samstag schon lange vor den anderen auf, und betrachte aus dem Hot Tub, wie sich die Nebel über dem Fluß und aus dem Wald lichten, um einer überraschend kräftigen Sonne Platz zu machen. Das war nicht vorgesehen, wir hatten vielmehr mit einem total verregneten Wochenende vor dem Kamin gerechnet. Aber frau ist flexibel, wählt statt dickem Wollpulli den Sarong und folglich verbringe ich den ganzen Tag mit dem neuen Pratchett in der prallen Sonne draußen auf dem Deck. Manchmal besuchen mich meine eher lichtscheuen Begleiter für ein paar Minuten (bevor sie wieder im Dunkel geschlossener Räume verschwinden) und am Nachmittag, als die Sonne in den Redwoods verglüht und es schlagartig kühler wird, bekomme ich meinen Kaffee in den Hot Tub gereicht. Mann, geht’s mir gut! Für ein paar Minuten kommt es zu Aktionismus und wir steigen auf “unserer” Treppe hinab zu “unserer” Bootanlegestelle und machen ein paar Photos. Dann machen wir Pause. Und dann ist es wie immer: Christoph heizt uns ein, wir essen und trinken gut und schauen anschließend dem Feuer beim Brennen zu.

Sonntagfrüh gönne ich mir und meinem Rücken (es wird Winter und er meint, dass er darauf mit Schmerzen reagieren will) noch ein letztes Mal Aufheizen im Hot Tub. Nach dem Frühstück packen wir unsere Siebensachen wieder ins Auto, bringen mit Bedauern den Schlüssel zurück und fahren auf dem Highway One über Bodega Bay (ein Abstecher zu Mr. Hitchcocks Vögeln) und Point Reyes (“Occupy Point Reyes” im Dorfzentrum (3 Mann und ihr Plakat), ein herrlicher Sonnenuntergang am North Shore und so saukalt, dass mir gestattet wird, heute den ganzen Tag darüber zu schimpfen) wieder heim. Ehrenvolle Erwähnungen und Dank gehen an Toni, “The Driver” und Christoph, “The Stoker from Hell” sowie den Hot Tub (es geht nix über ein paar Stunden in heißem Bubbelwasser weichkochen).

So geht Erholung. Das machen wir wieder.

*Die Photos entsprechen der Wahrheit. Es ist wirklich so schön, wie es aussieht.

“Du hast ja keine Idee!”

Das bedeutet nicht etwa, dass man seinem Gesprächspartner wenig Kreativität oder gar Einfallslosigkeit unterstellt, sondern ist viel mehr ein Zeichen dafür, dass man hier in der Duden-Diaspora wesentlich mehr Englisch als Deutsch spricht und halt mal schnell aus der Lehnssprache in die Muttersprache rückübersetzt.

Noch ein paar Jahre und wir sprechen alle wie Chris Howland…

Zu schnell

ist das Yellow Cab heute an mir vorbeigefahren, als dass ich ein Photo von dem Sikh am Steuer hätte machen können. Das müßt ihr euch jetzt bitte einfach vorstellen: er trug einen Turban im passenden Taxigelb.

Electric Monks?

Ingenieure, und besonders Software-Entwickler habens ja allgemein nicht mit Sozialkontakten (außerhalb von Social Networks), und führen häufig ein von der Welt abgewandtes Leben innerer Einkehr in engen lichtlosen Räumen. Nicht wenige leben zölibatär.

Heute ist mir bewußt geworden, dass es sich bei dieser Berufssparte um die neuzeitliche Version des Mönchs handeln muss. Danke dem Bewerber, der in seinem Lebenslauf darauf hinweist, er sei “proud member” des “Order OF The Engineer” (http://www.order-of-the-engineer.org/).

Mein heutiger Lieblingsbewerber

ist als Software-Entwickler eher unbegabt. Ich bin noch unschlüssig, ob wir seine “Accomplishments” dennoch in unserem Unternehmen nutzbringend einsetzen könnten:

Gain skills by working between two different departments, finding common ground between them – vielleicht Bürobote?
Coordinated and scheduled meetings and setup time – oder im Sekretariat?
Making decision based on situation and time – doch eher Management?
Networking with people – in Teilzeit, beschränkt auf Betriebsfeste?

Schauen wir uns mal seine “Activities” an, vielleicht gewinnen wir dann Klarheit:
– Actively involved in Homecoming Parade
– Flag management coordinator

Jetzt hab ich’s: wenn das nächste Mal eine Celebrity (Papst, Queen, Obama) zu Besuch in der Gegend weilt, darf er beim Umzug am Straßenrand mit Papierfähnchen wedeln.

Aber nicht auf meiner payroll.

Wahltag

Die Amerikaner haben sich das ganz geschickt eingerichtet: Immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November ist “Election Day” für Senat, Repräsentantenhaus, den Präsidenten sowie seinen Vize. Schon aus Kostengründen werden am gleichen Tag meist auch bundesstaatliche und kommunale Wahlen abgehalten. Weil auch in Amerika die Wahlbeteiligung zunehmend geringer wird (nicht zu sprechen von der Hürde, dass man sich überhaupt erst einmal als Wähler registrieren lassen muss, weil es kein allgemeines Meldewesen gibt und dies in manchen Bundesstaaten “unerwünschten” Wählerschichten nachgewiesenermaßen schwer bis unmöglich gemacht wird) wurden heute morgen im Radio die Hörer zu ihrer Meinung hinsichtlich der Einführung einer allgemeinen Wahlpflicht befragt (wobei Nichterscheinen mit einem Bußgeld geahndet werden soll).

