Drei mal Schwarzer Kater

Dieser Nachmittag hat eigentlich keine Aussichten, für die Aufnahme ins Buch meiner Erfolge nominiert zu werden. Erst mal regnet es. Damit hat ein Tag ohnehin schon weniger Chancen. Und es ist kalt. Dann wird es echt schwer. Als hätten sie sich abgesprochen, teilt mir der widerliche Bankettmensch in dem Restaurant, das ich für die Company Christmas Party ausgesucht hatte mit, dass sie eine so große Gruppe so kurz vor Weihnachten wirklich nicht mehr in dem von mir gewünschten Rahmen unterbringen könnten und die unfähigen Kasper in dem Etablissement, das ich für das anschließende Unterhaltungsprogramm ausersehen hatte, sind nicht darauf eingestellt nach 10:00 Uhr abends Gäste um sich zu haben. Da machen sie nämlich zu. Wer Spaß wolle, solle doch in die City fahren. Gggrrrggghhhh. Schnell noch was einkaufen und dann nix wie heim, Tür zu und den Rest des Tages aktive Misanthropie betreiben. Dann ist der Supermarkt auch noch übervoll, wahnsinnige Nikon-Mütter auf Photo-Safari und dieser Riesenkerl mit seinen langen Armen schnappt mir das letzte Toastbrot vor der Nase weg. Was ein Dreckstag!

Es schifft. Jede Ampel auf diesem mistigen Camino Real wird rot, wenn ich mich nähere. Mir langts. Ich biege jetzt einfach rechts ab und schleiche mich über ampelfreie Nebenstraßen nach Hause. Hügel hoch. Der Regen hört schlagartig auf, die Sonne erleuchtet die nasse Vorstadt und an der nächsten Querstraße ein rotes Schild “Garage Sale”. Genau, da in dem baufällig wirkenden Häuschen auf der überdachten Terrasse sitzt eine ältere Dame und bietet Kruscht feil. Wie’s die Fügung will, ist genau vor dem Haus ein Parkplatz frei. Spontan entschließe ich mich zum Antifrustshopping.

Sie hat da auf ein paar Klapptischen viel Alte-Damen-Zeug liegen. Strickjacken, Broschen, ein paar angestoßene Teile vom ehemals Guten Geschirr, Schalen mit Duftpotpourries, Döschen, Tiegel, Töpfchen, ein paar Riegel Avon-Seife, halb abgebrannte Kerzen in gußeisernen Ständern – so gar nichts, was ich hätte haben wollen (wobei ich auch in dem Moment nicht gewußt hätte, was ich eigentlich will). Jetzt bin ich erst recht frustiert und sage ihr das auch.

Shantelle ist aber nett, lädt mich auf Kaffee aus der Thermoskanne ein (nimmt dafür flugs von einem der Tische eine nur leicht verstaubte Tasse), wir schwatzen ein bißchen und dann meint sie, ich solle doch noch mal schauen, manchmal sehe man Dinge erst auf den zweiten Blick. Das mache ich aber auch nur für sie. Sie hat recht. Da hinten, in der Pappschachtel – was ist das denn? Och, das? Das sei nur ihr Oujia Board. Man ist ja belesen und weiß, dass es sích bei einem Oujia Board um ein Hexenbrett handelt, mit dem man in spiritistischen Sitzungen Kontakt mit der Geisterwelt zum Zwecke des Orakelns aufnimmt. Darüber hinaus ist man auch neugierig. “Darf ich mir das mal ansehen?” Shantelle macht einen Satz aus ihrem Klappstuhl, der unser beider Kaffees stark gefährdet und wirft mir den Karton geradezu in den Schoß. “Sure, Honey. You’ll love it. It’s gonna talk to you.”

