Da war es nur noch eins

Außen, Nacht: Dunkel, Regen, grauslig. Wirres Haar, Besen, die Augen zusammengekniffen, ist das jetzt…?

Es ist und flattert erschrocken auf und in die dunkle regnerische grauslige Nacht. Hätte das blöde Vieh woanders geschlafen, hätte es ungestört durchkacken und -schlafen können. Vielleicht morgen schon?

Gelesen: Cemile Sahin* – “Alle Hunde sterben”

Ein gewaltiges Buch. Grausam. Hart. In einer Sprache geschrieben, die einem Bilder ins Hirn hämmert – etwas Vergleichbares ist mir bisher noch nicht begegnet.

Sahin beschreibt Staatsgewalt, Staatsbrutalität, Staatsgrausamkeit, verübt von Uniformierten, Polizisten und Soldaten, gegen Menschen, die “der Staat” nicht haben will, sie zu Unmenschen, “Terroristen” definiert und zur Jagd freigibt.

Aus ihrer Biographie und den Namen ihrer Protagonistinnen und Protagonisten läßt sich ableiten, dass die Täter Türken, die Opfer Kurden sind. Das ist natürlich wichtig, wird aber nie explizit erwähnt, da die Methode und die Foltern universell sind.

Sahins Sprache bleibt kalt, knapp und sachlich. Das macht die Lektüre fast schmerzhaft. Es ziehe ein jeder und eine jede für sich selbst den Schluß, ob er oder sie sich dem aussetzen will. Ich hatte Alpträume.

Missen möchte ich sie für mich dennoch nicht und werde mich durch ihr noch schmales Gesamtwerk lesen (die “Hunde” sind das zweite von drei bisher erschienenen Büchern). Allerdings mit angemessenem Abstand zwischendrin.

* Falls jemandem der Name bekannt vorkommt, könnte es daran liegen: https://flockblog.de/?p=51627

Gemischte Gefühle

Es gibt da zwei Lesarten:

  • Die böse Frau, die kurz nach hereingebrochener Dunkelheit zwei arme, gegen die Kälte dick aufgeplusterte Vögelchen aus dem Tiefschlaf reißt, von ihrem Nachtlager auf den knispelnden Alustreifen vertreibt und ihnen triumphierend gemein grinsend bei den taumelnden Fluchtflügelschlägen nachsieht.
  • Die Stadtbewohnerin, die nach einer aufwendigen Putzaktion den nach der jüngsten Mieterhöhung noch teureren Balkon von Taubenkacke und den darin enthaltenen krankheitserregende Bakterien, Pilzen und Parasiten freihalten will – und, auch wenn es langsam schwer fällt, netterweise (noch) nicht zur Kreisler-Methode* greift. (Tip the hat to Ms. W. in K.)

* Die Kreisler-Methode? Ich unterstelle meiner Leserschaft, dass alle sie kennen. Aber falls nicht:

Ha!

Silber-Streifen, die
in milder Brise knispeln.
Fort ist das Mistvieh!

Früher war mehr Lametta

So ein schöner sonniger Herbsttag. Hach! An den See vielleicht, nein, nicht zum Eisschwimmen, Mann, aber zum Spazierengehen und an eine warme Hauswand gelehnt einen Kaffee zu trinken. Oder alternativ, dies und das erledigen. Ach nein, in die Stadt kann man ja nicht. Sind immer noch die vielen Kostümierten unterwegs. Dann ganz was anderes?

Ganz was anderes. Ich beschließe, dass heute genau der richtige Tag ist, um es diesen fliegenden Ratten heimzuzahlen, die meinen Balkon zum Schlaf- und Kackplatz erkoren und wirklich alles, was dort herumsteht, viellagig vollgeschissen haben. Ich rüste mich mit Eimer, Putzlumpen, Schaufel, Besen, Schrubber, Gummihandschuhen und Mundschutz und kratze, wische, fege und ekle mich die ganz Zeit. Ich putze schon mein eigenes Klo nicht gerne, aber diese Vogellatrine? Echt eine Zumutung.

Als ich endlich fertig bin, habe ich einen Müllsack voller Taubenscheiße, Lappen, verdreckter Bürsten usw. voll und die Viecher so recht von Herzen dick. Muss nur noch meine Schuhe abwaschen (man möchte den Dreck ja nicht in die Wohnstube tragen) und dann können auch die Handschuhe und die Maske in den blauen Sack.

So, und jetzt zur Prävention. Mit Panzertape verklebe ich viele Streifen vorgeschnittener Alufolie (zum im Wind flattern und irritieren), die vorerst, bis ich Lametta besorgt habe, abschreckend wirken sollen. Ich weiß das, der blöde Vogel (mindestens einer) weiß es offensichtlich nicht. Kaum bricht die Dämmerung herein, kommt er angeflogen. Seitdem bin ich mehrfach mit einem langstieligen Besen in der Hand (und wirren Haaren, das gehört, glaube ich, so) hinausgelaufen und scheuche ihn fort. Dann fliegt er aufs Hausdach und schaut mich mit einem sehr verkniffenen Gesichtsausdruck an. Wahrscheinlich muss er dringend.

