“Denn der Wind kann nicht lesen”*

Die Sonne auch nicht. Zumindest nicht die Wettervorhersage fürs Wochenende. Sie war nämlich gar nicht vorgesehen, sondern nur Grau und Regen, viel Regen. Stattdessen schien sie munter und warm vor sich hin, nur ganz gelegentlich mal verdunkelt von schwach inkontinenten Wölkchen. So geht’s doch auch.

Ich hoffe, das setzt sich nächste Woche fort, den vorhergesagten Temperatursturz auf 11°C und Nässe können wir nämlich gar nicht gebrauchen, mein Rücken und ich.

 

PS: Sorry CJ, irgendwann habe ich auch mal wieder ein anderes Thema als das Wetter. Aber ich freu’ mich halt so über diesen kalifornischen Winter und daß ich nicht in München frieren muß!

*Das war eines der Lieblingsbücher meiner Mutter, als ich noch klein war.

Brave Mädchen kriegen keine Kunst

Als ich letzte Woche abends gerade den Müll rausbrachte, sprach mich ein Herr auf der Straße an: ob ich mich wohl für Kunst interessiere? Man kennt mich, ich bin neugierig, klar, ich interessiere mich. Das sei gut, erwiderte er, und ob ich denn am Samstagmorgen schon etwas vorhätte. Nein, hab’ ich nicht. Warum? Samstagfrüh ist im San Bruno Lion’s Club die Frühjahrsverkaufsausstellung junger lokaler Künstler, hier sei ein Flyer und ich bin herzlich eingeladen, “see you there”. Auf dem Flyer sind ein paar Exponate abgebildet, ein Gemälde spricht mich auch sofort sehr an, ach, warum eigentlich nicht?

Natürlich bin ich um kurz nach 10:00 Uhr morgens die einzige Nicht-Löwin, meine Fellow-San-Brunoans sind entweder keine Kunstenthusiasten oder mit anderen Dingen beschäftigt oder einfach keine Frühaufsteher und ich kann ganz ohne Gedränge die Bake-Sale Tische der “Lionesses” inspizieren. Viel Zuckerguß (heißt hier “Frosting”), viel bunt und alles in Monstermaßen: kein Cookie unter 10cm Durchmesser und die Cupcakes alle in “Texas-cup-size”. Das heißt, man braucht beide Hände, um so einen Muffin zu umfassen und muß zum Essen den Kiefer aushängen. Ich kriege morgens eh nix runter und angesichts der schieren Größe der Backwaren bin ich schon vom Angucken satt (und überzuckert), nö, laßt mal ihr Löwinnen, aber einen Kaffee (geht aufs Haus, weil ich die erste bin) nehme ich gerne und versuche anschließend verzweifelt, diesen Flüssigteer durch die reichliche Zugabe von staubigem Non-Dairy-Creamer trinkbar zu machen. Geht nicht.

Die Künsterinnen und Künstler sind alle persönlich anwesend. Manche präsentieren stolz Stilleben aus den Grundkursen Malen mit Ölfarben I sowie Aquarellieren for Bloody Beginners. An deren Ständen murmle ich mit einem freundlich-verzerrten Lächeln “Very nice. But unfortunately not my style. Thanks for sharing” und sehe zu, daß ich zügig weiterkomme. Bei einer jungen Frau bleibe ich lange: sie macht wahnsinnig schöne filigrane kleine Skulpturen aus Draht. Eine hat es mir besonders angetan, ein gut faustgroßes Ringelspiel wo sogar die Mimik der auf den Karussellpferden reitenden Kinder zu erkennen ist. Ihre Preise sind angemessen, für das Talent und die erkennbar viele Arbeit und Zeit, die in den Skulptürchen steckt (sie baut sogar ihre Zangen selbst) – aber leider viel zu hoch für mein Budget. Ich sage ihr das, und daß ich aus Hochachtung für ihre Leistung noch nicht einmal anfangen will zu handeln und wünsche ihr potentere Käufer.