Bestimmt. Hat wahrscheinlich seit Jahrzehnten hier auf mich gewartet und wenn ich nachher mit dem Ding wegfahre, dann verschwinden Shantelle, Haus und Straße. Come on, ich habe meine Gruselgeschichten gelesen und bei Mary Poppins passiert das auch immer wieder – alles Fiktion, ma chère Shantelle (habe ich mir übrigens buchstabieren lassen, der Name schreibt sich tatsächlich so und kommt aus dem Kreolischen) – Voodoo-Puppen hast du aber keine? Oder? Da grinst sie breit und zahnlückig, nö, aber Back Yard Chicken halte sie sich. Also gut, ich glaube eh nicht dran, ich kann’s mir ja mal ansehen. Draufblick auf den Karton: das Brett wurde produziert in Salem, Massachusetts. Schluck. Salem. Das ist doch die Stadt, in der sie vor lauter Hexenhysterie eine ganze Menge Leute umgebracht haben? Ganz ruhig und vernünftig bleiben und bewundern, wie geschickt die Marketingabteilung bei Parker Brothers den Salem Mythos zur Verkaufsunterstützung einsetzt. Puh. Hätte beinahe geklappt. Die Schachtel riecht nach altem gut abgelagerten Karton, fast wie alte Bücher. Als ich sie vorsichtig aufzumachen versuche, scheppert es drinnen ganz entsetzlich. Kommentar Shantelle: “Ouija says Hello.” Was ein Quatsch! Der Karton bröselt ein bißchen, als ich das Brett ans Tageslicht zerre und es fängt an zu blitzen und zu donnern. Ganz cool bleiben, schwere Gewitter waren schließlich vorhergesagt worden.

“Müßte da nicht noch so eine Art Zeiger dabei sein?” “Sure, Sweetie – I’ve put it all in the box for you.” Stimmt, ist drin. Ich lege den Karton weg und halte Zeiger und Brett auf den Knien. Zwischen Blitz und Donner liegen keine Sekunde mehr, die Luft riecht nach Ozon. Shantelle kichert. “Can you feel it?” “Nope.” “Do you sense the power?” “Nope.” Hmmm. Macht nix, sagt sie. Das kommt vor. Ein Gewitter kann den Fluß kosmischer Strömungen stören, das müsse ich mir vorstellen wie einen Kurzschluss in einer Stromleitung. Und nun? Ich soll’s mitnehmen und zu Hause ausprobieren.

Hah! Jetzt habe ich sie. Sie sagt bestimmt, dass sie mindestens 20 Dollar dafür will und dann sage ich, dass mir das zu teuer ist und ich aber verstehe, dass das Brett für sie wertvoll ist und ich sie nicht durch feilschen beleidigen will und dann verliert keine von uns das Gesicht und alles ist gut. Von wegen. Sie grinst wieder und meint, ich solle ihr nur die $3,63 geben, die hinter dem Druckknopf in meinem Geldbeutel sind (ich habe die Angewohnheit, kleines Wechselgeld, Scheine und Münzen, in dieses Fach zu knautschen). Jetzt bin ich aber doch neugierig. $3,63 – wenn das stimmt, soll sie sie haben. Es stimmt genau, bis auf einen Euro-Cent und einen kanadischen. Wir tauschen. Geld gegen Hexenbrett. Mich wundert gar nichts mehr und ich erzähle ihr von meinem literaturgestützten Verdacht, dass morgen sie und ihr Haus nicht mehr auffindbar sein werden. Breitestmögliches Grinsen:”Feel free to check, Sweetheart. You’ll either be right or welcome to have another coffee.”

Ich könnte das Brett befragen…

‘Tis the Season (Southern Style)

 “Schatz? … Schahatz?”

“Ja?”

“Weißt Du, wo die Onkel-Tom-Weihnachts-Servietten-Ringe hingekommen sind? Ich kann nur die mit der Schwarzen Mammy finden…”

“…”

“Ach, lass gut sein. Dann nehmen wir wieder das General Custer Set von Thanksgiving. Das ist vollständig und passt irgendwie auch zu Weihnachten.

Oder?”

