Böse Maschine!

Zur Strafe muss der Roboter 100 x das erste der drei Asimovschen Robotergesetze “Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird” in Wachstafeln kratzen.

Vorgestern Abend im Fernsehen – „Tatort – Murot und das 1000-jährige Reich“

Das ist, wenn der Nazi-Murot Oberst Rother (Ulrich Tukur) heißt und in einem winzigen hessischen Dorf mitten im 2. Weltkrieg mehrere Fälle gleichzeitig ermittelt. Es gibt arg viele Klischees, von der versteckten jüdischen Ärztin (Barbara Philipp) über die glühende Nazisse (Melanie Straub) und den “falsch verheirateten” untergetauchten Akademiker (Cornelius Obonya) bis zum überfanatischen adeligen Adjutantenleutnant (Ludwig Simon). Der Dorfschmied und Kriegsveteran hat seine Senfgasverletzungen erlitten, “weil der Wind sich gedreht hatte”, der sehr adelige schneidige Jungnazi (Marius Ahrendt) zeigt sich als bei der ersten Gelegenheit in einer geklauten Postleruniform flüchtender überlebender Feigling, der kümmerliche Postbeamte (Gerd Lohmeyer) als “auf der Flucht erschossener” stiller Held.

Die Handlung, wiewohl nicht unspannend, hat sehr viele Löcher. Aber um die geht es auch gar nicht, sondern viel mehr um die Frage, ob man einen Kriegsverbrecher immer noch vor Gericht stellen soll, wenn er längst alt und gebrechlich ist.

Die Antwort darauf ist ein sehr eindeutiges Ja und die Szene im Flugzeug gehört mit zum schönsten, was ich in Fiktionen aller Art zum Thema Vergangenheitsbewältigung je gesehen habe.

Nein, ich habe keine Empfehlung. Muss jede und jeder für sich rausfinden, ob dieser Tatort ihrs oder seins ist.

Nicht zu Ende gelesen: Uri Jitzchak Katz (Autor), Markus Lemke (Übersetzer) – “Aus dem Nichts kommt die Flut”

“Es handelt sich bei diesem Buch um ein megalomanes, riesenhaftes Kunstwerk … So etwas Kühnes und Abwegiges und Phänomenales … der absolute Roman!” schreibt Felix Stephan in seiner Rezension in der Süddeutschen Zeitung und, stimmt ja, ganz unrecht hat er nicht.

Es geht quasi um alles. Einen Autorenwettbewerb unter Prager Intellektuellen Anfang des letzten Jahrhunderts… ja, Kafka und Brod sind auch dabei und die seit Kafkas Tod laufende Diskussion, welche Bedeutung Brod zukommt, der das Testament des Freundes ignoriert und Kafkas nachgelassenes Werk nicht verbrennt, sondern veröffentlicht, und… wo war ich gleich?

So ist es in “Aus dem Nichts kommt die Flut”: man springt ständig über jedes aus dem Hölzchen gewordene Stöckchen, das einem der Autor hinhält. Die Welt in Flammen, Shoah, Überlebende, schon der hmmmpppfte Nachfolgeschreibwettbewerb, Zionismus, die UN-Resolution zur Gründung des Staates Israel, Kibuzzim, Leben in der Diaspora, mal flugs eingeschoben Science Fiction, in dem hybride Übermenschen den geringen Restbestand an restnormalen “Sapiens” ausmerzen wollen, dann wieder ein wilder Ritt durch die Literaturgeschichte, wofür er in Scheherazades Schleier schlüpft und die schon vielfach variierte Kurzgeschichte vom “Mann, dem das Gesicht in Grimm erstarrte” als Märchen aus tausendundeiner Nacht vorträgt, gleich gefolgt von einer Version einer böhmischen Groteske, für die der brave Soldat Schwejk Pate steht, quasi, wie Autor Katz eine seiner Figuren sagen läßt: “Es geht um eine futuristische Welt, oder zumindest eine Spiegelung der Zukunft … eher phantastisch als prophetisch und springt auch immer wieder vor und zurück in der Zeit. Ineinander verschachtelte Geschichten und sehr viele verschiedene Stilrichtungen – Komödie, Tragödie, Kriminalroman. Wie die Bibel in gewissem Sinn.”

