Begehung

Der Fachmann für Arbeitssicherheit moniert, dass “Eis und Beutel für abgeschnittene Gliedmaße” fehlen (der Plural ist von ihm, nicht von mir).

Das lasse ich jetzt mal ohne weiteren Kommentar so stehen.

Zwielicht

Ich bin ja auch im Juni nach diesen endlosen Telefonkonferenzdienstagen manchmal recht spät heimgekommen. Aber da wars dann trotzdem noch hell genug, um noch ein Stündchen auf dem Balkon zu lesen.

Das hätte ich jetzt bitte gerne verlängert.

Gelesen: Arne Dahl – “Vier durch Vier”

So kurz vor der letzten Jahrhundertwende, als Arne Dahl noch neu war, habe ich seine Krimis eigentlich immer sehr gemocht. Spannend, realistisch, die Figuren sich weiterentwickelnd. Sollten die Übersetzungen schlecht gewesen sein, ist mir das vor über zwanzig Jahren nicht aufgefallen. Und als mir jetzt auf dem Remittendenstapel mal wieder ein Dahl günstg zulief, habe ich ihn als Ferienlektüre mitgenommen. Zwar mag ich inzwischen Krimis nicht mehr so gerne, besonders wenn grausam-blutige, insbesondere Gewalt gegen Frauen, in episch-genüßlicher Breite eine Handlung vortäuschen. Aber hej, es ist ein Dahl für 3,99.

Ich hätte den Klappentext lesen sollen… Thema sind Zwangsprostituierte aus Ost-Europa und der brutale Umgang mit der “Ware”. Wobei es dann so war, dass mir nicht nur die Inhalte, sondern auch die Sprache die Nackenhaare aufgestellt haben. Ich habe ernsthaft erwogen, zügig Schwedisch zu lernen, um herauszufinden, ob Dahl es nicht (mehr) kann oder Wibke Kuhn sich nicht die Mühe gemacht hat, die Übersetzung einer mangelhaft trainierten KI wenigstens einmal Korrektur zu lesen.

In der deutschen Übersetzung klingt das Buch wie eine Zeitbombe. Es tickt ständig. Mal ist es die Zeit selbst, mal eine Digitaluhr, mal Minuten, und wenn sie es tun, dann gnadenlos, grausam, dumpf oder hartnäckig. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit, genausowenig wie die der Blicke, die vorkommen. Die sind mal blau, mal schwarz – dann kommt der Blickinhaber von der Schwarzmeerküste und der Wahnsinn hat doch eine gewissen Logik – mal steinern, mal klinisch (Empfangsdame) und können im Bedarfsfall abgelegt werden. Das ist aber lange nicht alles, was Blicke in diesem Buch können, nein, weit gefehlt. Sie können beispielsweise auch ein Telefon festnageln.

Soweit zu den Sehorganen. Nun zum Rest menschlicher Anatomie. Wenn sich eines der Opfer wehrt, dann mit Nägeln und Klauen. Wenn die Heldin Auto fährt, ist man unwillkürlich erleichtert, nicht auf derselben Strecke unterwegs zu sein: Ihr Kopf war ganz leer. Und gleichzeitig eigenartig offen. Ihr Hirn schien sich zu weiten, als wäre es geschwollen. Sie bremste, blieb kurz sitzen. Parkte auch ihr Gehirn. Dann wirds richtig schlimm: Gedanken, die nicht die Form von Worten hatten, die im Grunde nicht einmal richtige Bilder waren, sondern nur starke, wilde Gefühle fraßen sich in sie hinein. Man möchte wirklich einen autofreien Tag einlegen oder mindestens in die andere Richtung fahren. Vor allem, als der Scheinwerfer sein Licht in ihre Augen wirft und ihr wird, als wäre sie tief im heißen Badewasser ihrer Erinnerungen versunken. Logo. Scheinwerfer werfen, das ist ihr Job und wer hat nicht schon mal statt Lavendel Erinnerungen als Badezusatz verwendet? Als sie dann endlich am Ziel ankommt, wird es nicht besser. Ein schiefes verwittertes Schild warnte vor einem Hund. Sie stieg aus dem Auto und lauschte nach einem ebensolchen Kläffer. Ebensolch? Warum dieser Begriff? Warum hier? Wer erklärt mir das, bitte?

