Neu auf Netflix: “Wednesday”, 2. Staffel, 1. Hälfte

Ja! Jetzt isses richtig! Standen in der ersten Staffel noch diese albernen US-amerikanischen Highschoolkindereien im Vordergrund (s. https://flockblog.de/?p=47394), ist diese zweite jetzt endlich so nachtschwarz, wie es der strengbezopften Wednesday von der Addams-Family (Jenna Ortega, die helle Freude) gebĂĽhrt. Man sieht auch sehr viel deutlicher die Handschrift des Meisters Tim Burton (hat diese ersten vier Folgen inszeniert) und es ist durchaus zuträglich, dass der neue Direktor des “Outcast”-Internats “Nevermore” vom hochverehrten Steve Buscemi gespielt wird, der sichtlich sehr viel Freude an diesem miesen schmierigen Charakter hat.

Frech genug, dass die Streamer sich dieses Mal ausgedacht haben, die Ausstrahlung nach der ersten Hälfte fĂĽr einen Monat zu unterbrechen und diese dann auch noch mit einem Cliffhanger zu beenden… aber sei’s drum. Wie sagt Wednesday so treffend: “I find social media to be a soul-sucking void of meaningless affirmation.” So auch Netflix, ätsch.

Aus dem Vokabelheft

“Bewusste Ernährung” steht in diesem Supermarkt offensichtlich als Synonym fĂĽr “Alles, worum ich schon in Amerika einen sehr groĂźen Bogen gemacht habe”. So ne Dinge wie SprĂĽhkäse, Schokosirups (-sirĂĽppe?) und SteaksoĂźen mit je 123% Zuckeranteil, vollkommen ĂĽberwĂĽrzte Fettchips und vieles mehr…

Danke fĂĽr das FundstĂĽck an Frau S. jun aus D.

Gelesen: Christa Wolf – “Erzählungen 1960 – 1980”

Christa Wolf zählt zu den berĂĽhmtesten deutschen Schriftstellerin, aber manche dieser Geschichten sind inzwischen aus der Zeit gefallen und in einer Sprache geschrieben, die ich nicht verstehen kann. Wenn DDR-spezifische Situationen behandelt werden, lese ich mit der Faszination, mit der man bei schlimmen Unfällen oder zu Matsch gefahrenen Tieren nicht wegsehen kann, aber ich verstehe nicht. Ich weiĂź nichts von diesem Leben auf der anderen Seite der Mauer (und es reicht auch nicht, dass ich es durch den dicken Wälzer von Christoph Hein geschafft habe; s. https://flockblog.de/?p=51194). Ja, jedes Sentiment, sei es Eifersucht, Leidenschaft, Angst, Kummer, also jedes GefĂĽhl, das sie so grĂĽndlich sezieren kann, kommt bei mir an. Aber wenn Pionier oder Brigadier A irgendwas pioniert oder brigadiert, welches auf drei geschickten Umwegen Pionier oder Brigadier B nĂĽtzt (oder schadet) – ich verstehe es nicht.

Ich möchte drei Erzählungen aus diesem Sammelband herausgreifen:

  1. Till Eulenspiegel, gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard geschrieben, 1972 veröffentlicht. Eine “Filmerzählung”. Daniel Kehlmanns “Tyll” kennend, möchte ich wetten, dass dieser sehr kĂĽhne Wolf’sche Wurf zu seiner Materialsammlung gehörte. Unbedingt lesen!
  2. Moskauer Novelle. Ihr DebĂĽt aus dem Jahr 1961, dem sie in späteren Jahren selbst sehr kritisch gegenĂĽber stand. Eine Art Liebesgeschichte zwischen einem ehemaligen Besatzer, einem Angehörigen der Roten Armee und einer in Hitlerdeutschland aufgewachsenen und parteihörigen jungen Frau, die sich im Rahmen einer Studienreise in die Sowjetunion zum groĂźen sozialistischen Bruder und Vorbild wiederbegegnen. Die Liebe findet nicht nur zwischen diesen beiden Menschen statt, sondern auch in der naiven Begeisterung und Leidenschaft fĂĽr den “Neuen Menschen”, den die reine marxistisch-leninistische Lehre gezeugt hat. DĂĽrfte stark autobiographisch geprägt sein. Wurde in der DDR gefeiert, fand zunächst im Westen keinen Verleger.
  3. Unter den Linden, 1969 entstanden und 1974 publizierte “Traum-Erzählung”. Ich habe es versucht. Drei Anläufe. Aber diese Geschichte, eine ihrer berĂĽhmtesten, und ich, wir kommen nicht zusammen. Keine BerĂĽhrungspunkte.

Ich glaube, man sollte sich mit Wolfs Werk befassen. Habe aber das GefĂĽhl, dass es sich ĂĽberlebt hat. Wer kennt denn heute noch den Kontext? Wer viel Zeit hat und mag, kann mein Exemplar haben.

