Honi soit

Was geht im Kopf eines Menschen vor, der im Supermarkt Schnäppchenkörbe voller Herrenunterhosen (wenn man dem Photo auf den Packungen glauben darf: sehr prall gefüllt) und  Nußknacker (“Extrastark – seit 100 Jahren”) Seit’ an Seit’ dekoriert?

Ein Eingriff-Fetisch? Misandrie*? Misogynie? Knackerhaß? Oder Ambivalenz, weil Männer das eh nie zu sehen bekommen, weil doch die lieben Gattinnen für den Einkauf von Mehrfachpacks an Unterbeinkleidern für unter dem Baum zuständig sind? Oder liegts gar im Auge der Betrachterin und ich sollte Besuche im Supermarkt in der Vorweihnachtszeit wie jedes Jahr auf ein absolut lebensnotwendiges Minimum beschränken?

Oder… Ich habs. Höchstwahrscheinlich das Wetter. Grau, bäh, feuchtkalt und schuld an der außerordentlichen Übellaune.

 

* Der Begriff “Misogynie” war mir ja schon öfter untergekommen. Den griechischen Fachbegriff für “Männerhaß” mußte ich dagegen nachschlagen.

Yo estudio Español

Will heißen, ich lerne derzeit im 2. Monat Spanisch.

Aber ich glaube, ich kann jetzt aufhören, denn heute habe ich den Satz gelernt, der mir ganz gewiß alle Türen öffnen, jedes Essen an den Tisch bringen und mir in jedem spanischsprachigen Land ganz viele Freunde einbringen wird:

Mí marido siempre lleve boina.

Ich meine, wer wird mir schon widerstehen können, wenn ich ihm ungefragt mitteile, dass meine Gatte immer eine Baskenmütze trägt?

Gender – oder was?

Vorrede: Isaac Asimov hat zu Zeiten eine Sammlung von Kurzgeschichten geschrieben, in dem ein Club alter Herren in Ledersesseln dem Gast des jeweiligen Abends als erstes die Frage stellt: “Und wie rechtfertigen Sie Ihre Existenz?” Fällt die Antwort zu ihrer Zufriedenheit aus, dann werfen sie ihre klugen Hirne und ihr Deduktionsvermögen an, um ein besonders kniffliges Problem des Gastes zu lösen (meist eine komplizierte Denksportaufgabe aus der Kriminalistik).

Warum erzähle ich das? Weil sich letzten Freitag der Rat für deutsche Rechtschreibung getroffen hat. Doch, doch, es gibt einen Zusammenhang. Dranbleiben. Dieser Rat ist die höchste Instanz, wenn es um die deutsche Sprache geht, darum, wie Grammatik korrekt zu verwenden sei und Begriffe definiert werden. Außerdem Rechtschreibreformen. Letzteres hätte einen schon mißtrauisch machen sollen, aber dieses Mal haben sich die Herrschaften zusammengesetzt, um eine Empfehlung für korrekte geschlechts- bzw. genderneutrale Schreibweisen zu geben. BInnen-I? Schrägstrich und sowohl männliche wie weibliche Form/in? Gender*sternchen? Beibehaltung des generischen Maskulinums? Oder ganz revolutionär anders?

Sie haben getagt. Häppchen gegesssen. Weiterdiskutiert. Dann war Kaffeepause. Schließlich ist weißer Rauch aufgestiegen und der Rat für deutsche Rechtschreibung hat per Pressekonferenz verkündigt, dass er nichts tun werde. Abwarten. Möglicherweise Tee trinken. Denn “Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts verläuft in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv”, sagt der Vorsitzende Josef Lange und soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen des Rats beeinflusst werden.

Doch. Genau dafür ist dieser Rat da. Um Empfehlungen auszusprechen und sprachliche und damit gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Der Berg hat gekreißt und gekreißt und eine tote Maus geboren. Hrrrgn!

Damit komme ich auf meine Einleitung zurück und erwarte von den 41 Räten und Rätinnen eine Antwort auf die Asimov’sche Frage. Kann die Spannung kaum aushalten.

 

Übrigens: Falls wer einen klugen Artikel zum Einfluß der Sprache auf das Denken von Menschen lesen mag; hier: https://bit.ly/2QV2jno

Metropoltheater: The Black Rider

Vor inzwischen 20 Jahren (Kinder, wie die Zeit vergeht, wenn man Spaß hat!) eröffnete das Metropoltheater draußen in Freimann seine erste Spielzeit mit dem Black Rider und jetzt geht das Stück in diesem Haus in seine letzte Staffel. Sagen sie. So ein Quatsch! Solange sich die wunderbare Viola von der Burg und die nicht minder großartigen Herren Christian Baumann und Andreas Thiele noch irgendwie auf den Beinen halten und den Text merken können, sollen sie das bitte einfach weitermachen. Ja? Dann ist gut. Danke.

