Rhetorik aus dem Ruder oder Da Maggus und da K-Fall

In der Welt unseres Ministerpräsidenten laufen Betten voll (Womit nur? Und möchte man es wirklich wissen?), neigen Ampeln zum Wegducken (Ist der Straßenverkehr noch sicher?), wechseln Pandemien den Besitzer (Wobei die genauen Besitzverhältnisse noch ungeklärt scheinen: gehören sie nun der Regierung oder der Ampel und wenn letzterer, ist das dieselbe Ampel, die sich wegduckt?), verbringen Schüler ab 12 Jahren ihre Freizeit in Clubs und Discos und steht uns allen der K-Fall ins Haus. Ich weiß ja nicht, wie es anderen geht: ich für meinen Teil musste erst mal nachschauen, was er meint, der Präse (weil, früher, also vor ein paar Wochen noch, stand das “K” immer für “Kanzler”). Seitdem frage ich mich, warum ihm Wörter wie “Ausgleichszahlungen” so leicht über die Lippen kommen, nicht aber das Wort “Katastrophe”.

Der Artikel nachfolgend im Ganzen:

„Dann werden wir in den nächsten Tagen den K-Fall ausrufen“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sorgt sich um die hohen Zahlen der Corona-Neuinfektionen. „Die Lage ist sehr, sehr ernst“, sagte Söder nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts zu den Folgen der Corona-Pandemie. In Bayern liegt die Inzidenz derzeit bei 348, in vier Landkreisen sogar über 800. Infektionen gebe es in allen Alterskohorten, so Söder. Es gebe ein sehr hohes Infektionsgeschehen bei jungen Menschen, eine Inzidenz von 400 bei Kindern und Jugendlichen. Aber auch die über 60-Jährigen hätten eine Inzidenz von 140 und mehr.„Es gilt weitgehend 2G in Bayern“, sagte Markus Söder (CSU) nach der Sitzung in München. Er betonte, es drohe wegen der hohen Zahl an Intensivpatienten eine Konkurrenz zwischen Covid-Patienten und Menschen mit anderen Erkrankungen. Die Maskenpflicht an Bayerns Schulen wird auf unbestimmte Zeit verlängert. © Bereitgestellt von WELT „Es gilt weitgehend 2G in Bayern“, sagte Markus Söder (CSU) nach der Sitzung in München. Er betonte, es drohe wegen der hohen Zahl an Intensivpatienten eine Konkurrenz zwischen Covid-Patienten und Menschen mit anderen Erkrankungen. Die Maskenpflicht an Bayerns Schulen wird auf unbestimmte Zeit verlängert.

„Die Intensivbetten laufen voll“, sagte Söder. 90 Prozent der Corona-Patienten seien ungeimpft. Die Corona-Ampel in Bayern war am Montag wegen der vollen Intensivbetten auf Rot gesprungen. Das bedeutet, dass öffentliche Veranstaltungen wie Messen, aber auch Sport- und Freizeitangebote der 2G-Regel unterliegen und nur noch Geimpfte, Genesene und Kinder unter zwölf Jahren Zugang haben.

Nun müssten laut des Ministerpräsidenten die erreicht werden, die noch nicht geimpft sind. Das seien in Bayern noch mehr als vier Millionen Menschen. „Unser Ziel muss sein, diese Menschen noch zu begeistern.“ Seit der Ankündigung, auch in Clubs und Diskotheken 2G einzuführen, steige die Impfquote.

„Ich kann nur nachdrücklich der Ampel empfehlen, sich nicht wegzuducken“, sagte Söder. „Es war und ist die Pandemie der Regierenden.“ Jetzt sei es auch die Pandemie der Ampel, die müsse sich damit auseinandersetzen. Söder forderte eine Ministerpräsidentenkonferenz.

Zudem spricht Söder sich für eine Impfpflicht in bestimmten Berufen aus. Persönlich sei er der Meinung, dass dies sinnvoll sei, insbesondere in Alten- und Pflegeheimen. Zugleich forderte er, dass jeder Arbeitgeber das Recht haben sollte, den Impfstatus abzufragen.

Er tritt im Kampf gegen die Corona-Pandemie dafür ein, dass wegen nachlassender Wirkung der Impfstoffe der Geimpften-Status nach neun Monaten verfällt. „Man sollte sich überlegen, ob nach neun Monaten fast automatisch ein Geimpften-Status nicht mehr gelten kann“, sagte Söder. Es müsse geprüft werden, ob der 2G-Status dann noch erhalten werden kann. Er forderte die Ständige Impfkommission (Stiko) auf, dazu eine Meinung zu entwickeln. In Nachbarländern wie Österreich werde nach dieser Praxis verfahren.