Inzwischen ist Handlung geschehen und der Held liegt geschlagen am Boden. Er mußte jetzt alle Fragen fallen lassen. Wacht aber auf doch auf, als er was hört. Eine gefallene Frage, vielleicht? Nein, der Ton kam aus seinem Inneren. Aus der anderen Innentasche. Puah. Ich dachte ja Verdauungsprobleme. Aber warte, ein paar Zeilen weiter, ist hier nicht eine Bombe? Er hoffte innigst, dass seine Innereien nicht gleich den Weg nach oben mit graffitiartigen Spritzern überziehen würden. Die Angst war wie Lava in einem unendlich engen Raum. (Frage an die Physik: kann Enge unendlich sein?) Glück gehabt, nur ein Attrappe. Er kommt heil raus und war in die Frische des Sonntagmorgens gehüllt. Da verdient man sich schon einmal eine Auszeit und wo sinniger, als auf dem ausgesessenen Sofa vor dem Kamin. Er massierte sich energisch das Kinn, als wolle er die Informationsflut besser verteilen. Klar, so geht das. Machen doch alle so. Kinnmassage fördert das Denkvermögen. Aber, no rest for the wicked, es knarzt die Tür. Und wie knarzt die Tür? Angestrengt, natürlich, wie Türen das eben tun. Und dann starrte er der nackten Trauer in den Rachen.

Auch Flora und Fauna werden nicht verschont. Auf Seite 342 : Der undeutliche schwarze Umriß eines Vogels segelte durch den Regen. Segelte. Als ob er etwas von ihm wollte. Auf Seite 353: Alles, was er sah, waren Bäume. Bis der undeutliche schwarze Umriß eines Vogels durch den Regen segelte. Als ob er etwas von ihm wollte. Zehn Seiten auseinander. Das muss einem doch auffallen. Irgendwann. Beim Gegenlesen. Beim Lektorieren. Beim Übersetzen. Da sollte doch nicht die Leserin für herhalten müssen. Andererseits, wenn in der Dunkelheit die Finsternis an seiner Seite ist… dann ist alles möglich. Auch dass die Natur ihn peitschte, kniff, schlug.

Aber wir habens schon fast überstanden. Die Bösen sind entlarvt, das Kind gerettet, die Nutten Kollateralschäden. Es ist vorbei.

Wieder schwiegen sie eine geraume Weile. Waren sozusagen gemeinsam still. Das wäre mal ein guter Ansatz gewesen. Für Autor und Übersetzerin.

Nicht lesen.

Alles, was kursiv gedruckt ist, sind wörtliche Zitate. Ich hebe das Buch auf, falls wer zweifelt.

Nur für Boomer

In der nicht einmal 20 Jahre dauernden Blütezeit der DVD habe ich circa drei gute Umzugskartons voll in meinen Besitz genommen. (Das weiß ich so genau, weil ich sie transatlantisch hin- und her gepackt und transportiert habe.) Und wenn ich mal des Lesens müde und des Streamens unlustig bin, dann suche ich mir was Schönes aus meiner Sammlung, lege die Silberscheibe in meinen DVD-Player (vergeßt es einfach sofort, Kinder; fällt in die Kategorie Faxgerät) und schau mir einen schönen Film oder eine Serie an.

Die Älteren, gegebenenfalls auch phantasiebegabte Nachgeborene können sich jetzt vielleicht vorstellen, wie ich mich gestern Abend gefühlt habe, als die letzte, alles erklärende und alle Handlungsstränge zusammenführende Folge der letzten Staffel einer Krimiserie nicht aufzufinden war. Nicht an ihrem Platz in der Hülle des Box-Sets von insgesamt 38 Folgen, nicht irgendwo drunter oder sonstwo falsch eingeordnet, sondern nur weg. Weg! Einfach nicht mehr da.

Ich habe dann getan, was ich immer tue, wenn die Technik versagt. Habe das Ding Ding sein lassen, ihm die Chance gegeben, sich selbst zu reparieren bzw. in diesem Falle zur seinen DVD-Brüdern und -Schwestern zurückzukehren und bin ungeschaut und unaufgeklärt ins Bett gegangen (und habe, nachdem ich rasch ein Recap durchgelesen hatte, ruhig und entspannt geschlafen).

Die Beste-Methode-von-allen hat sich bewährt. Heute früh lag die DVD unter dem Sofa. Ganz unschuldig, als wäre sie nie woanders gewesen. Dann werde ich wohl heute Abend ausführlich gezeigt bekommen, was ich schon läängst weiß.

Andere Länder, andere Feiertage

Wo bei uns in Bayern Mariens Himmelfahrt gefeiert wird (endlich mal wieder an einem Wochentag, wie ich als werktätige Bevölkerung wohlwollend feststelle), begehen die Inder ihren Independence Day. Auch recht. Hauptsache ein freier Tag!