Eine ausführlichere Kritik hatte ich bei meinem ersten Besuch geschrieben (wen’s interessiert: https://flockblog.de/?p=28800) und die Inszenierung ist nach wie vor ein Höhepunkt im Münchner Theaterschaffen und hat trotz (oder wegen?) der langen Spieldauer kein bißchen von ihrem Zauber verloren. Dem Vernehmen nach sind für manche Vorstellungen noch Einzelkarten zu haben, wer kann, versuche eine zu bekommen; er/sie wird einen ganz tollen Abend erleben. Zum Reinschmecken hier der Trailer: https://bit.ly/2FsB6XO

Abschließend muß ich die Frage der Dame zitieren, die in der Pause nach draußen trat, ziemlich fassungslos in den Himmel über Freimann und den von dort rieselnden Schnee blickte und soforrt von der Welt im allgemeinen und ihrer Begleitung im besonderen in schwer beleidigtem Unterton wissen wollte: “War das angesagt?”

Hmmm. Mußten wir doch soforrt die Folgefragen diskutieren: Was, wenn nicht? Stopft sie den Schnee dann in die Wolken zurück? Oder wer anders? Und in wessen Zuständigkeit fällt dergleichen? Es ist wie immer: der Vorhang zu, und alle Fragen offen.

Gelesen: Wolf Haas “Junger Mann”

Wow! Haas ist und bleibt ein Guter. Ach was, ein sehr sehr Guter. Die Geschichte ist eigentlich vollkommen unspektakulär und beschreibt nur die körperliche und geistige Entwicklung eines dreizehnjährigen übergewichtigen Internatsschülers im Verlaufe seiner Sommerferien aus dessen Sicht. Aber wie Haas das macht, ist ganz große Kunst. Manche Sätze möchte man nach mehrmaligem Wiederlesen auswendig lernen, einfach, auf dass man sie sich aneigne und dann besitze.

Ich erzähle jetzt weder, dass viele Kritiker viel autobiographisches hinein- bzw. herausgelesen haben, noch will ich eine detaillierte Inhaltsangabe machen – die würde das Leseerlebnis nur verwässern. Also bitte nicht mit dieser Rezension aufhalten, sondern:

Lesen! Lesen! Lesen! Lesen!

Aus dem Vokabelheft

In seinem Kommentar zum Kampf um die Merkelnachfolge als CDU-Vorsitzende, nennt Heribert Prantl Jens Spahn einen “Springginkel”. So ein schönes Wort, da hat man doch gleich ein Bild im Kopf. Umso schöner, wenn das Fränkische Wörterbuch die Korrektheit der Imagination bestätigt:

Springginkel

Rage against the machine

Was wir Deutschen in gepflegtem Denglish “Jogginghose” nennen, sind in echtem Englisch “sweat pants”, kurz “sweats”, und eine große Herausforderung für eine übersetzende Maschine:

EN: “Sweats”
DE: “Schweißausbrüche”

Auf Winnetour

Winnetour

War ja auch höchste Zeit, dass nach dem Wirt (this one’s for you, Gabriele) der Häuptling singt.

Auf’s Maul g’schaut (zum Jugendwort des Jahres 2018)

Ich weiß nicht, wo die Herren und Damen Langenscheidt zur Jugendsprache forschen, meiner Meinung nach eignet sich wenig besser, als im Umfeld des ÖPNV die Ohren zu spitzen (überbesetzte Vierersitze in Bus und Bahn sowie Haltestellen, vorzugsweise für Busse). Schneller und unaufwendiger lassen sich Erkenntnisse zu Sprache, angesagtem Bekleidungsstil und allgemeiner Stimmungslage der heutigen Jugend nicht gewinnen.

Das diesjährige Gewinnerwort “Ehrenmann/Ehrenfrau” ist mir dabei noch nie untergekommen, was daran liegen mag, dass die urban-süddeutsche Jugend mit Komplimenten zurückhaltend ist und stattdessen eher kritikfreudig; “Spacko” hört man ziemlich häufig… “Sheeeesh” hat offensichtlich ewig für die Überquerung des Atlantik gebraucht (danke, Netflix), auch der “Lauch” ist schon alt, so alt, dass er inzwischen in der Umgangssprache selbst Nichtjugendlicher angekommen ist, zu küssende Körperteile treten (zumindest bei Kontrollgruppen im Westend) recht mannigfach auf (Augen, Brauen, Mund, Scheitel), allerdings bleibt das Knie an sich und ein etwas rüderer Umgang mit demselben ungeschlagener Favorit.

