Er fehlt

Vorhin in der Wochenendeausgabe der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über luzide Träume gelesen. Zur Erinnerung: beim luziden Träumen kann die schlafende Person Verlauf und Ende ihres Traums steuern. Dem Vernehmen nach handelt es sich hierbei um eine erlernbare Fertigkeit.

Leider ist die Künstliche Halbintelligenz, die den Job des Säzzers übernommen, offensichtlich von einer menschlichen Halbintelligenz trainiert worden, und hat den für dieses Phänomen im Deutschen üblichen Begriff “Klartraum” konsequent so getrennt:

Klart-
raum.

Ich weiß weder, was ein “Klart” sein soll, noch in welcher Art von Räumes er/sie/es sich aufhält. Ich weiß hingegen sicher, dass mir diese Schlamperei das Lesen des Artikels auf einem kleinen Mobiltelefonmonitor elendiglich verleidet hat.

Herr Unterstöger*, falls Sie von oben eingreifen könnten, bitte? Ich kann mich nicht um alles kümmern.

* Der vor kurzem verstorbene Hermann Unterstöger war ein Meister der deutschen Grammatik und hat für die SZ zu seinen Lebzeiten das eindeutig dringend einer Nachfolge bedürfende “Sprachlabor” betrieben.

Aus meinem Briefkasten

Man sollte meinen, dass der “Keine-Werbung”-Aufkleber auf meinem Briefkasten ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass ich schon genug Altpapier habe. Dass mir nun ein mir nicht bekannter Markus Walbrunn einen Flyer “Neues aus dem Landtag, 2. Halbjahr/2024” einwerfen läßt, ist dann wohl ein Hinweis darauf, dass die AfD entweder nicht lesen kann oder nicht lesen will. Dann lese ich zurück. Knallhart. Das sind halt mal die Regeln.

Schon auf der Vorderseite ist erkennbar, dass Herr Walbrunn ein medienaffiner Mensch ist: vor einem Foto des Siegestors unter weiß-blauem Himmel hat er sein Konterfei von einer App in eine Zeichnung umwandeln lassen. Ohne weiteren Sinn und Zweck, nur, weil er es kann. Auf der Rückseite eine Liste Sozialer Medien, auf der “Sie meine Arbeit verfolgen” können. Die Arbeit verfolgen. Ihm folgen. Ist doch kaum ein Unterschied. Oder? Über der Aufzählung ein Bild. Da steht auf einem Felsen, martialisch mit Flagge in der linken und eine mit Nägeln gespickte Keule (Morgenstern?) in der rechten Pranke ganz in Parteiblau gehalten der Schmied von Kochel. Dass es den wirklich gegeben hat, ist zwar zweifelhaft, aber hey, sieht cool aus. Das sollte doch reichen.

Innen hetzt Walbrunn, wenig überraschend, gegen Flüchtlinge und Asylsuchende sowie gegen die Finanzierung von “Trusted Flaggern”, die gegen Haß und Hetze im Internet vorgehen. Die Zahlen, die er aufruft, belegt er selbstverständlich nicht mit Quellen, das wäre ja noch schöner. Auf der nächsten Seite, unter der Überschrift “Im Außeneinsatz!” (das Ausrufezeichen ist von Walbrunn, nicht von mir) erzählt er vom Politischen Frühshoppen im Landtag (“leckere Weißwürste und Weißbier” sowie “Austausch mit Gästen”) und den Betriebsausflug seiner Fraktion zu den Kollegen in Berlin und Potsdam (“Austausch und Vernetzung”).

Der Ton des Wischs ist bieder, deutsch-vereinsmiefig, ähbäh-behäbig – nur ein paar Ausrufezeichen zuviel. Der Inhalt, gerade wenn er so kreuzbrav daherkommt, ist brandgefährlich.

Wie ist denen noch beizukommen?

Nostalgie-Kino: “To be or not to be”, 1942

Ich mache es heute kurz. Ernst Lubitschs schwarze Komödie über die Anstrengungen einer Theatertruppe im besetzten Polen einen Spion zu finden, bevor der Widerstand an die Nazis verraten werden kann, gehört zum Pflicht- und Alle-Jahre-wieder-Programm. Und ist außerdem brüllend komisch.

Anschauen! Anschauen! Anschauen! Los, es regnet doch eh schon wieder.

Mehr Licht!*

Nun habe ich mir für diesen Sommer und die langen lauen Nächte eine Solarlaterne für den Balkon geleistet und was macht das Ding? Bleibt so düster wie mein Gemüt.
Oaah.

* Wer das Zitat erkennt, bekommt einen Taler.

Nostalgie-Kino: “Hairspray”, 2007

Mir war nach “Hairspray”, früher Sechziger-Jahre Charme, Petticoats, Schmalztollen, lustig, anarchisch, bunt und (fürs gute Gewissen) für die Aufhebung der Rassentrennung. Die Geschichte in kurz: ein junges schweres Teenagermädchen träumt davon, in einer Nachmittagsfernsehshow als Tänzerin gecastet zu werden, als einzige unter den Wespentaillenschönen. Geht erst mal nicht gut aus. Dann aber zum Schluß doch. Also MAZ* ab!