Söder kündigte an, dass in Bayern in Restaurants vermehrt Polizeikontrollen durchgeführt werden. Ab jetzt werde die Polizei direkte Geldstrafen bei Verstößen aussprechen. Minderjährige Schüler über zwölf Jahren, die in der Schule regelmäßig auf Corona getestet werden, können aber bis Ende des Jahres auch ungeimpft ihre sportlichen und musikalischen Hobbys fortführen.Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, bringt den K-Fall ins Gespräch © dpa/Peter Kneffel Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, bringt den K-Fall ins Gespräch

Impfcenter sollen wiederbelebt werden

Söder kündigte an, die Testzentren beizubehalten und die Impfcenter wieder hochzufahren. „Wir glauben, das Boosten jetzt der beste Schutz ist.“ Man werde für die Boosterimpfung alle über 60-Jährigen anschreiben. „Aber: Wer kommt, wird geimpft.“

Derzeit sei die Situation in den Krankenhäusern schwierig. „Sollte es noch schlimmer werden, und die Verlegungen in andere Krankenhäuser nicht mehr klappen, dann werden wir in den nächsten Tagen den K-Fall ausrufen“, sagte Söder. Statt kooperativem Management solle dann hierarchisch über Verlegungen entschieden werden.

Man werde sich dann anschauen, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen oder wo man noch strengere Regeln einführen müsse. Im Gastronomiebereich könnten vorübergehenden auch Schließungen veranlasst werden.

In den Schulen gelte bis auf weiteres Maskenpflicht. Bei den derzeitigen Inzidenzen, sei das Tragen einer Maske sinnvoll. „2G gilt auch für Schüler ab 12, wenn sie in Clubs, Diskotheken oder ähnliches wollen.“ An den Bund richtete Söders den Appell, dass dringend Ausgleichszahlungen im höheren Umfang für die Krankenhäuser gebraucht werden.

Gelesen: Becky Chambers – “A Psalm for the Wild Built”

Das ist mal ein richtig nettes Büchle. Genau richtig, um es an einem Novembersonntagvormittag gemütlich ins Bett gekuschelt wegzulesen.

Der Inhalt ist in zwei Sätzen erzählt: Treffen sich ein Mensch und ein Roboter. Erklärt der Roboter dem Menschen, was Menschlichkeit bedeutet. Aus.

Kein großer Wurf, keine atemberaubende Weltraumsaga, keine Schlachten. Einfach nur nett und will auch nicht mehr sein. Läßt sich aber trotzdem gut lesen, weil Chambers richtig gut schreiben kann und auch hier wieder den Ton trifft. Wie gesagt, bevor man an einem Novembersonntagvormittag ernsthaft der realen grauen Welt entgegentritt, allemal die bessere Wahl.

Aus dem Vokabelheft

Statt eines sperrigen “Mund-Nasen-Schutzes” vulgo “Maske” trägt der Niederländer ein “Mondkapje”. Ist wahrscheinlich auch nicht spaßiger, klingt aber so.

All Shades of Grey

Ich neige ja, was Kleidung angeht, ohnehin nicht zu leuchtenden Farben und aufregenden Mustern, aber wenn beim Wäsche sortieren eine ganze Maschine “Grau” rauskommt, von Unterhosen über Unterhemden über Socken und Hosen bis hin zu Strickjacken und Pullovern, dann ist der Winter jetzt wohl wirklich da.

Dabei würde ich, wenn es denn hülfe, als Gegenmaßnahme sogar irgendwas in Rosa und mit Glitter tragen. Von mir aus sogar mit Einhorn.

Es ist an der Zeit,

an der allerhöchsten Zeit sogar, endlich für diese Woche Feierabend zu machen. Auf den Straßen des Gräfelfinger Industriegebiets rotten sich schon Krähen und Katzen zusammen. In ihrer Zuständigkeit liegt es, die Überreste der Menschenbrotzeiten der vergangenen Tagen aus Blätterhaufen, Rinnsteinen und Gulliritzen zu bergen und diese ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen, nämlich den Krähen- und Katzenmägen.

Will da nicht länger stören, ihr Tierschaften und bin schon weg…

Zeigt her eure Füßchen…

Außer mir hats in der Zoomkonferenz heute keiner gemerkt, dass der Kollege die Schwachstelle einer Maschine mit den Worten beschrieb: “Ihre Achillessehne ist der Motor”.

Dafür hatte ich den ganzen Tag meine Freude dran.

Gelesen: Elizabeth Acevedo – “The Poet X”

So ein selten schönes Buch. Hach!

Eine Geschichte vom Erwachsenwerden, von Familie, ihren Traditionen und Grenzen, Religion und ihrer Überwindung, Erster Liebe, Geschwisterbeziehung, Freundschaft und Befreiung. Durch nichts als Sprache. Denn das ganze Buch ist in Poetry Slam Versen verfaßt. In einer solch kraftvollen Sprache, die gar keine Option zuläßt als mitzuleiden, sich mit zu freuen, sich so kraftlos und kraftvoll zu fühlen, wie es die junge Ich-Erzählerin tut. Triple-Hach! Das etwas süßliche aufgepfropfte Hollywood-Ende hätte für meinen Geschmack nicht sein müssen. Angesichts der Qualität des Gesamtwerks sehe ich einfach mal gnädig darüber hinweg.

Wer dieses Jahr nur noch die Zeit hat, ein Buch zu lesen, lese dieses und freue sich an dem ungewöhnlichen und starken Ausdruck, den die Autorin hier gefunden hat.