Genau. Drunter machen wir es nicht. Die Bibel. Mit alles und scharf. (Damit spiele ich auf die bisher zwei Sexszenen an, die zum Fremdschämen geschrieben sind.)

Inzwischen bin ich – angemessen unterhalten und gefordert – im letzten Drittel angekommen, im Kapitel mit der Überschrift “Aus dem Nichts wird die Flut kommen”. Und genauso bricht der Text dann über den Leser herein. Flutartig. Haltlos. Wort- und Satzmassen. Kein hilfreich gliedernder Absatz. Nichts. Nur Sätze, Sätze, Sätze aneinandergereiht, übereinander wegspülend, Variationen und gänzlich Neues, schwere Wellenschläge, fast 50 Seiten lang. Ich habe nach dem dritten Versuch vorerst abgebrochen, weil ich mit mir nicht einig bin, ob mir hier überirdisch intelligente Psychophilosophie oder haltloses Geschwafel präsentiert werden.

Sollte ich mich dem eines Tages gewachsen sehen, melde ich mich wieder dazu und werde dann auch eine Meinung haben.

Relativ neu zum Strömen: “Slow Horses” (4. Staffel)

“Spook Street”, der 4. Band der Slough House-Reihe von Mick Herron war nicht der stärkste und die Verfilmung kann halt nicht mehr aus der Vorlage machen, als da ist. Deswegen zieht Junior-Fuck-up-Agent River Cartwright (Jack Lowden) einsam auf der Suche nach vergangenem Bösen durch die französische Provinz, während die Blätter treiben (und kriegt regelmäßig auf die Ohren oder Nase), während die Kollegen in London auch weder schönes Wetter haben noch sehr lebenserhaltende Erfahungen machen.

Immerhin sind wir biographisch einen Schritt weitergekommen.

Es ist Herbst und Abendsdaheimbleibzeit und besser als vieles ist auch diese Staffel allemal. Anschauen.

Fertiggeströmt: “Bad Monkey”

Wie schon nach der ersten Hälfte der Staffel vermutet (s. https://flockblog.de/?p=49925): diese Hiaasen-Verfilmung will nicht viel, außer zu unterhalten. Das macht sie und wird mit fortschreitender Handlung fortschreitend abstruser und schräger. Kann man gut ansehen.

Als besonderes Zuckerl möchte ich den äußert phantasievollen Vorspann erwähnen. Mir ist noch jedes Mal eine neue nette Gemeinheit aufgefallen…

Im Fernsehen: “Alma’s Not Normal” (2. und wahrscheinlich letzte Staffel*)

Also pass auf: Bolton, Greater Manchester, England-England. Oma war schon “regretting motherhood” als sie noch mit ihrer unehelichen Tochter schwanger war. Mommy ist denn auch lieblos großgezogen worden, zieht sich alles was an Drogen verfügbar ist rein, vor allem Billigzeug wie Crack und Smack, ist viel zu früh von einem sofort flüchtigen Hallodri schwanger und zieht ihr Kind in irgendwelchen verdreckten Löchern groß, bis sie in einem psychotischen Schub Feuer legt und in den Knast kommt. Das Kind kommt über ein paar Heim- und Pflegeelternaufenthalte doch zu Oma, die immer noch kein Kinderfan ist.

Alma also.

Ich-Erzählerin Alma dürfte Anfang 30 sein und kriegt ihr Leben nicht auf die Kette. Ihr Freund hat sie jüngst wegen einer jüngeren schlankeren Frau verlassen, sie hat keine richtige Ausbildung, lebt von irgendeiner Stütze, die sie nur dann weiterhin beziehen kann und darf, wenn sie sich ernsthaft um Arbeit bemüht. Das einzige, was ihr die Frau vom Amt anbietet, ist ein Job als “Sandwich Artist”. Hält sie, weil sie auch ein ausgesprochen loses Maul und ein sehr ausgesprägtes Gerechtigkeitsempfinden hat, nicht lange durch. Dann doch Escort, aber auch das geht nicht lange gut, wird aber immerhin viel besser bezahlt als Semmeln schmieren.