‘Tis the Season

“Gebt, Ihr Leute, spendet reichlich” hört man derzeit allüberall (nächste Woche ist Thanksgiving, in vier Wochen Weihnachten und da besinnen sich die Amerikaner auf ihre “family values” und glauben an rotbackige Äpfel und fröhliche Kinder mit Holzspielzeug vor dem Kaminfeuer). Der Direktor der hiesigen Foodbanks (das entspricht in etwa den deutschen Tafeln) wünscht sich kalte und nasse Tage, denn warme Sonne bringe die Menschen nicht in den “Holiday-giving-frame”. Er hat wohl einen guten Draht zu Petrus, seit Freitagabend regnet es immer wieder ordentlich, inzwischen toben Thunderstorms  und man hört ständig Sirenen. (So nebenbei: hat dieses Haus eigentlich einen Blitzableiter?). Mal sehen, wie das den Spenden-Spirit beflügelt. Die Kaufhäuser sind jedenfalls bestens vorbereitet. Man kann fertig gepackte Pakete mit “canned-food-meals” zu $15, $25 und $50 kaufen und muss nur bezahlen und seinen “Ich bin der Spender”-Namenssticker ausfüllen; der Supermarkt übernimmt das Aufkleben und den Transport zu den Homeless-Shelters und anderen entsprechenden Einrichtungen und die gute Tat hält einen selbst nicht weiter vom Einkaufen ab.

Wer mehr ein Herz für Kinder hat, ist mit “Toys for Tots” gut bedient; man kauft ein Spielzeug (Untergrenze auch hier $15) und läßt es im Kaufhaus. Bei dieser Aktion spielt das U.S. Marine Corps Santas Little Helper und übernimmt zu Weihnachten die Auslieferung an die bedürftigen Kleinen. (Ich weiß auch nicht, warum ich sofort Richard Gere vor Augen habe, der weißbehandschuht in Ausgangsuniform mit “HoHoHo” durch den Kamin rutscht – und unten einem eher enttäuschten Kinde ein verrußtes schmuddelig-zerkrumpeltes Glanzpapierpäckchen mit halbgelöster Schleife in die Hand drückt. HoHoHo.)

Erste Bürgerpflicht in der Season ist natürlich Einkaufen. Geschenke, Dekorationskrempel (einen Salz-und Pfefferstreuer zB, das Salz kommt aus Santas Nase, der Pfeffer aus dem Sack. Dem Geschenkesack. HoHoHo.). Lustige Sachen für drin und draußen (ich wünsche mir für jeden Blinker-Frosty und Lichtlein-Rentiergespann eine CIA-SWAT wie in “RED”) sowie Lebensmittel. Dicke fette tiefgefrorene (“allow 3-5 days for de-frosting”) Riesentruthähne, die auch mal als Schlagwaffe eingesetzt werden (ich fühlte mich an Roald Dahls Hammelkeulengeschichte erinnert), Gallonenkübel voller Saucen, Suppen, Mashed Potatoes (was soll man die Kartoffeln selber stampfen, wenn man das Pulverzeug auch einfach mit Warmwasser anrühren kann), Apple- und Cranberry Sauce – Hauptsache viel, viel, viel. Wie immer vor Feiertagen geht es zu wie vor einer Hungersnot (ich nehme an, das befürchten die meisten tatsächlích, denn an Thanksgiving sind Geschäfte selbst hier mal geschlossen) und einen anrempelnde Amerikaner zischen einem ein halbherziges “Sorry” zu, bevor sie das letzte Toastbrot aus dem Regal an sich reißen. Die armen Trader Joe Mitarbeiter müssen zu ihren Hawaii-Hemden grüne Elfchenmützen tragen und sind in mindestens Vierergruppen (pro Gang) nur mit Auffüllen beschäftigt. An jeder Kasse sind zwei Fachkräfte im Einsatz (Waren scannen und kassieren die eine, einpacken die andere und können bei besonders großen Mengen – wo steht denn geschrieben, dass ein voller Einkaufswagen pro Person das Limit ist? – auf Einpack-Springer zurückgreifen), trotzdem bilden sich lange Warteschlangen. Ich nehme mir fest vor, NIE mehr am Samstag vor Thanksgiving einkaufen zu gehen. Außerdem war das Toastbrot eh aus.

