Let it flow

Auch wenn es schwer vorzustellen ist, Donald Trump und ich hatten bis vorhin noch eine Gemeinsamkeit, nämlich den carotinoiden Teint – wobei bei mir nur noch der große Zeh von der hartnäckig haftenden OP-Jodtinktur befallen war, den Rest hatten die hilfreichen Schwestern im Krankenhaus in einer Art Hammam-Anwendung* bereits letzte Woche in orangenen Strömen vom linken Bein gewaschen. Erfolgreich genesend dusche ich längst wieder selbst und heute sind sich Scheuerhände und Schmutzfüße endlich ohne Beugeschmerz so nahe gekommen, dass der Zeh, wie der Rest, rosig hautfarben erstrahlt und der Möhrentonteint nunmehr wieder alleine dem amerikanischen Präsidenten gehört.

 

* “Sie brauchen gar nichts zu tun: setzen Sie sich nur ganz langsam und vorsichtig da auf den Duschhocker und lassen mich machen; na gut, reichen Sie mir noch Ihr Shampoo und Duschgel an, aber dann ist Schluß mit Aktionismus. Ich seife Sie ein, schrubbe, spüle und trockne Sie (mit vorher angewärmten Handtüchern!) ab und weil grad niemand sonst läutet, salbe ich die trockene Haut noch mit reichlich Lotionen und Ölen, bevor ich Sie und die Krücken in frische Gewänder gehüllt zu Ihrem Lotterlager zurückgeleite” – geh mir doch weg mit deiner lumpigen Eselsmilch, echt jetzt, Kleo!

Etappensieg

Ich habe seit gestern außer Oxies noch einen guten Grund, mich auf den Nachtschlaf zu freuen: Ich kann nämlich wieder Seitenlage! Noch nicht irrsinnig stabil und auch noch nicht für irrsinnig lange, aber immerhin!

Juchz! Juhu!

Traumzeit

Seit der Knie-OP ist der Frühe Vogel ein Scheißdreck gegen mich: ich wache immer pünktlich und ein wenig gestresst früh um 4:00 Uhr auf und bin dann für ein Stündchen hellwach. Eine rasche und gewiß nicht repräsentative Umfrage unter den anwesenden ebenfalls heilenden Tischgenossen ergab, dass das Phänomen allen vertraut ist, nur die Uhrzeit ist eine andere.

Einer hatte sich schon kundig gemacht und sprach von der sogenannten Traumazeit* – man solle, gerne auch mit Hilfe einer Psychoanalyse, ergründen, was einem irgendwann im Leben um diese Zeit Schreckliches wiederfahren sei und mit dem Wissen darum könne man darauf vertrauen, dass man sie hinfort verschlafe.

Ich denke, ich warte einfach darauf, dass sich das von selber wieder verwächst.

 

* Das Internet kennt den Begriff nicht, aber was weiß das Internet schon.

Lietterrattuuurkritick*

Der Suhrkamp-Schutzumschlag brüllt einen mit Föijetong-Lobhudelei an: “Die Welt liest Ferrante” steht da gleich neben dem Titel “Meine geniale Freundin” zu lesen und man möge sich doch sofort mit #ferrantefever** infizieren und seine Begeisterung mit in die Welt hinauszwitschern.

Wenn ich bloß wüßte, welche Begeisterung worüber. Ja, hübsch gemacht ist es, das Büchlein, lustiges Umschlagphoto, auf gutem Papier in ansprechendem Satz gedruckt, mit Lesebändchen und einem schmucken Lesezeichen, in dem noch einmal die dramtis personae aufgelistet sind. Aber sonst? Schlampig redigiert, für diesen Anspruch, bei dem schon ein Grammatik- oder Tippfehler zu viel sind, sind es viel zu viele; ich müßte mich sehr täuschen, wenn Unseld selig nicht ununterbrochen rotierte.

Mir geht’s wie mit Toni Erdmann: ich verstehe den Hype nicht und weiß nicht, warum und was mich an der Geschichte zweier heranwachsender Mädchen aus Neapel interessieren soll. Wäre ich nicht zeitreich und buchknapp im Krankenhaus gelegen, hätt’ ich “Meine geniale Freundin” nach dem ersten Drittel weggelegt. So hab ich bis zum Ende durchgehalten, die Mädels sind jetzt immerhin schon sechzehn, doch ich weiß eines mit Sicherheit: so krank kann ich gar nicht werden, dass ich die Bände 2 bis 4 noch lesen werde.

 

* Man möge sich die Überschrift von RR (für die Jüngeren: Marcel Reich-Ranicki, seines Zeichens Literaturpapst, Gott habe ihn selig) ausgeraunzt vorstellen.

** Die Autokorrektur schlägt hier das doch wesentlich sinnvollere “Gerätegeschwindigkeit” vor, übrigens auch mit Hashtag.

Fortschritt

Ich wohne im Dachgeschoss und wenn ich ausgehen will, dann empfiehlt es sich, spätestens bevor der empathisch-lahme Aufzug ankommt, schon immer noch mal zu prüfen, ob ich auch an alles gedacht habe: Geldbeutel, Zigaretten, Zimmerschlüssel, warmes Kühlpad (zum Tauschen), Krüppelnachweisleinenbeutel mit Messenger-Querriemen, gelber Krüppelpass vulgo Patientenausweis.