Klingt grausig?

Im Gegenteil, Sophie Willan, Autorin und Alma-Darstellerin nimmt uns mit in eine Serie, so komisch, so berührend, so zutiefst condition humaine, wie man es sich nur ausdenken kann, wenn man alles erlebt hat. So wie sie. Ich für meinen Teil hatte schon lange nicht mehr so viel Freude beim Fernsehen. Jede Nebenrolle top besetzt, die drei, eigentlich vier (BFF) weiblichen Hauptrollen so großartig, dass man vor jeder einzelnen ständig den Hut ziehen will.

Wer sich vor Gossenhumor nicht scheut, und sich großem Gefühl, Animalprint und starken Frauen gewachsen sieht, möge anschauen! Anschauen! Anschauen!

Am besten OmU. Keine Ahnung, wie sich das in Deutsche synchronisieren läßt, ohne sehr zu verlieren.

* Und das ist gut so. Nun ist es rund.

Eins nach dem anderen

Ich fürchte, der Mensch, der beim SZ-Magazin für Bildunterschriften zuständig ist, hat die Bücher der Autorin nicht in der richtigen Reihenfolge gelesen… Manno.

Schon ewig nicht mehr neu: “Downton Abbey”, die Serie

Befragt, ob sie sich denn je selbst “Downton Abbey” gesehen habe, antwortete Dame Maggie Smith (dortselbst zu sehen in der Rolle der Dowager Countess of Grantham) in dem von ihr perfektionierten Ton damenhaften Ekels, dass nein, sie die Produktion nicht gesehen habe. Man habe ihr zwar ein Box-Set überlassen, aber dafür werde die Zeit jetzt wohl langsam knapp. Well.

“Downton Abbey” spielt in einer Zeit zu Anfang des letzten Jahrhunderts, als man einen Begriff wie Rekonvaleszenz noch mit Brühe, Decken, Schonung und vor allem viel Zeit assoziierte und wenn schon nicht mit sehr viel Zeit, so doch mit Brühe, Decken, Schonung, hatte ich jüngst die Gelegenheit, beim Gesundwerden Dame Maggie Tribut zu zollen und große Teile des Box-Sets durchzubinschen.

Die Story – Untergang des britischen Empire, gespiegelt an den beiden Ebenen eines britischen Adelshaushaltes – setze ich als bekannt voraus. Besetzt mit der Crème der britischen Schauspielgilde, in historisch akkuratem Setting in Szene gesetzt. Alles sehr gelungen.

Nach 6 (in Worten: sechs) Staffeln bleiben folgende Fragen offen:

“Wie muss es in Downton zugehen, wenn die große Wäsche haben?” (Ja, ich zitiere den “Untertan”.) Dazu sollte man wissen, dass ununterbrochen Mahlzeiten zubereitet, serviert und gegessen werden. Es wird gestickt und geflickt, Silber poliert und Schuhmengen gewienert, dass es auf keine Kuhhaut geht (hihi). Auch werden Armladungen voll weißeralsweißen vorbildlich gemangelten Laken treppauf getragen (treppab sind sie zerkrumpelt), aber waschen tun sie in Downton nie.

    Wieviel Spaß müssen die Herrschaften im Writers Room gehabt haben, wenn sie Dialoge für Dame Maggie und ihre häufigste Gesprächspartnerin Penelope Wilton erfanden?

    Und last but not least: Wieviele Hektoliter Tee wurden in dieser Produktion zubereitet und konsumiert?

    Es ist ähnlich wie mit der Serie “The Crown”, für die ich auch mindestens eine Dekade zu spät war: man kann sich das gut ansehen, vor allem, wenn das Gehirn ziemlich wattig ist und kleine Schläfchen zwischendurch keinen Schaden anrichten. Bedeutet lediglich, dass man eine Intrige oder ganz schreckliche Ehrverletzung halt später mitbekommt. Oder gar nicht. So what.