Was macht eigentlich diese Frau da drüben mit der Nikon im Anschlag?  Sie photographiert. Klar. Aber was, um alles in der Welt? Am Samstagnachmittag, in einem übervollen Supermarkt? Ihren ca. sechsjähirgen Sohn. Aha. Wie er sich streckt, um an die Waren oben im Regal zu kommen. Wie er Leute anspricht, damit sie ihm helfen (manche müssen das zwei oder drei Mal machen, bis die Mutter mit dem Bild zufrieden ist). Wie er in die Kühltruhe klettert, um ein Paket tiefgefrorenen Brokkoli zu bergen. Das wird bestimmt mal toll, wenn er seine Freundin mit nach Hause bringt und die sich nach den Nacktes-Baby-auf-Eisbärfell- auch noch die Mein-Freund-fängt-Tiefkühlgemüse-Bilder ansehen muss. Warum tut eine Mutter ihrem Kind das an? Inzwischen sind die Beiden an der Kasse nebenan angekommen. Der Kleine scannt seine Einkäufe ein (und muss natürlich jedes Ding ein paar mal drehen, bis er den Barcode findet). Mama knipst. Die Schlange wird sauer. Der Kleine packt ein, Mama knipst und erklärt, dass es sich hierbei um Geoffreys nächsten altersgerechten Schritt auf dem Weg ins Erwachsenenleben handle: “We plan a meal, we buy a meal, we cook a meal, we set the table, we serve the meal, we do the dishes.” Dann muss er den vollen Wagen, über den er kaum hinaussieht, nach draußen schieben. (Wer hiesige Einkaufswegen und ihre gegenläufigen Rollen kennt weiß welche Sisyphusarbeit das ist.) Die Schlange hat Mitleid. Wahrscheinlich fragen wir uns alle, wann’s bei denen mal was zum Essen gibt. HoHoHo.

Na dann:  Let’s “Embrace the Shopping Season”! (Zitat aus dem Heimwerkermarktprospekt, frisch aus dem Briefkasten heute.)

Übung macht den Meister

Kindergarten in LA, vor ca. 40 Jahren: “Roberto und Quentin! Lasst sofort Luisa-Chantal aus dem Erdloch da raus, legt die Schaufeln und Speere weg … und das Messer auch! Selbstverständlich! Ganz besonders das Messer – wo habt ihr Lümmel das bloß schon wieder her? Genau, alles schön in die Gartenspielzeugkiste. Brav. Und jetzt geht rein! Die anderen Kinder möchten nicht mehr mit euch “Die Zombiekiller und die tote Braut” spielen. Setzt euch mal dahin und malt was schönes. … Das macht nichts, wenn Rot und Schwarz schon wieder alle sind. Dann nehmt ihr eben mal andere Farben.” Über ihre Malblätter gebeugt hört man sie grummeln: “Wenn ich mal groß bin, dann vergrabe ich alle! Und schieße sie tot. Und dann hacke ich sie klein! Oder andersrum. Egal. Und ich habe so viel rote Farbe, wie ich will.” “Genau. Ich auch. Und ganz viele Messer und Pistolen.”

Inzwischen sind sie erwachsen geworden und ihre Wünsche in Erfüllung gegangen. Roberto hat neulich wieder mal einen Film gedreht, mit einem ganz tollen Macho-Helden*; Feuer, Klingen und Kugeln mögen ihm zwar böse Blut-auf-Feinripp-Wunden zufügen, aber nach einer Nacht mit einer tollen Kriegerfrau ist er sofort wieder fit für den nächsten Kampf. Nur eines kann er nicht: SMS schreiben. “Machete don’t text.”

Ich sag’s ja schon immer: zum Glück leben sich Tarantino und Rodriguez am Filmset aus und sind nicht nachts auf der Straße unterwegs und hören auf die Stimmen in ihrem Kopf.

*Übrigens: Nach dem Film “Machete” (phonetisch korrekt: “Mätscheddi”) sollte man tunlichst mit einem leicht feuchten Tuch den Testosteronfilm vom Monitor wischen.

Amerika, du hast es besser!

