Ms. Chambers hat den Lesern ihrer Wayfairer-Trilogie einen vierten letzten Band gegönnt – Hach!
Der Rahmen des Romans ist so alt wie die Literaturgeschichte: einander Wildfremde werden durch äußere Umstände gezwungen, an einem Ort, wo sie nie sein wollten, mit Geschöpfen, die sie nie kennenzulernen beabsichtigten, mit einer Situation fertigzuwerden, in der sie sich nie gesehen hätten.
Wayfairer-Leser*innen kennen die in einer Weltraumumsteigestation auf einem Wüstenplaneten Gestrandeten (zumindest die Spezies):
- Pei, eine Aeluon: Angehörige einer hühnerähnlichen Spezies, derzeit weiblich, für die gesprochene (und damit auch gehörte) Sprache ein unvertrautes Konzept ist. Ihre Spezies kommuniziert in Farben, die sich auf ihren Wangen manifestieren und fühlt sich daher in bunten Umgebungen (blühende Gärten oder dergleichen), als würde sie ununterbrochen angebrüllt. Als Hilfsmittel für die Kommunikation mit anderen nutzt sie eine mechanische Sprachbox.
- Speaker, eine Akarak: Eine Spezies, die der Ausrottung nur durch einen Exodus in alle unendlichen Weiten des Weltalls entronnen ist. Ihre Atemluft ist Kohlendioxid, also kann sie sich außerhalb ihres Schiffes nur in einem komplizierten rüstungsähnlichen Exoskelett mit eigener Luftversorgung bewegen.
- Roveg, ein Quelin: Eine insektoide Lebensform mit 10 Paar Gliedmaßen, die eine elitäre paramilitärische Gesellschaft geformt hat und ihn wegen seiner aufrührerischen und künstlerischen Tendenzen schon vor langer Zeit exilierte.
- Ouloo, eine Laru: Ein hundeähnliches Wesen (allein die Szenen, wenn sie sich morgens in ihrer “grooming machine”, eine Art Autowaschanlage mit Lockenwicklern, tagfein macht, sind zum Wegschmeißen). Außerdem die Frau, die die Pension “Five-Hop One-Stop” hauptsächlich durch Desserts und aufmerksame Zuwendung zusammenhält.
- Tupo, auch ein Laru, ihr Kind, mittig in einer ca. 20 Jahre dauernden Pubertät, an deren Ende es sich unter anderem für sein Geschlecht entscheidet. Nervig, neugierig, tolpatschig. Puberino halt.
Natürlich finden alle diese Spezies im Angesicht der Krise zu einer Verständigung, natürlich wird alles gut. Aber wie Chambers sie zusammenbringt, essen, tanzen, kommunizieren läßt, das ist ein flammender Appell an Toleranz und, weil ich kein besseres Wort kenne, Menschlichkeit. Gut sein, auch wenn’s gerade gar nichts bringt. Über den Tellerrand sehen und feststellen, da draußen ist nicht alles schlecht und vieles, dessen man sich sicher war, ungewiß ist. Sie haben alle eine Gemeinsamkeit: sie sind aufgebrochen, weil sie nicht an die Überlegenheit der eigenen Rasse glaubten, weil sie helfen oder weil sie ihre Kinder nicht auf vorgezeichneten Wegen dieselben Schritte wie ihre Vorfahren machen lassen wollten. Dass sowas ohne Kitsch gelingt, ist Kunst und davor ziehe ich sehr den Hut. (Außer auf den allerletzten paar Seiten, und da ist es nun wieder erlaubt, jetzt wo die Wayfairer-Serie an ihrem Ende angekommen ist.)
Die Menschheit kommt übrigens nur in Anekdoten vor: zum Beispiel als Wesen, die anderen warmblütigen Säugetieren ohne deren Einwilligung die Babynahrung wegnehmen, nur, um sie dann zu fermentieren und, man stelle sich das mal vor, das so entstandene Produkt zu essen.
Lesen, Herrschaften! Lesen! Lesen! Lesen. Die ganze Trilogie + 1!