Ich bleibe dann erst mal hartnäckig!

Noch in der Mediathek: “Lost in Fuseta – Ein Krimi aus Portugal”

In Portugal ist es schön. Immer scheint die Sonne auf Landschaft, Berge und Meer und man darf mit dem Auto über die Straßen, alle Straßen heizen wie auf einer deutschen Autobahn ohne Tempolimit. Der männliche Portugiese trägt Bart, volles Haupthaar sowie Glutaugen, die Portugiesin auch, läßt aber den Bart meistens weg. Schurken sind eher dunkelhäutig. In der Freizeit trifft man sich mit seiner Familie, gerne erweitert um Kollegen und Freunde und die Mama kocht aufwendige Mahlzeiten. Außerdem Fado. Ständig. So ist das in Portugal, das habe ich selbst gesehen.

Aber manchmal ist es aber auch in Portugal nicht gut. Manchmal stirbt einer. Und dann kommt die Polizei, erst die uniformierte und die ist korrupt (aber nur die Männer), und dann die Guten vom Kommissariat, die gerade, was ein Glück, einen Austauschbeamten aus Hamburg, “o alemão” Leander Lost (“Ja, wie die Serie.”) da haben. Und obwohl der dafür verantwortlich ist, dass ein Verdächtiger erst die Chefin der kleinen Truppe niederschlägt, dann das Beweismaterial abfackelt und er zu gu­ter Letzt den portugiesischen Austauschkollegen ins Bein…
schießt, verdammt, … schießt. Was seid ihr denn für einer Leserschaft? Also, obwohl er nur Mist baut, verzeihen ihm die portugiesischen Kollegen schließlich, weil er ist Autist. Die Diagnose hat die kleine Schwester der Kommissarin gestellt, weil er ihren Einkaufszettel nach einmal Draufgucken auswendig aufsagen konnte. Sie erklärt: fotografisches Gedächtnis, Gesichts- und Gefühlsblindheit, kein Humor. Da lassen sie ihn dann doch nicht nach Hamburg zurückreisen, sondern behalten ihn im schönen Portugal, denn einer muss den Fall schließlich aufklären.

Ich hätte zu dieser Produktion bitte ein paar Fragen:

  1. Seit “Rain Man”, ach was, eigentlich, wenn wir ganz ehrlich sind, seit Sherlock Holmes ist es hip, mit Autismus zu unterhalten. Geht manchmal auch gut, zum Beispiel im “Rosie Project” oder mit einer Figur wie “Sheldon Cooper”. Oft aber auch gar nicht. S. u.
    Die ARD-Programmverantwortlichen preisen diesen Krimi in der Mediathek wie folgt an: Kommissar Leander Lost hat ein fotografisches Gedächtnis und einen messerscharfen Verstand, kann jedoch Gesichter nur schwer lesen und versteht keine Ironie. Als ungewöhnlicher Ermittler brilliert Jan Krauter in dem Zweiteiler „Lost in Fuseta – Ein Krimi aus Portugal“. Originell nutzt Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt, der seine Portugal-Bestseller unter Pseudonym schreibt, den Asperger-Autismus seines Titelhelden, um aus psychologischen Details überraschende Wendungen und grandiose Situationskomik zu erzeugen.
    Schämt ihr euch nicht? Eine solchene Aneinanderreihung von Klischees wie in diesen beiden Pilotfolgen hab ich noch nicht oft gesehen.
  2. Bin ich die einzige, die vollkommen irritiert ist, wenn alle deutsch sprechen, es aber eine interne Übereinkunft zu geben scheint, dass es sich hierbei um die Landessprache des schönen Portugal handelt?
  3. Darf ich davon ausgehen, dass die für Tourismus zuständige Behörde in Portugal ordentlich zur Finanzierung des Films beigetragen hat? Sieht schon ein bißchen arg nach Fremdenverkehrsförderung aus.

Es scheint sich um ein erfolgreiches Konzept zu handeln: Eine weitere Doppelfolge ist bereits in der Mediathek, eine dritte wird gerade gedreht. Ich denke, meine Welt wird nicht ärmer, wenn ich es bei dem einen Versuch belasse. Danke für die Empfehlung, lieber Herr W. aus M. – wie ich schon sagte: “Wenn es mir nicht gefällt, dann ist es Material für einen Verriß.” QED.

Bumm!

Werter Herr Trenkamp,
die Schlechte-Wortspiel-Kasse erwartet eine sofortige Einzahlung!

(Es ging um die zeitweilige Schließung des Oktoberfests wegen einer Bombendrohung.)