Geht doch

Ich mache mir mein Leben nicht gerne unbequemer als nötig und darum würde ich gerne meinen wegen zum Einparken mindestens zwei Mal Vor- und Zurücksetzen müssen mühseligen Tiefgaragenstellplatz gegen den Hier-gehts-in-einem-Schwung direkt daneben liegenden eintauschen. Noch dazu, wo der seit Monaten leersteht. Schon nach der dritten Erinnerung und fast sechs Wochen Bearbeitungszeit antwortet die Hausverwaltung. Nämlich mit dem Hinweis, dass dergleichen unter ihrer Würde liegt und man sich doch mit dem für die Anlage zuständigen Hausmeister ins Benehmen setzen solle.

Der entschuldigt sich als erstes, dass es drei Tage gedauert habe, bis er von der Hausverwaltung die Nachricht bekommen habe, dass so ein freches Ansinnen natürlich nicht positiv beschieden werden könne. Ich hätte ja schließlich einen Mietvertrag unterschrieben, in dem auch die Parkplatznummer stehe und laberrhabarber – und überhaupt: da könnte ja jeder kommen.

Ich habe mich brav für seine Mühen bedankt und das Auto mit dem Vorsatz, den bequemen Ein-Schwung-Platz sofort zu räumen, wenn ihn wer reklamieren sollte, weiter dort abgestellt und jeden Tag ein paar Minuten Lebenszeit gewonnen.

So weit, so gut. Bis dann heute ein Anruf vom Hausmeister kam. Ich wollte schon zu einer Verteidigungsrede ansetzen, doch er kam mir zuvor. Was die Hausverwaltung nicht wisse, mache sie auch nicht heiß* und er würde mir “stecken”, wenn dieser schöne Stellplatz je wieder an jemand anderen vermietet würde, da habe er ja auch ein Mitreden. Bis dahin solle ich das Auto guten Mutes und Gewissen dort parken. Weil, die stellten sich manchmal aber auch an. Für nix und wieder nix.

So ein netter Mann, der Herr Hausmeister.

* Was wäre “hisse” hier schön gewesen…

Gelesen: William Boyd – “Trio”

Wenn dieses Buch ein Film gewesen wäre, dann hätte das ZDF die Rechte gekrallt und schöne englische Landschaften sowie Paris (ah, Paris! Paris!) recht sonnendurchflutet (außer Regen bei Drama) abgelichtet und ein paar mittelgute Schauspieler ein unnötiges Beziehungsdrama mit seltsamen Parallelen in den sehr unterschiedlichen Lebensentwürfen der drei Hauptfiguren darstellen lassen.

Das Buch hingegen enthält dies sowie mit unglaublicher Wärme, Detailverliebtheit und, traue ich es mich zu sagen, Weis- und Klugheit geschilderte Geschöpfe, die aus sich aus Verstrickungen in Sucht, nicht gelebter Sexualität und Ruhm herauskämpfen und jeder auf seine Weise zu einer besseren Existenz findet. Noch die unwichtigste Nebenfigur hat eine durchdachte Biographie und eine runde Persönlichkeit. Und er kann Frauen ebenso gut wie Männder. Doch ja. Sehr gut gelungen.

Boyd scheint in Großbritannien ein hochanerkannter Autor zu sein, ich hatte vorher noch nie von ihm gehört. Man kann sein Werk aber, glaube ich, zwischendrin immer mal gut lesen. Im Theater fiele diese Art des Schaffens in die Kategorie gehobener Boulevard und das ist ja (wohlgemerkt zwischendrin) auch mal ganz nett.

Vorhin, in der Passage unten

“Komm’, komm’, das ist ‘ne Abkürzung” bellt der mit Einkaufstaschen schwer behangene Mann der Frau seines Lebens zu, während er in eine offensichtlich ungeplante Richtung lossticht. Madame schließt auch kurz auf, läßt sich aber dann umgehend von einem Schaufenster, das Textilien zu unglaublich günstigen Preisen anpreist, ablenken und verharrt sinnend davor.