Gestern Abend im Marstall: “Was der Butler sah”

Wie der Name schon vermuten läßt (und der Bühnenaufbau über die ganze Breite des Zuschauerraums mit drei Türen und einem Extrazuziehvorhangkabinett bestätigt): es handelt sich um eine Boulevardkomödie.

Regisseur Bastian Kraft hat, wie schon in seiner “Lulu”-Inszenierung aus dem vergangenen Jahr (s. https://flockblog.de/?p=42701) wieder ein Stück ausgewählt, das in seiner Zeit angetreten war, das bürgerlich-konservative Abonnements-Publikum zu provozieren und zu schockieren. Beim Butler waren das die ausgehenden Sechziger Jahre und es ist erschreckend, wieviel davon heute noch funktioniert und erfreulich, was inzwischen nicht mehr geht. Eine Besetzungscouch zum Beispiel, also klar ausgedrückt die Vergewaltigung der jungen Naiven zur Bespaßung anderer, wird seit #Metoo noch nicht mal mehr vom letzten Machoman im Publikum als komisch wahrgenommen. Auch beim Mißbrauch einer minderjährigen Klosterschülerinnenklasse durch einen Sexbesessenen blieb es im Publikum eher ruhig.

Wie? Ach so, ich sollte vielleicht erst mal erwähnen, dass der Butler in einer typischen “Kommt ‘ne Frau zum Arzt”-Psychologen-Praxis spielt und alle Spielarten menschlicher Sexualität vorkommen. Ein großes Verwirrspiel schon allein dadurch, dass Regisseur Kraft, wie schon in der “Lulu”, die Männerrollen mit Frauen besetzt und umgekehrt – ein tolleres Weib als Florian von Manteuffels Doktorengattin hat die Welt noch nicht oft gesehen. Ihm ein tiefempfundenes Triple-Hach!, was hatte ich an diesem Geschöpf Spaß!

Den Doktor, der doch nur ein bißchen Männerspaß mit seiner neuen Sprechstundenhilfe haben wollte und sich nun zunehmend mehr in seine Lügengeschichte verstrickt, gibt Juliane Köhler sehr überzeugend, seinen Chef, den wahnsinnigen Freudianer (alles, alles ist eine Zigarre und Nein heißt bei einer Frau immer Ja) spielt im Dreiteiler mit Wampe und Glatze sowie alle an die Wand Charlotte Schwab. Das dumme Blondchen ist Christian Erdt. Manchmal ein bißchen zu verhascherlt und verhuscht, aber ich fürchte, das liegt mehr an der Rolle als am schauspielerischen Können. Antonia Münchow spielt einen ganz herrlichen Kleinkriminiellen (eigentlich Hotelpage mit Pillboxdeckelhütchen und Uniform) und den dummen Polizisten mit der Kasperltheateruniform darf Cathrin Störmer rampensauen. Was sie im übrigen alle tun und das zu Recht. Da werden Klamotten und Geschlechter getauscht, Schnittblumen malträtiert, Drogen in großen Dosen konsumiert, steile Brüste in den Raum gestellt und mit Penen geschlackert, wie nur geschlackert werden kann. Ich glaube, das ging so ganz und gar schamlos und -befreit, weil alle Körperkostüme trugen und keiner wirklich je entblößt war.

Bei der hochalbernen Auflösung am Ende blieb gar kein Auge trocken – danach ging nur noch Himmelfahrt. Wer jetzt Rocky Horror Picture Show denkt, hat die Hommage verstanden.

Nein, ein Butler kam nicht vor. Warum?

Wenn’s heute an der Haustür drei Mal klingelt

“Wenn du Saures magst, krieg ich Süßes”, erklärt mir der Mittlere (im Spidermankostüm) einer drei Kinder starken Gruppe und wird vom großen Bruder (Thor in Autositzpelz, mit Helm und Plastikhämmerchen in Knatschbunt) mit genervtem Augenrollen offensichtlich schon zum x-ten Mal heute korrigiert, wie das richtig zu heißen hat. Kleinschwesterchen in viel rosa Tüllrüschen sowie Tiara und drunter blaues Langarm-T-Shirt sowie eine ordentliche warme farbenfrohe geringelte Wollstrumpfhose, dazu pinke Glitzerballerinas mit Blinkelichtern (ich konnte mir ganz genau vorstellen, wer sich bei der vorausgehenden Diskussion mit welchem Kleidungsstück in der Kompromißfindung durchgesetzt hat) ist eine eher maulfaule Feenprinzessin. Ihr reicht es, mir ihr noch sehr armselig gefülltes orangenes Plastikkürbiseimerchen auffordernd entgegen zu strecken.

Ach Mensch, Kinder, darauf war ich gar nicht vorbereitet. Ich bin ja nicht mehr in Kalifornien und habe keine “fun-size” Schokolädchen für Trick’n-Treaters besorgt und eigentlich nur wenig Süßes im Haus (man muss sich ja auch immer vor sich selbst schützen). Sie sind dann mit einer Tafel Schokolade “zum Teilen” allenfalls mittelbefriedigt abgezogen. Tut mir leid.

Das ist aber auch ein Mist, mit diesen importierten Feiertagen.