Nur in Amerika

  • hat es die stoßdämpferproduzierende Industrie geschafft, eine Mindestquote an Schlaglöchern pro Straßenmeile verbindlich festlegen zu lassen (mit jährlicher an die Inflationsrate gebundener Steigerung)
  • definiert man Stau als “Massentransport”
  • besitzt und benutzt jeder Erwachsene ein Minimum von 10 (zehn) aktiven Kreditkarten
  • wird die Effizienz von Geräten (wurscht ob Haushalt oder Straßenbau) an der Höhe der ausgestoßenen Dezibel bemessen
  • nimmt man Probanden zum Zwecke der Untersuchung 3 Teelöffel Blut ab (doch ernsthaft, man mißt nicht Milliliter, sondern tea spoons – wahrscheinlich kann man als Patient noch von Glück sprechen, wenn sie einem nicht gleich “cups” abzapfen)
  • darf eine Sechzehnjähirge die Kritiker an der unsäglichen Fernseh-Reality-Show ihrer Hockey Mum als schwule Schwuchteln (“gay faggots”) beschimpfen und wird von Mutterns Parteigenossen dafür noch gefeiert (http://www.youtube.com/watch?v=U7xnvXMHxGE&feature=related wer das ausgehalten hat, darf sich jetzt an Tina Feys Parodie freuen: http://www.youtube.com/watch?v=B9pTAue5E1M)

Ernsthaft nur in Amerika

  • kann man im Online-Portal seiner Bank für die monatliche Mietzahlung ein “recurring payment” einrichten, bei dem einem die Bank garantiert, dass sie hinfort die Verantwortung dafür übernimmt, dass der Vermieter seinen Scheck pünktlich zugeschickt bekommt (das gilt als höchst fortschrittlich – den Mietscheck fürs Büro zum Beispiel trage ich immer pünktlich am Monatsende ins Vermieterbüro eine Etage tiefer).

Es ist soweit in Amerika

  • endlich muss mein Vermieter den Scheck nicht mehr bei seiner Bank abgeben (nur zu den Schalterzeiten, Außenbriefkästen sind bei Banken nicht üblich), oder mühselig am Bankautomaten als “Deposit” einzahlen (Konto per Bankkarte am Automaten aufrufen, durchs umständliche Menü klicken, Betrag eintippen, Scheck ins Kuvert legen, zukleben, Kontonummer und Betrag in die dafür auf dem Umschlag vorgesehenen Felder handschriftlich eintragen, im Automaten einziehen lassen, fertig). Oder seinerseits der Bank zuschicken. Nicht doch. Seit neuestem gibt es eine ganz total coole crazy tolle Depositmethode, nämlich: Vorder- und Rückseite des Schecks mit dem iPhone (exklusiv, kann kein anderes Smartphone) ablichten, speichern und dann die Bilder an die Bank mailen. Fertig. Gutschrift. (Vorbehaltlich der Echtheit des Schecks und des Zahlungswillens des Scheckausstellers.)

“Money transfers”, also Überweisungen, gelten dem Amerikaner als höchst suspekt. Der Bank auch. Damit die Kunden damit erst gar nicht anfangen, kosten sie jeweils $10.00. Der Dauerauftrag wird möglicherweise im nächsten Jahrtausend erfunden werden.

Man darf getrost bezweifeln, dass dem Geheimen Rat diese Informationen bei der Zitatschöpfung seinerzeit verfügbar waren.

Family Business

Heute, auf der Heckklappe des Lasters vor mir, jeweils liebevoll in Rot nachgeklebt:

Nathanson & Son
               Nathanson & Son s
                             Nathanson & Son s & Grandson
                                              Nathanson & Son s & Grandson s

Eine Generation Söhne passt noch, danach ist das Auto zu schmal.

Bewerber des Tages

Wir suchen einen Vice President mit 20 Jahren Industrieerfahrung.

Schert den Bewerber nicht. Er kommt frisch von der Uni und hat ein hohes Selbstwertgefühl: “I have gained a world-class education from a top tier business program that has a proven track record of success. The amount of work and effort I put into my degree demonstrates my competitive attitude and excellent work ethic that I am confident will translate into success in any industry.”

Der Wein erfreut des Menschen Herz*

Was dem deutschen Winzer sein Goldener Oktober ist, ist dem kalifornischen der gleichfarbene November. In den Tälern um Napa und Sonoma, am Russian River, überall im Wine County wird die Lese traditionell am ersten Novemberwochenende abgeschlossen. Ebenso traditionell ist es dann voll und überlaufen von Amateur-Önologen. Klar, dass wir zu Hause geblieben sind. Außerdem war das Wetter nicht so besonders.