Monsieur stürmt weiter abkürzungswärts – “Komm’, komm'” – und streckt ungeduldig seine Hand nach hinten aus, auf dass das Licht seiner Nächte sie ergreife. In Kontemplation über die Neubestückung ihres viel zu kleinen Kleiderschranks versunken tut sie’s nicht, wohl aber ein kleines Mädchen, das vertrauensvoll seine kleine in des Helden große “Komm’, komm'”-Hand legt und sich ein paar Schritte mitziehen läßt, bis er in demselben verharrt, wendet und sie verblüfft anstarrt.

Seitdem frage ich mich: woher hat er gemerkt, dass es nicht die Sonne seiner Tage war? Am Gewicht (die Kleine war schon fast abgehoben)? Der Schrittlänge? Woran nur? Die Farbgebung kanns nicht gewesen sein. In dieser Saison trägt man in jedem Alter Rosa.

Nimmer ganz neu im Stream “Schmigadoon!”

Beworben wurde das Machwerk damit, dass Musicalhasser (sprich: perfektere Zielgruppe als ich geht nicht) in dieser Serie (6 Folgen à 30 Minuten) endlich endlich endlich ihre Rache für unmotiviertes handlungsbremsendes Singen und Tanzen finden. Alles gelogen. Es wird gesungen und getanzt, dass die Schwarte kracht. Einzeln, in Paaren und in Gruppenchoreographien.

Der Inhalt ist in einem Satz erzählt: Ein Paar aus der heutigen Zeit landet im Rahmen einer Paartherapie in einem Musicalkleinstädtchen im Vierziger-Jahre-Sehr-Südstaatenstil und kommt da erst wieder weg, wenn es “True Love” findet. Dann wird mal kurz alles abgehandelt, was der gemeine und daher prüde Ami nicht akzeptabel findet (im wesentlichen Homosexualität, berufstätige Frauen und uneheliche Kinder) und die Gemeinschaft findet singend und tanzend heraus, dass Toleranz doch ein hohes Gut ist und das Leben besser, wenn jeder jeden einfach in Ruhe läßt und sich nicht in dessen Sexualleben einmischt. Das wäre ja soweit noch ganz ehrenwert und manchmal sogar mit Witz erzählt, aber beim Thema Rassismus versagen sie völlig.

Das geht in Schmigadoon nämlich so: der Cast ist insoweit “diverse”, dass je ein*e Vertreter*in aus lateinamerikanischer, asiatischer, schwarzafrikanischer und, man glaubt es kaum, sogar irischer Ethnie dabei ist, der Rest ist ordentlich weißbrotweiß. Die (zukünftige) uneheliche Mutter hat dieses Kind mit ihrem in schönem Navy-Blau-Weiß gekleideten schwarzen Freund gezeugt und der glaubt felsenfest, dass er die Hand seiner Geliebten von deren Mutter nicht zugesprochen bekommt, weil er doch bei der Marine ist und Matrosen soviel fluchen. Damned.

Genau.

Läuft auf Apple TV. Wenn man das weiß, muss man sich nicht mehr wundern. Oder vielmehr allenfalls, warum man sich gewundert hat.

Eines hat mir aber doch Respekt abgenötigt: Die Titelmelodie zitiert den Titelsong aus dem Musical “Oklahoma”. Ich bin immer ganz hingerissen, wenn Musik Musik zitiert. Das könnte ich gern.

Das Schwäbische Viertel

Das akademische Viertel kennt jede*r – 15 Minuten NACH dem Beginn einer universitären Veranstaltung aufzuscheinen, gildet in diesen Kreisen als akzeptabel, also gerade noch pünktlich.

Bei Schwaben ist das anders. Wer dort später als eine Viertelstunde VOR dem vereinbarten Termin auftaucht, wird von seinen Landsleuten (“Mir könnet alles außer Hodchdeutsch”) als unzuverlässiger und unpünktlicher Mensch betrachtet.

