Kein Sonderfall

Es ist mir zugetragen worden, dass meine Anekdoten vom Planeten Inkompetenzia manchmal auf Unglauben stoßen oder gar für Übertreibungen gehalten werden. Laßt Tante Sabine mal von den Erlebnissen zweier Kollegen in der letzten Woche berichten:

Kollege I will eine Rechnung bezahlen. Von seinem amerikanischen Girokonto auf ein deutsches. In Euro. Der erste Anfall von Fassungslosigkeit ereilt ihn beim Online-Überweisen: Auslandsüberweisungen sind online (!) am Wochenende (!) nicht möglich. Daraufhin geht er Montagmorgens zur Bank (zu der Filiale, von der ich neulich erst erzählt habe) und trägt Frau Gupta sein Anliegen vor. Frau Gupta ruft bei der Auslandsüberweisungsabteilung an und bis sie jemanden erreicht, ist der nur 30 Sekunden gültige Code, der sie als Bankmitarbeiterein authentifiziert, abgelaufen. Das macht aber nichts, denn sie hat inzwischen sowohl Währung wie Betrag vergessen. Das geht drei Mal so, bis dem Kollegen der Geduldsfaden reißt und er auf das Hinzuziehen der Filialleiterin besteht. Deren Tipp: den Authentifizierungs-Code erst generieren, wenn am anderen Ende jemand ‘rangeht. Das funtioniert und dann kommt der Clou:  damit er sein Geld in einer Fremdwährung ins Ausland transferieren kann, gibt es für Privatkunden keine andere Möglichkeit, als ein Devisengeschäft zu tätigen. Dabei erwirbt er Euros zu einem (bei Nachdruck) verhandelbaren Kurs bei der Bank. Dieser Wert bleibt dann für 5 (fünf) Minuten garantiert und kann überwiesen werden. Gesetzt den Fall, dass es Frau Gupta gelingt, in diesem Zeitfenster den Namen des deutschen Empfängers, dessen Adresse, Telefonnummer, Schuhgröße, den Betrag, die Währung, IBAN und SWIFT richtig abzutippen. Schafft sie es nicht, muss der Kollege noch einmal Währung nachkaufen (wieder gegen eine Gebühr, versteht sich). Er war immer noch naßgeschwitzt, als er – nach anderthalb Stunden Spaß mit Frau Gupta – im Büro ankam; so sieht jemand aus, der auf glühenden Kohlen gesessen hat. (Sie hat’s, wider alle Erwartungen, im ersten Anlauf hinbekommen. In mitgestopten 4.49 Minuten.)

Kollege II will eine Anzahlung leisten. Der Empfänger akzeptiert entweder einen Bank-Scheck oder eine sogenannte “Money Order”. Ersteren läßt man sich üblicherweise bei seiner Filiale ausstellen. Geht nicht, weil er sein Konto bei einer (naturgemäß zweigstellenlosen) Online-Bank führt (dass es so etwas gibt, hat sich noch nicht bei allen im Finanzsektor tätigen Menschen herumgesprochen). Um eine “Money Order” zu bekommen, zahlt man das Geld an einem Postschalter ein und erhält im Gegenzug ein wunderbar buntes Papier mit Wasserzeichen, das den Betrag bestätigt (kriegt jeder, der Photoshop kann, schöner hin). Kollege II macht den Fehler, am Mittwoch vor Thanksgiving in der Mittagspause zur Post zu gehen. Weil auch Post-Schalterkräfte um die Mittagszeit Pause machen ist nur einer von drei Schaltern besetzt, und vor dem wartet eine lange Schlange. (Service-oriented, anybody?) Dann versucht er es eben nach dem Lunch noch einmal. An der Schalterbesetzung hat sich nichts geändert, die Warteschlange ist länger geworden. Hmmm. Dann so gegen halb vier? Da müßten die Postler von ihrem Break zurücksein und die Schlangenkunden ihre Geschäfte abgewickelt haben? Das stimmt. Es stehen nur drei vor ihm an, davon einer der Asiate mit dem traditionellen Familienpaket (https://flockblog.de/?p=5593). Als er an der Reihe ist, bestellt er seine Money Order und zückt die Kreditkarte, um sie zu bezahlen. “No, sir. I am sorry, sir. Cash only, sir.” Hrrrggggnnn! Dann halt anders. “Wo ist der Geldautomat?” “No, sir. Out of order, sir. I am sorry, sir.” Kollege II schwört Stein und Bein, dass über das “Außer-Betrieb-Schild” mehrlagige Spinnennetze gewoben waren. Flugs ein, zwei Blocks weiter, zum nächsten funktionierenden ATM, Geld ziehen und wieder in die Warteschlange? “No, sir. I am sorry sir. Due to Thanksgiving we close at 4:00 today, sir. See you again on Friday, sir. – Next please.”

Ganz Amerika lebt übrigens nach dem Motto: “We are too big to fail.” IMHO hat der USaurus schon beachtlich Schlagseite. Viel fehlt nimmer.

 

PS: Das mit der Schuhgröße war jetzt mal eine echte Übertreibung. Der Rest nicht.

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