Optimierungspotenzial

Da sagt mir gestern meine Kusine, noch dazu eine Kusine aus dem Rheinland, dass ihre Nürnberger Kollegen entweder arg unzuverlässig sind, weil sie ihr nicht Bescheid gesagt haben, was sie gar nicht glauben kann, oder dass Mariae Himmelfahrt gar nicht in allen Teilen Bayerns Feiertag ist. Weil ich das nun wieder gar nicht glauben kann, denk’ ich mir, “das google ich einfach kurz” und dann wissen wir es beide.

Tun wir nun. Die Franken nämlich sind außen vor. Nix Feiertag. Und das in ein- und demselben Bundesland. Es gibt nur ein weiteres Bundesland, in dem der Feiertag und zwar landesweit gilt. Es ist… na? na? … ausgerechnet das Saarland. In Bayern feiert man nur in Orten mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Festlegen tut den Wert nicht etwa die Kirche, sondern das Statistische Landesamt, wahrscheinlich, weil dessen Zahlen glaubhafter sind.

Herr Dr. Ministerpräsident: Fällt der Schutz der fränkischen Minderheit nicht in Ihr Ressort? Bloß, weil deren Altvorderen mal dem Luther nachgelaufen sind, darf man die Nachkommen doch heute nicht mehr strafen, oder? Ist Ihnen wurscht? Klar, verstehe ich. Wer der härteste Corona-Hund war und beinahe Kanzler geworden wäre und sich jetzt um das Fracking in Niedersachsen kümmern muss, weil im eigenen Bundesland die Gewinnung erneuerbarer Energien die Landschaft verschandeln täte, der kann sich mit solchen Marginalitäten nicht befassen.

Mach so weiter, Maggus. Bald sind Wahlen.

Nachtkritik: Derniere von “Ratatata” im Lustspielhaus

Es ist ja nicht so, dass ich das Stück nicht schon gesehen hätte. Ahaber, das war seinerzeit eine Es-geht-wieder-was-im-Theater-Freilichtaufführung (s. https://flockblog.de/?p=45452 und https://flockblog.de/?p=45468) und die Stimmung im Publikum war ganz anders. Begeistert, dass überhaupt. Dankbar. Freudig. Die wollten mitgehen, damals, vor knapp einem Jahr.

Heute im Lustspielhaus waren sie schon wieder etablierter, mit dem Anspruch, unterhalten zu werden. Nicht, dass das Spektakel nicht gefallen hätte. Nicht, dass es nicht Szenenapplaus und Lacher gegeben hätte. Aber das Freudige, das hat schon arg gefehlt.

Dabei waren die Dame und Herren Schauspieler so gut wie immer. Das Stück da, wo’s passte aktualisiert, die Einsätze genau, die unglaublich schnellen Kostüm- und Rollenwechsel präzise. Es wäre möglicherweise hilfreich, wenn eine Frage, wie auf den Proben auch, so gestellt würde, dass der Kollege darauf wie immer verneinend antworten kann und nicht auf einmal “Ja” richtig gewesen wäre, aber das haben sie prima eingefangen. Sind ja nicht umsonst Vollprofis. Wobei ich die Kollegin Lindner ganz besonders für ihre Verdienste um den Weihnachtsbaum-Free-Style-Poetry-Slam loben möchte. (Wenn ich hier im Blog mit Emojis arbeiten würde, käme jetzt ein Doppelzwinkersmiley…).

Die anschließende Feier war weder groß noch wahnsinnig lang, aber trotzdem sehr sehr nett; den Kindern Schleich sei für die Musikauswahl gedankt und wer sich jetzt noch nicht heiser gesungen hat, ist selber Schuld.

Ja, dann. Danke allen und bis zur nächsten Wiederaufnahme.

Kinder, wie die Zeit vergeht

Heute auf den Tag genau vor sieben Jahren bin ich nach meinem sieben Jahren in Kalifornien nach Deutschland zurückgekehrt.

Ich habe lange überlegt, was ich darüber schreiben will. Vergleiche anstellen? Bilanz ziehen? Bewerten in einer Plus- und Minus-Tabelle? Merke aber, dass das gar nicht geht. Ich war vor 14 Jahren ein anderer Mensch als heute. Vor sieben Jahren aber auch.

Vielleicht sollte ich mich einfach freuen, dass dem so ist. Und wenn an der Theorie was dran ist, dass sich das menschliche Leben in ungefähr Sieben-Jahres-Zyklen bewegt, sehr gespannt auf meinen nächsten Abschnitt sein. Quasi: Hallo Rente, ich komme!

Ja, das klingt gut. So mache ich das.