Schon steinalt, aber immer noch zum Strömen: “Six Feet Under”, 1. Staffel

Ich verpasse ja manchmal Kult. So auch “Six Feet Under”, inzwischen ein Vierteljahrhundert alt, aber hey, besser spät als nie.

Die Serie ist aus den Kindertagen von HBO, damals, als der Sender noch Garant für Skandale war. Und wie! Huiuiui! Gleich in den ersten Folgen splitterfasernackte Männer (ja, mit Penis in Großaufnahme), viele Sexszenen, wobei die Heteroszenen sehr viel weniger verschwommen gezeigt werden als die schwulen und selbst alte (!) Menschen (Mama!) vögeln, allerdings noch verschwommener als Homosexuelle, man kann dem Publikum schließlich nicht alles zumuten.

Die Serie spielt in einem Bestattungsunternehmen, hat ein noch heute gut funktionierendes schwarzer-Humor-Timing, es menschelt zwischen fremdelnden Familienmitgliedern, es werden Themen wie Rassismus, psychische Erkrankungen, soziale Unterschiede verhandelt und nichts davon zeigt schlimme Alterseinscheinungen. Man kann das gut ansehen, kann aber auch gut längere Pausen dazwischen machen, ohne Entzugserscheinungen zu bekommen.

Aus dem Vokabelheft

Ich weiß ganz genau Nullkommanix über das Vogtland, aber die Leute dort sind mir dennoch sehr sympathisch. Und wenn ihr erst seht, was für schöne Wörter dieser Dialekt hat, dann sind sie es euch bestimmt auch.

Wiedergelesen: Stefan Mohamed – “Bitter Sixteen”

Hmmm. Ich hatte das Buch nach meiner Erstlektüre vor 10 Jahren in recht guter Erinnerung, bin aber jetzt nicht mehr ganz so sehr angetan. Dabei ist die Story recht nett und (fast) originell. Ein sehr introvertierter nerdiger filmnärrischer Bub bekommt an seinem 16. Geburtstag Superkräfte. Außerdem läuft ihm ein sprechender Beagle zu, der wider Erwarten nicht Snoopy, sondern Daryl heißt. Wir begleiten ihn beim Training (auch Juniorsuperhelden fliegen nicht einfach so aus dem Stand) und beim Sprüche und Zitate klopfen (was ein Glück, dass der Hund seine Interessen teilt und auch Cineast und Comicleser ist), dann kommt die Lektion aus dem Creative Writing-Kurs, nach deren Regeln dem Helden etwas Katastrophales geschehen muss, damit er sich auf den Weg aus seiner walisischen Heimat Wales in das große Babel London macht, wo’s dann so richtig rundgeht.

Das ist dann aber auch der Moment, wo sich zwar meine Innere Geekette immer noch an all den popkulturellen Referenzen erfreut und miträt, sich aber auch fragt, wie schnell sich dieser Spaß überlebt haben wird und die erwachsene Leserin in mir langsam anfängt, sich ein wenig zu langweilen. Der junge Mann trifft weitere schon etwas erwachsenere, aber immer noch sehr jugendliche Menschen, die, Überraschung, auch Superkräfte haben, sich aber ansonsten kein Stück weiterentwickeln und stößt außerdem, ganz große Überraschung, auf eine Kabale. Böse Schurken. Engel? Echt jetzt? Oder doch nicht? Ach, es wird mir beim Lesen zunehmend egaler. Ja, doch, super leichtfüßig geschrieben. Auch originell, mal abgesehen von der Teenie-Liebesgeschichte mit den glühenden Küssen. Aber trotzdem irgendwie unfertig.

Nicht sicher, ob ich die Bände 2 und 3 wirklich noch lesen will. Auf jeden Fall nicht gleich.

Neu auf Netflix: “Wednesday”, 2. Staffel, 1. Hälfte

Ja! Jetzt isses richtig! Standen in der ersten Staffel noch diese albernen US-amerikanischen Highschoolkindereien im Vordergrund (s. https://flockblog.de/?p=47394), ist diese zweite jetzt endlich so nachtschwarz, wie es der strengbezopften Wednesday von der Addams-Family (Jenna Ortega, die helle Freude) gebührt. Man sieht auch sehr viel deutlicher die Handschrift des Meisters Tim Burton (hat diese ersten vier Folgen inszeniert) und es ist durchaus zuträglich, dass der neue Direktor des “Outcast”-Internats “Nevermore” vom hochverehrten Steve Buscemi gespielt wird, der sichtlich sehr viel Freude an diesem miesen schmierigen Charakter hat.

Frech genug, dass die Streamer sich dieses Mal ausgedacht haben, die Ausstrahlung nach der ersten Hälfte für einen Monat zu unterbrechen und diese dann auch noch mit einem Cliffhanger zu beenden… aber sei’s drum. Wie sagt Wednesday so treffend: “I find social media to be a soul-sucking void of meaningless affirmation.” So auch Netflix, ätsch.

Aus dem Vokabelheft

“Bewusste Ernährung” steht in diesem Supermarkt offensichtlich als Synonym für “Alles, worum ich schon in Amerika einen sehr großen Bogen gemacht habe”. So ne Dinge wie Sprühkäse, Schokosirups (-sirüppe?) und Steaksoßen mit je 123% Zuckeranteil, vollkommen überwürzte Fettchips und vieles mehr…

Danke für das Fundstück an Frau S. jun aus D.