Letztes Wochenende hingegen war es ganz besonders. Besonders schön nämlich. Darauf hatten Kollege Christoph (zur Zeit aus Deutschland zu Besuch) und ich ja bloß gewartet. Am Samstagmorgen Strandtasche, Picknickkorb und Übernachtungsrucksäcke in den Kofferraum geschmissen und – als zugereister Neu-Local kennt man sich schließlich aus – auf der stauärmsten und hübschesten Route (dem Highway Number One) über die Golden Gate Brücke nach Norden aufgebrochen.

Einfach göttlich! Blauer Himmel mit bilderbuchmäßigen Schäfchenwölkchen, strahlende Sonne, auf einem schön gewundenen Sträßchen auf und ab an majestätische Redwoods (ja, langweilig, aber mir fällt zu diesen Bäumen kein besseres Adjektiv ein) und hellglimmenden Eukalypten vorbei, ein glitzernder Pazifik, schroffe Felsküsten, abgelöst von goldenen Sandstränden, der eine oder andere buntbelaubte Baum (“uiiii schau, schon wieder ein Indian Summer”), Knurpselblätter unter den Rädern – dieses Nordkalifornien kann schon, wenn es will.

Bodega Bay. Anhalten. Vögel schauen. Und was essen. Frische Austern? Aber ja! Unbedingt. Man reiche mir ein halbes Dutzend. Und Clam Chowder auch noch. Yummie! Was scheren uns da die Mozzarella Sticks und Bagels im Picknickkorb (erstere waren bei der Rückkehr nur leicht verbogen, letztere einfach einen Tag älter)?

Weiter, ins Landesinnere, dem Lauf des Russian River folgend (das Blöde ist, seit der Umstellung auf Winterzeit ist es um 5:00 schon wieder dunkel und dann seggt ma hoit nix mehr – da muss man sich ranhalten als Tourist). Uiii, schau: Das erste Weinfeld. Yeah! Da, das zweite! Yeah! Da, noch eins! Yeah! Und noch eins, zwei, viele – jetzt sind wir wirklich mittendrin. Den Sonnenuntergang photographieren wir noch, und dann schauen wir mal, wo wir über Nacht bleiben. Leider gibt es kaum Weingüter mit “Accommodation” und die nächsten paar kleinen Städtchen waren immer gleich wieder zu Ende. Hmmm. Müssen wir uns Sorgen machen? “Als nächstes kommt Santa Rosa.” – “Das klingt gut, da finden wir was.”

Eben. Im “Hotel La Rose”, zentral am Railroad Square** gelegen, hat man Zimmer im Kutschenhaus zu vermieten. Paßt. Nehmen wir. “Wo, gute Frau, kann man denn hier Wein probieren?” “Ohhhh, so spät noch?” (Diese amerikanische Unsitte, um 6:00 zum Abendessen auszugehen und um 7:00 mit seiner Restebox nach Hause zu fahren gilt offensichtlich auch für’s “Wine Tasting”.) Doch Erica weiß Rat, ruft rasch bei D’Argenzio an und avisiert unseren Besuch. “Ihr müßt sofort los, die lassen für euch extra länger offen. Da sind eure Coupons, dann müßt ihr nix zahlen. Husch, husch. Das ist nicht weit. Gleich die Straße runter, höchstens 10 Minuten. Mit dem Auto.” Mit dem Auto? Zur Weinprobe? Was soll’s. Paßt schon.