Allein “lindnern” scheint einen Bedeutungswandel erfahren zu haben: Als der Begriff letztes Jahr um diese Zeit durch die Presse geisterte, da hatte der FDP-Vorsitzende die Jamaika-Sondierungen abgebrochen und “lindnern” stand für kurz vor knapp den Schwanz einziehen. Die aktuelle Definition (s. Auswahlliste ganz weit unten) sagt denn auch mehr über den Auswählenden aus als ihm wahrscheinlich lieb ist.

Zusammenfassend (neulich im Bus einer weiblichen Referenzperson (15) abgehört): “… und ich so: ey chill, Alter”.

1. verbuggt (voller Fehler, falsch gestrickt, Beispiel: Du bist so verbuggt, du nervst!)
2. glucose-haltig (süß)
3. Ehrenmann/Ehrenfrau (Gentleman, Lady, jemand, der etwas Besonderes für dich tut)
4. Lauch (Trottel)
5. Auf dein Nacken! (Du zahlst!)
6. AF, as fuck (Betonung, wie besonders etwas ist, Beispiel: Die neue Staffel ist sick as fuck!)
7. sheeeesh (Wirklich? Echt jetzt? Nicht dein Ernst?!)
8. Ich küss dein Auge (Ich hab dich gern oder ein sehr starkes Danke)
9. Snackosaurus (verfressener Mensch)
10. lindnern (lieber etwas gar nicht machen, als etwas schlecht machen)

Villa Stuck, Ausstellung: Thomas Hirschhorn »Never Give Up The Spot«

Gleich am Eingang erklärt ein reizender junger Mann Besuchern das Projekt. Man wolle Kunst wieder (?) für alle zugänglich machen, auch für die, die sonst eher nicht ins Museum gehen. Deshalb verlange man auch keine Eintrittsgeld. Und irgendwie stecke doch das Verlangen, sich auszudrücken, in einem/einer jeden (–> s. a. Beuys, Josef: “Jeder Mensch ist ein Künstler”) und dem wolle man hier Raum geben. Deswegen sei jede/r eingeladen, kaputtzumachen, hinzuzufügen, wegzunehmen, zu ändern, zu malern, nageln, kleben*, schreiben, musizieren, egal… halt zu machen. Oder auch nicht. Oder so. Damit entläßt er uns in einen wilden Verhau von Balken, Pappdeckeln, Farben, Styropor, Zeugs, Kruscht, Krempel, Klebeband und mehr Klebeband und da stehen wir nun.

Aha.

Das Gerümpel zieht sich über zwei Etagen in der Stuck-Villa und scheint schon viele Menschen dazu inspiriert zu haben, auch was zu kleben, zu sprühen, zu zeichnen, Sprüche aufzuschreiben, Bücher zu verkleben, Styropor zu zersägen, mit Zeugs rumzubatzeln, irgendwas aufzuhängen oder einfach fallen zu lassen. So sah es weiland im Tacheles in Berlin kurz vor dem Abriß aus, als die Künstler das Haus längst wieder verlassen (und sich nicht mit Aufräumen aufgehalten) hatten.

Intellektuell ist durchaus nachvollziehbar, wo Hirschhorn hin will, praktisch stehe ich aber einfach im Dreck und es riecht nicht gut. Vielleicht wäre die ganze Angelegenheit in einem abbruchreifen Industriebau besser aufgehoben gewesen, hier in der großbürgerlichen Villa kann ich mit diesem Konzept nicht viel anfangen. Möglicherweise sollte man sich als Begleitung ein Kind mit noch formbaren Sehgewohnheiten ausleihen, wenn es gerne bastelt, wäre das wünschenswert, aber kein Muß.

Falls wer hingeht, würde mich gerne über seinen/ihren Eindruck unterhalten.

 

* Der Künstler muß günstig an größere Chargen Paketklebeband gekommen sein. Alles, alles, alles, Sofas, Treppengeländer, Decken, Leinwände, alles, alles, alles ist verklebter und eingepackter, als Christo und Jeanne-Claude es je gewagt hätten. Von überall her fingern Klebebandkaskaden an Haaren und Mantel, am Boden warten dicke Wickelnester aus Klebeband auf einen arglos hineintretenden Fuß (der ist dann weg), an Wänden, Fensterrahmen, Kronleuchtern klebt es und ich kann mir noch so sehr das Hirn zermartern: der Sinn will sich mir einfach nicht erschließen. Wahrscheinlich ist das infektuös und bei mir auch schon was verklebt.