Gelesen: Christa Wolf – “Erzählungen 1960 – 1980”

Christa Wolf zählt zu den berühmtesten deutschen Schriftstellerin, aber manche dieser Geschichten sind inzwischen aus der Zeit gefallen und in einer Sprache geschrieben, die ich nicht verstehen kann. Wenn DDR-spezifische Situationen behandelt werden, lese ich mit der Faszination, mit der man bei schlimmen Unfällen oder zu Matsch gefahrenen Tieren nicht wegsehen kann, aber ich verstehe nicht. Ich weiß nichts von diesem Leben auf der anderen Seite der Mauer (und es reicht auch nicht, dass ich es durch den dicken Wälzer von Christoph Hein geschafft habe; s. https://flockblog.de/?p=51194). Ja, jedes Sentiment, sei es Eifersucht, Leidenschaft, Angst, Kummer, also jedes Gefühl, das sie so gründlich sezieren kann, kommt bei mir an. Aber wenn Pionier oder Brigadier A irgendwas pioniert oder brigadiert, welches auf drei geschickten Umwegen Pionier oder Brigadier B nützt (oder schadet) – ich verstehe es nicht.

Ich möchte drei Erzählungen aus diesem Sammelband herausgreifen:

  1. Till Eulenspiegel, gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard geschrieben, 1972 veröffentlicht. Eine “Filmerzählung”. Daniel Kehlmanns “Tyll” kennend, möchte ich wetten, dass dieser sehr kühne Wolf’sche Wurf zu seiner Materialsammlung gehörte. Unbedingt lesen!
  2. Moskauer Novelle. Ihr Debüt aus dem Jahr 1961, dem sie in späteren Jahren selbst sehr kritisch gegenüber stand. Eine Art Liebesgeschichte zwischen einem ehemaligen Besatzer, einem Angehörigen der Roten Armee und einer in Hitlerdeutschland aufgewachsenen und parteihörigen jungen Frau, die sich im Rahmen einer Studienreise in die Sowjetunion zum großen sozialistischen Bruder und Vorbild wiederbegegnen. Die Liebe findet nicht nur zwischen diesen beiden Menschen statt, sondern auch in der naiven Begeisterung und Leidenschaft für den “Neuen Menschen”, den die reine marxistisch-leninistische Lehre gezeugt hat. Dürfte stark autobiographisch geprägt sein. Wurde in der DDR gefeiert, fand zunächst im Westen keinen Verleger.
  3. Unter den Linden, 1969 entstanden und 1974 publizierte “Traum-Erzählung”. Ich habe es versucht. Drei Anläufe. Aber diese Geschichte, eine ihrer berühmtesten, und ich, wir kommen nicht zusammen. Keine Berührungspunkte.

Ich glaube, man sollte sich mit Wolfs Werk befassen. Habe aber das Gefühl, dass es sich überlebt hat. Wer kennt denn heute noch den Kontext? Wer viel Zeit hat und mag, kann mein Exemplar haben.

Wohl doch aus der Zeit gefallen, wie ich vorhin schon sagte.

Feiertag

Oder, wie wir das in der Rentnerei nennen: Ein Tag, an dem die Geschäfte zu sind. Zum Glück ist das bei mir wie beim Elfmeterschießen – es gibt gute Menschen, die mich rechtzeitig erinnern…

Wiedergelesen: Becky Chambers – “To be taught if fortunate”

Das Büchlein ist ein Denkanreger. Warum überhaupt Raumfahrt? Was wollen wir da draußen? Erobern? Handeln? Lernen? Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kurt Waldheim* hat den Ansatz der Menschheit von einem ausgezeichneten Redenschreiber seinerzeit für die Goldene Schallplatte der Voyager-Mission so formulieren lassen:

“As the Secretary General of the United Nations, an organization of the 147 member states who represent almost all of the human inhabitants of the planet Earth, I send greetings on behalf of the people of our planet. We step out of our solar system into the universe seeking only peace and friendship, to teach if we are called upon, to be taught if we are fortunate. We know full well that our planet and all its inhabitants are but a small part of this immense universe that surrounds us and it is with humility and hope that we take this step.”
[Als Generalsekretär der Vereinten Nationen – einer Gemeinschaft von 147 Mitgliedsstaaten, die nahezu alle Menschen unseres Heimatplaneten repräsentieren – sende ich Grüße im Namen der Völker der Erde. Wir treten aus unserem Sonnensystem hinaus ins Universum, mit dem Wunsch nach Frieden und Freundschaft – bereit zu lehren, wenn man uns darum bittet, und dankbar zu lernen, wenn uns dieses Glück zuteil wird. Wir wissen, dass unser Planet und all seine Bewohner nur ein winziger Teil dieses gewaltigen, uns umschließenden Kosmos sind, und so gehen wir diesen Schritt in Demut und mit Hoffnung im Herzen.]

Das kleine Buch lohnt zu lesen und reicht gerade gut für einen Tag am See.

* Ganz genau, das war der, bei dem nur das Pferd Mitglied der SA-Reiterstaffel war, er selbst hingegen nur des Sports wegen dabei. Ach Mann, ey. Fragt Oma.

Eine Dekade

Im Verlauf von 10 Jahren kann man…

  • Troja so lange belagern, bis einer auf die Idee mit dem Pferd kommt.
  • Ganz Gallien besetzen. Fast.
  • Zum Kaffeeklatsch bei Kublai Khan reisen.
  • Einen Suezkanal bauen.
  • Eine Mondlandung planen (Apollo 11).
  • Ein neues Leben in München einrichten. Nebenher ein Start-up-Unternehmen mit aufbauen und leider auch abwickeln und bei der Sanierung eines Unternehmens im Hunsrück mithelfen.
    Anschließend in Rente gehen.

Es ist kaum zu glauben, aber morgen Abend um diese Zeit bin ich seit einer Dekade schon wieder zurück in Deutschland. Ja, dann schau ma moi, wia’s weidageht.