Gleich eins weiter hängt das Gemälde, das mir auf dem Flyer schon so gut gefallen hat, ist in natura noch viel schöner und größer und auch das bei weitem hinreißendste am ganzen Stand, ach was, in der ganzen Halle. Das will ich haben! Der Maler ist ein etwas schnöseliger präpotenter Endzwanziger und hat offensichtlich keine Ahnung auf was er sich einläßt, wenn er anfängt mit mir zu feilschen. In unter einer Dreiviertelstunde habe ich ihn auf meinem Preis (weniger als die Hälfte seiner ursprünglichen Forderung) und der reizende junge Mann trägt mir das Bild ins Auto und verstaut es sicher. Manchmal werde ich so richtig gerne unterschätzt! Weil ich aber ein echtes Glückskind bin, war zufällig noch Toni in der Nähe, der kein Bild ohne ordentliches Wasserwiegen aufhängt (und auch nicht zusehen könnte, wenn’s ein anderer tut). Dankeschön!

 

Fazit: Wenn ich auf meine Mutter gehört hätte, die mir untersagt hat, mich von fremden Männern ansprechen zu lassen, dann hinge jetzt kein Gemälde über meinem Sofa. (Feilschen hat sie mir nicht verboten.)

Stadt, Land, Fluß

Wo gibt’s denn sowas, will der Mann mit der Freiheit-und-Abenteuer-Stimme wissen: tagsüber in den Bergen Ski fahren, später wandern und abends in der Brandung surfen? Wo nur?

Halt! Nicht einsagen! Das weiß ich! Been there. Done that. (Also natürlich nicht Ski gefahren, sondern stattdessen beleidigt aus dem Autofenster auf den Schnee gestarrt und als Wanderung muß einmal um ein paar Zedern herumlaufen gelten, und das auch nur, weil man halt schon mal da ist und voraussichtlich so schnell nicht wieder herkommt.) Abends war ich nicht surfen, sondern im warmen Mittelmeer am Stadtstrand von Beirut schwimmen. Das gildet: Wassersport ist doch Wassersport, oder? Ich möchte lösen: Es ist der Libanon.

Der Mann im Radio ignoriert mich vollkommen und löst selbst: Sowas gibt es nur in Kalifornien. Und auch nur, wenn man das richtige Auto fährt. Einen Dodge Ram, weil der alles kann, Highway, Tiefschnee, Dirt-Road, wurscht. Eigentlich hätte ich da auch selber draufkommen können: der Pazifik ist doch viel zu kalt zum Schwimmen…

 

Ich habe ja einmal einen Dodge-Fahrer (eine Art He-Man in Karohemd, Jeans und Stiefeln) schwer beleidigt, weil ich das Logo (links) für eine Narrenkappe gehalten habe.

Dabei ist es ein wilder Gebirgswidder. Oder, wie die im Dodge-Marketing sagen: “Guts – Glory – Ram

Hah!

Die Bäume schlagen aus

Letzte Woche hat mich ein Freund aus Deutschland geschimpft: “Und bitte lass es, was vom Wetter zu erzählen, weißt du wie kalt es hier ist?? VERDAMMT KALT!” Er hat ja recht, ich kann aber trotzdem nicht an mich halten. Schon allein deswegen, weil ich es kaum fassen kann, daß ich das selbst erlebe: einen Februar, von dem sich mancher Mai daheim eine Scheibe abschneiden könnte. Es wird noch besser: In den letzten Nächten hat ein sehr gutwilliger Regen die Landschaft gründlich eingenäßt und jeden Morgen brennt eine schon erstaunlich kräftige Sonne den Nebel weg, um dann den ganzen Tag warm und freundlich zu scheinen. Alles, was grünen und blühen kann, fühlt sich davon ermutigt, das auch nach Kräften zu tun; ich bin gestern Abend halb besoffen von einer weißen Blütenwolke Oleanderduft ins Auto gestiegen. Allerorten beniesen Passanten kleine Haselkätzchen, die ihre Puschelpelzchen in milden Frühlingslüftchen aufbauschen, Säfte spießen, alles reckt sich in einen blauen Himmel und an jedem Ast, Ästchen, Zweig und Zweiglein entrollen sich weiche grüne Blättchen. Daß ich mir heute in einer bonbonfarbenen Magnolienallee fast einen Pupillenzuckerschock geholt habe, will ich gar nicht mehr eigens erwähnen.

