Ich war mir ziemlich sicher, dass frĂŒher, als ich noch im Silicon Valley lebte, mein Freundeskreis dort aus den dicken Damen vom Pool sowie Nerds und Geeks bestand. Hmmm. Offensichtlich steht es um mein Erinnerungsvermögen nicht zum besten, denn ich scheine auch andere Menschen kennengelernt und bei denen einen Eindruck hinterlassen zu haben, der die Aufnahme in ihre “Christmas list” rechtfertigt.
Wer es auf die Christmas list geschafft hat, ist Teil (und Ursache) des TBCS*-Gejammers und gegen Jahresende EmpfĂ€nger eines analogen, per Post versandten “Bragging Letters**”, der traditionell mit dem gestellten Weihnachtsfamilienphoto*** vor dem Kamin beginnt, eine mehr oder minder knappe Zusammenfassung der Höhepunkte des zurĂŒckliegenden Jahres im Leben des Autors (meist der Autorin) enthĂ€lt sowie – immer – eine ausfĂŒhrliche und reich bebilderte (curse you, smartphones) AufzĂ€hlung der achievements der Kids. Die Kleinen sind mindestens Erster Sieger beim Hockey oder LaCrosse (was sich dechiffrieren lĂ€Ăt als: Junior ist begabt (vielmehr begnadet) in den eher exotischen Sportarten – die Kinder gewöhnlicher Menschen spielen Soccer oder Baseball), stemmen stolz den Pokal fĂŒr The Most Beautiful Smile der Jahrgangsstufe oder gar der gesamten Schule (= in die LĂŒcken sind ZĂ€hne nachgewachsen) mit eben diesem vor die elterliche Linse oder eine SchĂ€rpe fĂŒr das ausgezeichnetste Art and Crafts-Projekt (= einer der Eltern – oder die Nanny – kann basteln). In den Sommerferien wurden die Blagen entweder mit einem oder mehreren der geradezu inflationĂ€r ausgegebenen Summercamp Awards ausgezeichnet und abgelichtet (= meine Eltern geben viel Geld aus, um mich im Sommer irgendwo sinnvoll zu unterzubringen und als Beleg dafĂŒr bringe ich StaubfĂ€nger mit nach Hause) oder sie posieren vor BaudenkmĂ€lern, vorzugsweise im Alten Europa oder im KostĂŒm mit Figuren aus Themenparks (“This is our Cinderalla with Disney’s – guess who’s the fairest?”).
NatĂŒrlich ĂŒbertreibe ich wieder schamlos und in Wirklichkeit sind das sehr nette Briefe von Menschen, die absent friends zeigen wollen, dass sie weiter einen Platz in ihrem Herzen haben. Was mein Lieblingsphoto dieses Jahr war? Ach, ein ganz schlichtes. Es zeigt die breit glitzerzahnspangig strahlende jĂŒngste Tochter meiner Palo Altaner Referenzbekannten*****, leicht vornĂŒbergebeugt vom Gewicht der vier (!) Reiterhofkokarden in klassischem Red-White-and Blue.
* TBCS: The Big Christmas Stress.
** Bragging letter: To brag bedeutet angeben, prahlen. Interessanterweise handelt es sich hier tatsÀchlich um den terminus technicus und ist auch keinem peinlich. Amerikaner halt.
*** Hund, Katze, Maus, Meerschwein, Vater, Mutter, Kind, philippinische Nanny, mexikanischer GĂ€rtner, Standford-Mathe-Tutor und alle**** mit SantamĂŒtzen und angestrengtem Vielzahllachen.
**** Gut erkannt, lieber Leser, das war gelogen. Bis einschlieĂlich Kind sind alle abgelichtet, danach natĂŒrlich keiner mehr.
***** Manche erinnern sich vielleicht noch an meine Palo Altaner Referenzamerikanerin, die mich viel ĂŒber die Erzieherung höherer Töchter aus dem amerikanischen SĂŒden und andere lokale Unarten gelehrt hat. Wenn nicht, sind hier ein paar Lektionen nach zulesen: https://flockblog.de/?p=17677, https://flockblog.de/?p=7379, https://flockblog.de/?p=26338, https://flockblog.de/?p=10561.