Als ich letzte Woche abends gerade den Müll rausbrachte, sprach mich ein Herr auf der Straße an: ob ich mich wohl für Kunst interessiere? Man kennt mich, ich bin neugierig, klar, ich interessiere mich. Das sei gut, erwiderte er, und ob ich denn am Samstagmorgen schon etwas vorhätte. Nein, hab’ ich nicht. Warum? Samstagfrüh ist im San Bruno Lion’s Club die Frühjahrsverkaufsausstellung junger lokaler Künstler, hier sei ein Flyer und ich bin herzlich eingeladen, “see you there”. Auf dem Flyer sind ein paar Exponate abgebildet, ein Gemälde spricht mich auch sofort sehr an, ach, warum eigentlich nicht?
Natürlich bin ich um kurz nach 10:00 Uhr morgens die einzige Nicht-Löwin, meine Fellow-San-Brunoans sind entweder keine Kunstenthusiasten oder mit anderen Dingen beschäftigt oder einfach keine Frühaufsteher und ich kann ganz ohne Gedränge die Bake-Sale Tische der “Lionesses” inspizieren. Viel Zuckerguß (heißt hier “Frosting”), viel bunt und alles in Monstermaßen: kein Cookie unter 10cm Durchmesser und die Cupcakes alle in “Texas-cup-size”. Das heißt, man braucht beide Hände, um so einen Muffin zu umfassen und muß zum Essen den Kiefer aushängen. Ich kriege morgens eh nix runter und angesichts der schieren Größe der Backwaren bin ich schon vom Angucken satt (und überzuckert), nö, laßt mal ihr Löwinnen, aber einen Kaffee (geht aufs Haus, weil ich die erste bin) nehme ich gerne und versuche anschließend verzweifelt, diesen Flüssigteer durch die reichliche Zugabe von staubigem Non-Dairy-Creamer trinkbar zu machen. Geht nicht.
Die Künsterinnen und Künstler sind alle persönlich anwesend. Manche präsentieren stolz Stilleben aus den Grundkursen Malen mit Ölfarben I sowie Aquarellieren for Bloody Beginners. An deren Ständen murmle ich mit einem freundlich-verzerrten Lächeln “Very nice. But unfortunately not my style. Thanks for sharing” und sehe zu, daß ich zügig weiterkomme. Bei einer jungen Frau bleibe ich lange: sie macht wahnsinnig schöne filigrane kleine Skulpturen aus Draht. Eine hat es mir besonders angetan, ein gut faustgroßes Ringelspiel wo sogar die Mimik der auf den Karussellpferden reitenden Kinder zu erkennen ist. Ihre Preise sind angemessen, für das Talent und die erkennbar viele Arbeit und Zeit, die in den Skulptürchen steckt (sie baut sogar ihre Zangen selbst) – aber leider viel zu hoch für mein Budget. Ich sage ihr das, und daß ich aus Hochachtung für ihre Leistung noch nicht einmal anfangen will zu handeln und wünsche ihr potentere Käufer.
Gleich eins weiter hängt das Gemälde, das mir auf dem Flyer schon so gut gefallen hat, ist in natura noch viel schöner und größer und auch das bei weitem hinreißendste am ganzen Stand, ach was, in der ganzen Halle. Das will ich haben! Der Maler ist ein etwas schnöseliger präpotenter Endzwanziger und hat offensichtlich keine Ahnung auf was er sich einläßt, wenn er anfängt mit mir zu feilschen. In unter einer Dreiviertelstunde habe ich ihn auf meinem Preis (weniger als die Hälfte seiner ursprünglichen Forderung) und der reizende junge Mann trägt mir das Bild ins Auto und verstaut es sicher. Manchmal werde ich so richtig gerne unterschätzt! Weil ich aber ein echtes Glückskind bin, war zufällig noch Toni in der Nähe, der kein Bild ohne ordentliches Wasserwiegen aufhängt (und auch nicht zusehen könnte, wenn’s ein anderer tut). Dankeschön!
Fazit: Wenn ich auf meine Mutter gehört hätte, die mir untersagt hat, mich von fremden Männern ansprechen zu lassen, dann hinge jetzt kein Gemälde über meinem Sofa. (Feilschen hat sie mir nicht verboten.)