Wißt ihr eigentlich, wie warm es hier ist? Verdammt wunderbar warm.

Venceremos

“Shake it out”, der neue Hit von Florence and the Machine mag zwar im harmlosen Pop-Gewand daherkommen, doch Toni mit seinem schon in frühester Kindheit von sozialistischem Liedgut geprägten Gehör hat’s ganz klar erkannt: hier wird im Refrain der Revolutions-Commandante Che Guevara besungen.

Check it out: http://bit.ly/noYs4S

“Breitband im Sauerland- Die Aussätzigen haben jetzt Internet”

titelt der Spiegel am Samstag einen Artikel über die Einführung von Breitband in Meschede und Umgebung. Es reiche zwar nur zu Bandbreiten von sechs Megabit pro Sekunde, aber “das Sauerland [sei] endlich angekommen im 21. Jahrhundert.”

Sauerländer, ich beneide euch: für viel mehr Geld im Monat werden mir 16 Mbps versprochen und im Durchschnitt maximal 1,5 gewährt, hier, in der digitalen Diaspora im Silicon Valley. (Man muß es wirklich täglich erleben, um es zu glauben zu können.)

It’s Magic!

Neulich hat meine Kollegin Wei mir dieses Video geschickt http://bit.ly/zdsjtS (wahrscheinlich weil sie weiß, daß ich a) an Schals Spaß habe und b) immer total begeistert bin, wenn irgendetwas multifunktional ist). Und weil 神奇围巾围脖 wirklich alles kann und mir gar so gut gefallen hat, hat sie sich von einer Freundin aus China gleich zwei mitbringen lassen, um sie mir zu schenken.

Sobald ich das Wandelspiel ebenso gut beherrsche wie die kleine Quietschechinesin will sie ein Video von mir drehen. Ich hoffe sehr, daß der Schal wirklich so dehnbar ist, wie die tut und wir nicht etwa einen Film für die “Dummer Laowai”-Reihe des chinesischen Staatsfernsehens produzieren.

Superbowl 2012

Die Giganten aus New York haben in letzter Minute die Patrioten aus Boston 21:17 geschlagen. Und weil die NFL zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen kostenlosen Live-Stream angeboten hat (bei der vielen Werbung rechnet sich das trotzdem), habe ich’s mir zu Hause am Rechner angesehen.

(Wie bei jedem Ballspiel habe ich in Wirklichkeit nebenher gelesen und nur hingesehen, wenn der Lärm indiziert hat, daß was los ist… – aus mir wird einfach kein Sportfan mehr werden.)

Madhivanan

ist, glaube ich, das Hindi-Wort für “schnell und effektiv”.

Es kann natürlich auch der Vorname des Mitarbeiters beim Dell Technical Support sein, der in einem nicht ganz halbstündigen Telefonat die Wurzel des Übels beim DVD-Laufwerk nicht nur identifiziert, sondern auch repariert und auf Funktionsfähigkeit getestet hat. Ein Treiber hatte sich selbsttätig zerschossen.

Nun ist alles wieder heil.

Die süßesten Früchte

Wer kennt nicht das Dilemma, in der Obstabteilung gerne auch mal eine exotischere Frucht als einen Apfel erstehen zu wollen, aber davor zurückzuschrecken, weil er nicht erkennen kann, ob das Obst im optimalen Verzehrzustand ist. Man sehe sich hierzu den wunderbaren Sketch von Eddie Izzard an, in dem er wahllos auf den ausgelegten Waren herumdrückt und andere Kunden in einer Mischung aus verzweifelt und beifallheischend befragt: “Is that good squeezing?” (http://bit.ly/3PrVg 4:48)

Weil der Supermarkt-Manager von “fruits and vergs” nun entweder Eddie Izzard kennt oder wieder einmal nicht mit der Urteilsfähigkeit seiner kalifornischen Landsleute rechnet, muß keiner mehr seinen eigenen Sinnen trauen und etwas anfassen, drücken, schütteln, riechen – halbfruchtgroße Aufkleber lesen zu können reicht hier völlig.