Wohl doch aus der Zeit gefallen, wie ich vorhin schon sagte.

Feiertag

Oder, wie wir das in der Rentnerei nennen: Ein Tag, an dem die Geschäfte zu sind. Zum GlĂĽck ist das bei mir wie beim ElfmeterschieĂźen – es gibt gute Menschen, die mich rechtzeitig erinnern…

Wiedergelesen: Becky Chambers – “To be taught if fortunate”

Das Büchlein ist ein Denkanreger. Warum überhaupt Raumfahrt? Was wollen wir da draußen? Erobern? Handeln? Lernen? Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kurt Waldheim* hat den Ansatz der Menschheit von einem ausgezeichneten Redenschreiber seinerzeit für die Goldene Schallplatte der Voyager-Mission so formulieren lassen:

“As the Secretary General of the United Nations, an organization of the 147 member states who represent almost all of the human inhabitants of the planet Earth, I send greetings on behalf of the people of our planet. We step out of our solar system into the universe seeking only peace and friendship, to teach if we are called upon, to be taught if we are fortunate. We know full well that our planet and all its inhabitants are but a small part of this immense universe that surrounds us and it is with humility and hope that we take this step.”
[Als Generalsekretär der Vereinten Nationen – einer Gemeinschaft von 147 Mitgliedsstaaten, die nahezu alle Menschen unseres Heimatplaneten repräsentieren – sende ich Grüße im Namen der Völker der Erde. Wir treten aus unserem Sonnensystem hinaus ins Universum, mit dem Wunsch nach Frieden und Freundschaft – bereit zu lehren, wenn man uns darum bittet, und dankbar zu lernen, wenn uns dieses Glück zuteil wird. Wir wissen, dass unser Planet und all seine Bewohner nur ein winziger Teil dieses gewaltigen, uns umschließenden Kosmos sind, und so gehen wir diesen Schritt in Demut und mit Hoffnung im Herzen.]

Das kleine Buch lohnt zu lesen und reicht gerade gut fĂĽr einen Tag am See.

* Ganz genau, das war der, bei dem nur das Pferd Mitglied der SA-Reiterstaffel war, er selbst hingegen nur des Sports wegen dabei. Ach Mann, ey. Fragt Oma.

Eine Dekade

Im Verlauf von 10 Jahren kann man…

  • Troja so lange belagern, bis einer auf die Idee mit dem Pferd kommt.
  • Ganz Gallien besetzen. Fast.
  • Zum Kaffeeklatsch bei Kublai Khan reisen.
  • Einen Suezkanal bauen.
  • Eine Mondlandung planen (Apollo 11).
  • Ein neues Leben in MĂĽnchen einrichten. Nebenher ein Start-up-Unternehmen mit aufbauen und leider auch abwickeln und bei der Sanierung eines Unternehmens im HunsrĂĽck mithelfen.
    AnschlieĂźend in Rente gehen.

Es ist kaum zu glauben, aber morgen Abend um diese Zeit bin ich seit einer Dekade schon wieder zurĂĽck in Deutschland. Ja, dann schau ma moi, wia’s weidageht.

Geschafft!

Whirr-sirrender Flügelschlag, der Klang von Krallen auf dem metallenen Balkongeländer und mehrstimmiges Guruh, guruh, guruh und das Schöne ist: es geht mich nichts mehr an. Die Tauben-Scoute, die eine Zeit lang versucht haben, bei mir auf dem Balkon eine Wohnstatt zu finden, haben sich nebenan eingenistet. Wenn sie jetzt fliegen und Guruh machen und laut nach Futter brüllen, dann drüben. Hah!

Ob ich diesen Erfolg wohl als “Achievement” beim Rentnerei-Zielerreichungsgespräch anbringen kann?

Sommer in der Stadt

Hach! München ist einfach eine Sommer-Sonne-Draußen-Stadt. Und ganz besonders schön, wenn alle sonst Anwesenden in ihren föderalen August-Sommer-Ferien bei der Ernte helfen. Hach!

Ganz besonders extra schön: von der 21er-Tram im mittelspäten Nachmittagslicht vom Sendlinger Tor aus nach Haidhausen schuckeln lassen, dabei gütigen Blicks dem Treiben im Glockenbachviertel zuschauen (das huldvoll-royale Winken habe ich unterlassen, hätte aber gepasst) und dann nach einer ohnehin schon sehr guten Mahlzeit (Hach!) den/die/das bisher beste Künefe meines Lebens geschlemmt. Vielfach-Hach! Und dann immer noch in T-Shirt, Flatterhosen und Sandalen ohne Gänsehaut wieder nach Hause.

Wenn die liebe Sonne morgen auch meinen See wieder auf Schwimmtemperatur aufgeheizt hat, will ich’s ganz und gar zufrieden sein.