Was bei D’Argenzio dann am Tresen hing, hatte offensichtlich den ganzen Tag fleißig mit den probierenden Touristen mitgehalten (und nichts ausgespuckt). Ein kleiner knubbeliger Mann, mit knubbeliger roter Nase, knubbeligen rosa Bäckchen, knubbeligem Bart und sehr verwaschener Aussprache: “Zisssiss our (Blick aufs Etikett) Rushushusssianrivver Pinnnnoir (und – des Vortrags über Note und Abgang offensichtlich schon sehr müde – jeden Wein beschreibend mit) … zisssiss a verrrygooodwine. PPuhuuhh!” (ob der Anstrengung erschöpft sich und uns nachschenkend). Acht Weine in unter 15 Minuten verkostet, das soll uns mal einer nachmachen. “Ihr übernachtet hier? Dann kommt doch morgen wieder, wenn ihr was kaufen wollt.” Knubbel war alle, die Energie fürs Verkaufsgespräce brachte er einfach nicht mehr auf. Auch gut. Dann gehen wir jetzt. Gemächer beziehen, frisch machen (und endlich mal den Pazifiksand aus den Schuhen und Socken schütteln), Dinner, und dann in Ruhe in einer netten Weinbar noch ein, zwei Gläser trinken. Sehr sehr sehr schön.

Sonntag: Wetter etc. siehe oben, der Himmel vielleicht sogar noch ein bißchen blauer, die Sonne noch wärmer, und auffällig viel Indian Summer. (Kann natürlich auch daran liegen, dass es weniger Nadel- und sehr viele Laubbäume gibt.) Auf dem Highway N° 12 (Highway = zweispurige Landstraße) durchs Sonoma Valley. Ein hübsches Gut am anderen, mal hier, mal da anhalten, das tausendste Photo von letzten Reben vor buntem Laub machen und dann ein Schild: hier geht es zum “Benziger”.

Benziger. Das klingt gut. So unamerikanisch. Das wollen wir sehen. Kaum sind wir auf der Nebenstraße wird alles einen Tick normaler, man sieht Fußgänger (vorwiegend Jugendliche mit Sonntag-und-mir-ist-langweilig-Flunsch), Bauern und Traktoren, es ist auch mal was vergammelt, verfallen oder rostig. Sehr sympathisch. Wir parken oben beim Benziger, machen die “Wine-Tour” mit und lernen: die aus der Schweiz stammende und sehr vermehrungsfreudige Familie Benziger hat ihr Geld mit Druckereien (die Chicago-Benzigers) sowie mit dem Import und Export von Schnaps (die Brooklyn-Benzigers) verdient. In der “dunklen Zeit” (damit meinen Amerikaner die Jahre 1919 bis 1933), also während der Prohibiton, druckten die einen katholische Pamphlete wider den Teufel Alkohol, die anderen belieferten die Flüsterkneipen und zogen irgendwann nach Kalifornien um. Ende der Siebziger kaufte man aus der Konkursmasse einer Hippie-Kommune (“They grew – Zwinker Zwinker – Medical Herbs here”) die Weinberge (mit bereits perfekt angelegten Terassen), besann sich auf die Schweizer Tradition und begann mit biologisch-dynamischen Anbau in der Tradition Rudolf Steiners. Das Gut wird heute noch einmal im Jahr vom deutschen Demeter-Gremium zertifiziert. (Dass es ein deutscher Kontrolleur ist hat allen den gewünschten heiligen Schrecken eingejagt. Q/A made in Germany: das muss gut sein.)  Keine Ahnung haben und dann auf Hippie-Kräuter und antroposophischen Weinbau stoßen – und das alles bloß, weil uns der Name so gut gefallen hat. Benziger. Noch einen Kaffee in Sonoma und dann auf den 101. Und in anderthalb Stunden wieder daheim. Schön ist das.

PS: Photos dauern noch ein bissele – das Bildbearbeitungsprogramm auf dem neuen Dell bedarf noch einer helfenden Hand.

* Psalm 104, 15

** Amerika war mal so ein stolzes Eisenbahnland – es ist dermaßen schade, dass das alles so verkommen ist (der Bahnhof in Santa Rosa ist zwar wunderbar renoviert und nun das Heim der Touristeninformation, nur leider, Züge fahren ihn nicht mehr an. Dafür bietet der kleine Park davor aber jeder Menge nunmehr zuglosen Hobos Asyl). Aus Christophs Archiv des Halbwissens stammt die Anekdote, General Motors habe in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Los Angeles Züge und die Gleis-Infrastruktur aufgekauft und plattgemacht, um den Absatz ihrer Automobile anzukurbeln. Hab’s nicht recherchiert, es würde mich aber nicht wundern, wenn es stimmte.