Hab ich alles. Trotzdem fehlt was. Und ich komm nicht drauf. Dem Aufzug enthumpelt eine Dame auf Krücken. Ah! Jetzt. Ja. Ich eile (echt jetzt) zu meinem Zimmer zurück und hole meine lila Laufhilfen. Jetzt bin ich komplett und kann meinen ersten Besuch empfangen.

Göttergeschenk (II)

Es trägt ja schon sehr zum Heilungsprozess bei, wenn der Mensch nicht immer wen zu fragen braucht und sein Bett alleine verlassen bzw. entern* kann und drum bin ich heute vor einer Woche mit a little Help from meiner Freundin Gerti, die mir von zu Hause meinen US-Leg-Lifter (s. https://flockblog.de/?p=22785) geholt hat, mit meiner Genesung ein ganzes Stück vorangekommen. Sehr weit voran, sogar, denn ich habe das Ding vorausschauend auch hier neben das Bett gestellt, bisher aber noch nicht wieder benutzt, weil das Bein schon wieder alleine einsteigt.

Nicht ganz schlecht für Tag 9 nach der OP.

 

* Wie sagt man das jetzt in gutem Deutsch? Ein Bett “betreten” geht ja wohl nicht und “sich hinlegen” ist wieder ganz was anderes. Hmmm?

Göttergeschenk (I)

Komisch fand ich ihn ja schon immer, diesen jiddischen Witz, wo sich Herrschel beim Rabbi beklagt, dass man vor lauter Kindern, Hühnern, Großeltern und unverheirateten Tanten gar keinen Platz in der kleinen Stube habe und der Rabbi darauf befiehlt, in eben diese Stube noch die Ziege zu nehmen. Nach einem Monat erlaubt er Herrschel, die Ziege wieder nach draußen in den Ziegenstall zu re-accommodatieren*  und fürderhin kann Herrschel seinen Gott gar nicht genug loben, für den Palast, den er ihm und den Seinen geschenkt hat.

So auch ich. Ein Einzelzimmer mit eigenem Bad fühlt sich nach einer Woche XS-Dreibettzimmer auch ohne Ziegenkur so dermaßen luxuriös an. Nicht mehr Teil der morgendlichen Duschgel- und Zahnbürstenpassion mit drei Anläufen zum Stationsbad sein. Allein schlafen und allein waschen, wann ich will.

(Die Motte scheint andere Ansprüche an Körperhygiene zu haben, in’s Bad mag sie schon mal nicht…)

 

* s.: https://twitter.com/i/moments/851541412944330752; der Begriff ist jetzt schon Favorit auf der amerikanischen “Unwort des Jahres”-Liste.

It’s always sunny in Bernau

Tja, ich fürchte, da müssen die Herren und Damen Medical Park ihre Broschüren noch einmal überarbeiten.

Chiemsee01

Andererseits: für Werktag langts. Hab heute schon mein Seebankerl gefunden und bin soviel rumgelaufen, dass ich vielleicht mal früher schlafen gehen sollte. In meinem Einzelzimmer, mit Blick auf die Kampenwand und einem Bett, dass sich elektronisch (!)  in alle Richtungen verstellen läßt.

Und nicht ein einziger Mitschläfer. Nur ich und eine sehr schweigsame Motte.

Sauer

Der Angelsachse hat keinen Muskelkater, wenn er am Tag 5 nach der OP wieder recht herumstrebert und viel rumhampelt, also das tut, was er “Walk the extra mile” nennt; er spricht dann vielmehr von “sore muscles”. Wobei “sore” nicht, wie man meinen könnte, für “sauer” steht, sondern für “wund”.

Und so fühle ich mich heute auch. Muskelwund. Das sollte dem reizenden Pfleger Cyprian (den Namen wollte ich mal geschrieben haben) doch eine Doppel-Oxy-Ration wert sein…

Mehr Netz!

In den Zeiten zwischen Traum und Tag, wenn der Frühe Vogel Lebensmittel besorgt, da versuche ich zu ergründen, warum. Warum nur kriegt es die Krankenhausleitung im Jahre 2017 nicht hin, ihr Haus mit W-Lan zu versorgen – oder wenigstens mit einem halbwegs anständigen Handy-Netz. Man sieht hier laufend verzweifelte Patienten, die mit langgestreckten Armen ein Netz, irgendein gottverdammtes Netz, Kruzitürken noch einmal, suchen – das ist doch für uns Krückenkrüppel gefährlich. Schon mal was von Unfallrisiko gehört? Menno.

Wollt ihr Zweit-Ops? Ist das als Physiotherapie-Ansatz zu verstehen? (Strecken ist gut. Mehr strecken ist besser?) Oder der letzte Versuch, des klinikeigenen Röhrenfernsehen-und-Telefonverleihs, in Zeiten von Smartphones, Tablets und Datenkarten in tragbaren Computern noch irgendwie ein bißchen Geld zu machen?

Sagt’s mir. Oder nein, sagt’s mir nicht. Gebt mir einfach W-Lan.