Mooment! Haltamal! Wieso singt das Dickerchen Tracy Turnblad? (Sie hat zugegebenermaßen eine gute Stimme und die Darstellerin Nikki Blonsky wird sich auch im weiteren Verlauf als sehr klasse erweisen.) Mist! Manno! Ich Depp habe das verfilmte Musical erwischt, nicht den Film von John Waters aus dem Jahr 1998 mit Divine.

Wurscht, dann schau ich halt diese Version an, noch dazu, wo doch viele Mitwirkende aus dem “alten” Film diesen hier mit Cameos adeln. So schlecht kanns ja dann nicht geworden sein. Hmmm. Also. Hmmm. Ich hatte es ja schon mal erwähnt (sehr viele Male), ich hab’s nicht so mit Musiktheater. Und nun gucke ich eine Musicalverfilmung, in der Menschen unvermittelt in Gesang und Tanz ausbrechen, wenn sie Gefühle haben und die haben sie ständig. Einzeln und zu mehreren. Sehr farbenfroh, mit sehr guten Stimmen und sehr schönen Choreographien, aber die Handlung leidet halt doch unter der Hüpfer- und Singerei und ist im Gegensatz zum Original böse vereinfacht.

Man hat sich auch einen guten Cast mit ein paar größeren Namen geleistet, unter anderem John Travolta und Christopher Walken als Tracys Eltern. Letzterer ist wie immer einfach ein schrecklicher Schauspieler, ersterer gibt in einem furchtbaren Fatsuit mit Megaarsch und dicken Silikonpolstern im Gesicht Tracys Mama, Divines Rolle. Ja. Nein. Travolta kann sich nicht bewegen wie eine dicke Frau. Man glaube mir, ich weiß das. Das ist nicht schön anzusehen. Dann noch Michelle Pfeiffer. Sie spielt die magersüchtige (noch nie im Leben auch nur einmal Nachtisch gegessen) extremblonde Ex-Teenage-Schönheitskönigin und TV-Showrunnerin, die von der ersten Minute an auf böse Zicke festgelegt ist und so bleibt, bis zum für sie bösen Ende. Unter all denen kommt eigentlich nur die hochverehrte Queen Latifah als Motormouth Maybelle unbeschadet durch den Film.

Wie ich inzwischen nachgelesen habe, zählt die Produktion – basierend auf den Einspielergebnissen – bis heute zu den besten Musicalverfilmungen aller Zeiten. Mag so sein. Ich schau dann doch lieber das Original, das ist weniger glattgebügelt, politisch wesentlich unkorrekter und geht mit Gesinge und Getanze sehr viel sparsamer um.

* Fragt die Oma.

Aus der Rentnerei*

Da glaube ich nun, diese Dreckstaube von neulich (s. https://flockblog.de/?p=51417) erfolgreich vom Nisten auf meinem Balkon abgehalten zu haben und was macht dieser Mistvogel? Kommt täglich vorbei und schaut nach, ob ich’s wirklich so gemeint habe. Ich hätte ja auch keinen Umstand mit schweigend schauen, aber nein, das Vieh gurut sich in aller Vogelgotts Frühe die Lunge aus dem Schnabel und dann muss ich aufstehen und im Nachthemd mit wirren Haaren auf den Balkon hinausstolpern und in die Hände klatschen und “Gsch, gsch, gsch!” rufen. Das ist doch kein Zustand im Ruhestand! Da schläft eins aus und wird von der Welt und der ganzen Vogelschar (und ja, die schließt auch Einzeltauben ein, zefix!) so lange in Ruhe gelassen, bis man bereit ist, sich ihnen zu stellen. Manno! Mögen alle deine Eier taub sein auf immerdar, du…, du…, du Flügelratte, du!

Nein, ich nehme das nicht zum Anlaß, “mal früh aufzustehen und was Produktives zu machen”. Wie käme ich dazu? Dafür ist immer später auch noch Zeit.

Dann rolle ich mich wieder in meine für diese Jahreszeit etwas zu leichte Sommerdecke ein, schließe die Augen und der Schlaf kommt auch fast gleich wieder, war eh noch nicht weit weg. Sohoho, ein, zwei Stündchen noch… Was ist denn das nun wieder?

Präpotente Jungmänner grölen sich vor Schulanfang zusammen. Mit Schulterklopfen und Gebrüll und “Alter” und Stimmbruch in allen Tonlagen. Unten, auf der “Aktionsfläche” im Innenhof, bei der hier, anders als in Köln, noch nie jemand ein Schild anbringen mußte, dass auch andere Nutzer als die Kleinen willkommen sind. Bis die Gruppe komplett und abmarschbereit ist, dauert es fast eine halbe Stunde. Das kann und will Schlaf nicht abwarten (“Bei diesem Krach kann ich nicht arbeiten!”, Handrücken an die Stirn), sondern verzieht sich grummelnd ins Sandmannland und ich stehe dann halt doch auf und gehe ins Bad. Wird die Welt schon merken, was sie davon hat, wenn sie mich nicht ausschlafen läßt.

Hey, Welt. Ey!

* Ab sofort gibt es die Gschichterl aus dem Ruhestand unter dieser Überschrift.
Der “Rentnerinnenreport” ist in Pension entlassen worden.