Das Krankenhaus, in das meine Mutter unerwartet eingeliefert wurde, hat pandemiebedingt die Besuchszeiten auf den Zeitraum von 14:00 bis 18:00 Uhr reduziert und läßt pro krankem Menschen nur noch einen (1) G-zertifizierten Menschen mit Personalausweis und eigens am Vortag generiertem Barcode ein.

Als ich mit allem gerüstet eintreffe, warten vor mir schon 10 potentielle Besucher*innen (“Henda oastella!”). Als die Pforten um 14:00 Uhr geöffnet werden, staut sich die schätzungsweise inzwischen 50 Menschen lange Schlange schon bis ins Parkhaus zurück.

Wann ich da war? Blöde Frage: pünktlich um 13:45 Uhr natürlich. Ich kann ja meine schwäbische Herkunft manchmal nicht verleugnen…

Vorschlag zur Güte

Also direkt zurücknehmen möchte ich sie nicht, meine Aussage, dass Jahreszeiten bis auf einen schönen heißen Sommer unnötig sind, aber, hmmm, ja, quasi, hmmm, ein wenig modifizieren. Ich wäre in meinem Dauersommer mit einer Herbstwoche einverstanden. Eine einzige, wohlgemerkt.

Zu den folgenden Konditionen: die vincentsternenklaren Nächte dürfen knapp am Bodenfrost vorbeschrammen. (Auf der positiven Seite des Thermometers.) Der frühe Morgennebel wird – und zwar schon in den frühen Vormittagsstunden – von einer erstaunlich kräftigen Sonne weggebrannt, die den ganzen Tag von einem herrlich blauen Himmel weiterbrennt und die Welt zum Leuchten bringt. Mit Goldkante. Und dann irgendwann schön spät in einen spektakulären Untergang sinkt. Dann von mir aus ab sofort: Sommer + Wochenherbst.

Wie es zu meinem Sinneswandel kommt? Nun, ich durfte dieses Wochenende sehr überraschend eine Herbstreise antreten, zum Papa-Sitting. Was soll ich sagen: die Rückfahrt war echt schön. Man lasse mich erzählen:

Die Sonne scheint auf Gerechte und Ungerechte, aber im wesentlichen auf mich und den Corolla, weil, Verkehr ist keiner. Auf sattgrünen Weiden am Wegrand hängen Kühe mit gerunzelten Kuhstirnen ganz offensichtlich sehr wichtigen Gedanken nach – wahrscheinlich unter anderem dem, dass goldenbeleuchtete Kühe auch ohne Beimischung von Kurkuma goldene Milch gäben, wenn man sie nur fragte. Bei den wie Perlen aufgereihten Alleebäumen brechen gerne mal einzelne das Protokoll und tragen nicht fades Oliv, wie die Kollegen, sondern entscheiden sich für Farbe, Farbe, Farbe. Die schönen Schönenbergkirche zu Ellwangen grüßt den Ostalbkreis und den Rest der Welt von ihrem Hügel (Berg ist doch a bissele hochgegriffen, bei allem Respekt) im schönsten Theatinerkirchengelb. Wer es als Baum schon zu was gebracht hat, vor allem zu Alter und Größe, legt zu seinen Wurzeln bunte Blätterteppiche aus. Man möchte gerne wieder fünf sein oder ein junger Hund, um wild hindurch zu rascheln. Manchmal verdunkelt sich der Himmel kurz, das sind aber nur Vogelschwärme, die das mit den Jahreszeiten für sich durch Verreisen lösen.

Selbst die rauhe graue Alb präsidiert in der schon schräg stehenden Sonne in ihren buntesten Sonntagsstaat. Sogar ihren feinen Goldschmuck hat sie angelegt, bis sie sich auf der Höhe des Lonetals auf ihre Adjektive besinnt und ohne jede Vorwarnung tiefe Nebelschwaden über die Autobahn treibt. Da ist es dann vorbei mit der fröhlichen Fahrt und obwohl sich der späte Raps (oder Senf, das kann ich auf die Distanz und bei dem Tempo nicht genau bestimmen) sehr Grellgelb und das Büschelschön in prächtigem Lila* ganze Felder voll die größte Mühe geben – ohne Sonne ist das alles nix und bis zur Ankunft in München viel novrembiger als das jetzt schon nötig wäre. Ich darf noch einmal an mein Konzept oben erinnern.

