Ein Huhn tötet man am humansten mit Trockeneis, weil es dann nämlich aufgrund des Kälteschocks einschläft. Das weiß ich, weil zwei Herren in der Reihe hinter uns – wohl mangels anderer Gelegenheit – während des ganzen ersten Drittels des Eishockey-Spieles “San Jose Sharks (Wappentier: Haifisch) vs. Vancouver Canucks (Wappentier: Orca, der Killerwal)” ein lebhaftes Gespräch über Aufzucht, Pflege, Röntgen (geht nicht, hat was mit dem Gefieder zu tun) und Tod von Hühnchen führen mußten. Dabei war so viel los im ausverkauften HP-Pavilion in San Jose.
Erst entsprangen die heimischen Spieler zu “Seek & Destroy” von Metallica einem vielgezahnten Haifischmaul (vorher, als das Ding noch schwarz abgedeckt in einer Ecke stand hatte ich ja eine “Trojanische Flosse” vermutet), und die Gäste wurden ordentlich ausgebuht. Als die Teams Aufstellung genommen hatten, sangen wir die Nationalhymnen; ich besonders laut das eigens vorher einstudierte “O Canada, we stand on guard for thee.”
Dann ging’s los und schon nach ein paar Minuten flogen Helme und Handschuhe aufs Eis und es fand eine zünftige Prügelei statt (dafür würde es sich direkt mal lohnen, Karten für die Sitze am Spielfeldrand, “behind the glass”, zu kaufen). Kaum waren die Canucks, die gestern (!) noch die Phoenix Coyotes 5:0 geschlagen hatten, nach gut 5 Minuten das erste Mal in der Überzahl (“power play”), schossen sie das erste Tor. Recht so, Jungs, ich habe immer an euch geglaubt! Erst kurz vor Ende des ersten Drittels (reine Spielzeit: 20 Minuten, aufgrund der unglaublich vielen Werbeunterbrechungen: 45 Minuten) schafften die Sharks den Ausgleich. Ich werde nicht das ganze Spiel nacherzählen, mir reicht vollkommen, dass die Canucks sehr verdient gegen die “sloppy” und glücklos spielenden Sharks 3:2 gewonnen haben!
Ein paar Kuriositäten will ich aber doch berichten: Wenn ein gegnerischer Spieler wegen eines Fouls eine “penalty” bekommt und auf die Strafbank muss, dann erschallt die Titelmusik aus dem “Weißen Hai” und die San Jose-Fans machen “The Chomp” (das heißt, sie bewegen die ausgestreckten Arme wie sich öffnende und schließende Kiefer). Sieht witzig aus, wenn das knapp 20.000 Menschen synchron exerzieren. Fällt gar ein Shark-Tor, wird die Instrumentalversion von Gary Glitters “Rock and Roll Part 2” eingespielt, und durch den ganzen “Shark Tank” dröhnt ein Nebelhorn.
Viele Zuschauer machen sich, wie in Foot- und Baseball-Spielen auch, übertragen auf der Großleinwand, zum Affen und wer das am besten tut, gewinnt einen Einkaufsgutschein oder Pizza oder eine Play Station oder sonstwas. Tacos für alle gab’s nicht. Dazu hätten die Sharks in den letzten 2 Minuten des 2. Drittels ein Tor schießen müssen. Ob die Zuschauer wirklich hungrig waren (und selbst dann würde ich mir gut überlegen, ob ich Tacos von “Jack in the Box” ernsthaft als Nahrungsmittel in Betracht ziehe) oder ob es einfach nur zu Shark-Tradition gehört, in diesen letzten beiden Minuten lauthals “We want Tacos” zu skandieren, hat sich mir nicht ganz erschlossen. Fast jede/r ist in “Fan-Gear” gekommen, Trikots, T-Shirts, Pullis, Schals, Mützen (auch in den Varianten Haigebiß und Santa), Zeigefinger, Tröten, alles in Shark-Dunkeltürkis und alles in allen Größen von Baby-Winzigklein bis mehrfach-Riesig-XL zu haben (für “Girls” von 3 bis 83 auch in Gräßlich-Rosa).
Eishockey hätte wirklich viel, um in den Kanon meiner Lieblings-Sportarten (umfaßt bis dato boxende Schwergewichtler) aufgenommen zu werden: riesige Prackl Kerle dreschen aufeinander ein, es ist schnell, die Regeln verständlich und umfaßt ein paar Grausamkeiten (zum Beispiel “Sudden Death”) – aber (und das ist ein ganz dickes Aber), muss es denn on the rocks sein, ohne eine Sitzheizung für Weicheier wie mich und dann auch noch bei voll aufgedrehtem Klimagebläse? Mann, habe ich gefroren. Trotz dicker Winterfleece-Jacke und Schal. Für das nächste Mal habe ich Handschuhe und Angora-Ski-Unterwäsche vorgemerkt.
So. Letzte Minute, die Sharks haben den Torwart gegen einen Feldspieler ausgetauscht und geben zu sechst noch einmal alles (blitzschnell und sauspannend), ein Tor kassiert mein Kanackengoalieheld Cory Schneider noch. Das macht aber nix, denn jetzt ist das Spiel aus und wir haben gewonnen. Und sind total durchgefroren und hungrig. Was machen wir jetzt? Unser “local” Eric weiß Rat: wir fahren nach San Jose, in die Santana Row, da gibts jede Menge Restaurants und Nightlife.
Uff! Ein totaler Kulturschock! Kunstschnee. Christmas Trees in allen Farben. Lichterkettenverzierte Bäume. Sterndl. Rot-Grün-Weiß-dekorierte Schaufenster. Laute Musik (BoomBoom bis Frosty, the Snowman). Party People, Uggs & High Heels, je kürzer der Mini, desto dicker der Make-up-Belag, Parfum-Schwaden und vor jedem Etablissement lange Warteschlangen (eineinhalb Stunden Wartezeit für einen Tisch) – Maximilianstraße meets Disney-Disco-Saturdaynight. Soweit ich das an der Anzahl der Sharks-Trikot-Träger ableiten kann, trifft man sich traditionell nach dem Spiel dort wieder, um Schlange zu stehen.
Ich hab’s am Wochenende nicht so mit regelmäßigen Essenszeiten und war neben kalt auch noch hungrig. Und dann erzählen mir Restaurant-Türsteher (was soll das überhaupt?) von Wartelisten? Gggaaahhh! Bei einem (offensichtlich nicht über die Maßen hippen) Italiener bekommen wir ohne Anstehen einen Tisch für unsere Sechser-Gruppe und nach den ersten paar Gabeln Hummer-Spaghetti bin ich mit der Welt wieder versöhnt. Das war knapp! Ich hatte schon angefangen, biestig zu werden.
Schee wars! (Ich nehme übrigens noch Wetten an, wie lange es dieses Mal dauert, bis Christoph sein neues Shark-Cap verbaselt. Das Oregoner Cap hat er in unter 24 Stunden geschafft.)