Das wäre ja, empört sich eine Anruferin, noch schöner. Dass sich der Staat jetzt auch noch in die Wahlen einmischen wollte.

Ich bin schon lange nicht mehr mit einem so breiten Grinsen im Stau gestanden.

Don’t cry for me Argentina

Mein geschätzter CEO fliegt nächste Woche nach Buenos Aires. Vorausschauend wie ich bin, denke ich, ich tue dem Manne etwas Gutes und besorge vorab lokale Währung, damit er ein wenig Klimpergeld für Taxis oder sonstwas in der Tasche hat.

Heute auf der Bank bestelle ich bei meiner Lieblingssachbearbeiterin, Frau Gandhi, “Argentinische Pesos bitte, so für hundert Dollars.” Ja, gerne, sie müsse das bestellen, dafür müsse sie bei der Abteilung für ausländische Währung anrufen. (Die Nummer entnimmt sie einem am Schalter ausliegenden Prospekt.) Nach dem Wählen hat sie leider vergessen, was ich eigentlich wollte. “Argentinische Pesos hätte ich gerne.” Ach so, ja. Genau. Wir warten, sie in der Warteschleife (ich kann mithören, wie man ihr versichert, dass ihr Anruf für irgendwen “important” sei), ich vor ihrem Schalter. Hinter mir bildet sich eine Schlange. Frau Gandhis call ist immer noch important.

Endlich geht wer dran. Frau Gandhi ist ebenso überrascht wie ich und hat vor lauter Schreck den Namen der Währung vergessen, die ich haben will. Wie gleich noch mal? Ich schreibe es auf, in Druckbuchstaben: “ARGENTINIAN PESOS.” “No problem!” schallt es aus dem Hörer, Pesos könne ich bekommen, so viele ich wolle. Mir scheint, man hat da einen wesentlichen Teil nicht ganz verstanden und ich deute nachdrücklich (mit klopfendem Zeigefinger) auf “ARGENTINIAN”.

Frau Gandhi liest ab und ihr Gesprächspartner (inzwischen auf Lautsprecher, damit die Warteschlange auch ein bißchen Unterhaltung hat) bittet um Geduld. Man bediene hier über 50 Länder und Währungen, da müsse er erst mal nachsehen. Dann beginnt er, vorzulesen: “Australia – Australian Dollar, Austria – Euro, Belgium – Euro, Canada – Canadian Dollar, Cyprus – Euro, Denmark – Danish Kroner, England – Sterling Pound… ” Ich unterbreche: das scheine doch alphabetisch zu sein, und da Argentinien… Er unterbricht, nein, nein, das sei nicht alphabetisch: “Finland – Euro, France – Euro, Germany – Euro, Greece – Euro, Hong Kong – Hong Kong Dollar, Ireland – Euro, Israel – New Sheqel, Italy – Euro, Japan – Japanese Yen, Luxembourg – Euro, Malta – Euro, Mexico – Mexican Peso… ” Da habe man ihn ja, den Peso. Neiiiiin! Den will ich nicht! Ich will den aus Argentinien, nicht den aus Mexiko. Ach so, ja dann. Dann liest er eben weiter: “Netherlands – Euro, New Zealand – New Zealand Dollar, Northern Ireland – North Ireland pound, Norway – Norwegian Kroner, Portugal – Euro, Scotland – Scotland Pound, Singapore – Singapore Dollar, Slovenia – Euro, Spain Euro, Sweden – Swedish Kroner, Switzerland – Swiss Franc..” Halt! Aufhören! Wieso halt? Wieso aufhören? Das seien die 50 Länder und 50 Währungen, die man hier bediene. “Argentina is not on our bank’s list of foreign currencies”.  Ach, echt jetzt? Hatte ich den Verdacht nicht schon vor 10 Minuten geäußert? Heiliger Sarkast hilf!

Was haben wir in diesen 30 Minuten Lebenszeit gelernt?

a) Frau Gandhi ist ihrem Hause gegenüber nicht loyal und weiß aus angeblich gutinformierter Quelle, dass American Express Pesos besorgen kann (das ist die Frau Gandhi, die sich den Namen des ominösen Landes immer noch nicht merken kann)

b) “50 Länder und 50 Währungen” bedeutet 30 Länder und 16 Währungen

c) Neben Mexikanern nennen auch Argentinier, Chilenen, Kolumbianer, Kubaner, Domenicaner, Philippinen und Uruguayaner ihre Währung Peso; das hat den Amerikanern nur wieder keiner gesagt, schon gar nicht den Bankkaufleuten.

d) Was immer an den Public Schools hierzulande unterrichtet wird: das Alphabet in der mir bekannten Reihenfolge von A-Z ist es nicht.

e) Außer keine Überweisungen, keine Lastschriften und keine Daueraufträge können amerikanische Banken auch keine Devisen.

f)) Frau Gandhis Job ist wieder gesichert. Der Mann in der Auslandswährungsabteilung hat alles gegeben. Resultat der gemeinsamen Anstrengungen ist Null, also auch kein Schaden entstanden. Ich habe 30 Minuten Lebens- und Arbeitszeit verplempert und muss heute abend nachsitzen.

g) Mir schwärme noch mal einer vom Dienstleistungswunderland USA vor. Es ist noch nicht einmal auszuschließen, dass sie wollen. Sie können bloß nicht.

 

PS: Neulich hat sich eine Bank von mir die Kreditwürdigkeit eines Mitarbeiters bestätigen lassen. Telefonisch und ohne Rückfrage, wie und welche Befugnisse ich habe, dergleichen Auskünfte zu erteilen. Als ich das recht verwundert beim Kollegen anmerkte, kam die lakonische Antwort: “Perhaps this is why the banks are in trouble…”

So schaugts aus.