PS: Wer unbedingt Skifahren will, der möge die von mir großzügig eingeräumte Schnellfallgrenze ab Garmisch nutzen.

* Es muss ja bloß das Wort “Lila” fallen und in meinem seltsamen Hirn singt Wolle Kriwanek dieses Lied aus meiner frühen Jugend:

Touché

Konversation in der Kassenschlange vor mir.

Die eine alte Rollatordame zur anderen, während sie ihre paar Einkäufe aus dem Rollatornetz aufs Band lädt: “Der Milliardär, der wo da neulich im Weltall war, der war ja früher auch a mal Buchhändler. So wie ich.” Die andere, mit einem gutmütigen Nicken Richtung Laufhilfe: “Ja, da hättast dich früher mit deinem Besen auch leichter getan, gell?”

Respekt, Madame. Gut gegeben!

Ziemlich neu im Residenztheater: Ferdinand von Schirachs “Gott”

Selten solchermaßen konsternierte Blicke gesehen, als die, die mich trafen, als ich heute im Morgenmeeting freudig mitteilte: “Gestern habe ich Gott gesehen.” Mit dem Nachsatz, dass dieser Drecks-Spahn mit seiner Blockade-Ignoranz seit nunmehr mehr als eineinhalb Jahren deutschen Bürger*innen ihr verfassungsmäßiges Recht auf die Wahl ihres Todeszeitpunkts und der Unterstützung beim Suizid vorenthält, konnte ich mich noch einmal vor der Wahrnehmung retten, ich sei von plötzlicher Religiosität befallen worden.

Da Schirachs Stück nicht viel Spielraum läßt, war Max Färberböcks Inszenierung dieses Kammerspiels mit, bis auf Evelyne Gugolz als Ärztin, einer sehr guten Besetzung auf der schlimm mageren Bühne dem Fernsehstück sehr ähnlich, siehe hier: https://flockblog.de/?p=43234. Außer, dass dieses Mal Michael Wächter den Lars Eidinger gab.

Das Publikum stimmte mit einer überwältigenden Mehrheit FÜR das Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister, wenn Sie denn mit der Pandemiebewältigung und den innerparteilichen Machtkämpfen soweit durch sind, dürfen wir dann endlich mit der Umsetzung unseres höchstrichterlich bestätigten Rechts auf die freie Wahl unseres Sterbezeitpunkts rechnen? Ach? Nicht? Diese Kontroverse überlassen Sie der Nachfolgeregierung? Auch recht.

Dessous-Shopping

Es ist wieder soweit, ich brauche neue BHs. Kaufe ich noch weniger gerne als Schuhe, also informiere ich mich online, was die füllige Dame in dieser Saison so trägt.

Ich denke, das Modell unten werde ich nehmen. Was immer Federkraft in einem BH tut, für mich klingt das sympathisch. Atmen und Schwitzen kann er selbständig, dann muss ich schon nicht, und das allerwichtigste: er hat keine Felgen. Das ist doch schon mal die halbe Miete.

Die andere Hälfte ist die Reinigungsanleitung. Die guten Menschen aus möglicherweise Szechuan stellen mir frei, mit Wasser zu waschen oder den Dreck per Hand oder Maschine irgendwie rauszurubbeln. Das ist doch auf Reisen, gerade in Wüstenregionen, ein wahnsinniges Asset. Ich bin überzeugt.

Obwohl… Das Großgedruckte macht mir ein bißchen Angst. Will ich sowas wirklich?

Muss ich nicht. Die Unterlage ist schon da und alles angewachsen. Ich werde vom Kauf dann doch absehen…