“Take CalTrain to the Ballgame”

… und sie haben sich alle drangehalten. Alle.

Aber von Anfang an: in San Francisco sind die Giants zuständig für Baseball und das AT&T-Stadion liegt praktisch in Ballwurfweite zum CalTrain Bahnhof. Gestern war “season opener” und wir hatten den Spaß, uns mit den Fans bei der Heimfahrt (WIR kamen ja vom Büro…) den Zug zu teilen. Männer wie Frauen im vorbildlich schwarz-orangen Outfit hatten schon sehr ordentlich dem Alkohol zugesprochen (der erreichte Wunschzustand heißt dann “I am hacked”) und ließen uns an der aktiven Nachbesprechung des Spiels teilhaben… Weiah, was in so einem Abteil für ein Geräuschpegel entstehen kann, man möchts kaum glauben.

Genau verstanden habe ich es noch nicht, aber es wird immer an drei aufeinanderfolgenden Tagen gegen die gleiche gegenerische Mannschaft gespielt, also heute wieder und morgen noch mal.

Heute erreichte ich kurz vor der Einfahrt des Halb-Acht-Zugs den Bahnhof und bekam noch das Gespräch zweier Schaffner mit, deren einer sich, weil sein Schichtende erreicht war, glücklich pries. Der Nachtdiensthabende meinte bekümmert “it’s gonna be another hard night…” und wischte sich vorsorglich schon den Schweiß von der Stirn. Der CalTrain hat einen besonderen GameDay-Fahrplan, der im wesentlichen darauf hinausläuft, dass ein Sonderzug eingesetzt wird “approximately 15 minutes after the last out or when full” – und das zu entscheiden obliegt den Schaffnern. Hinzukommt, dass sie auch noch das Alkoholverbot zu überwachen haben: “Alcoholic beverages are prohibited on trains departing from San Francisco beginning at 9 p.m.” Ich glaube, wenn ich mir die Fans von gestern in einem Zweistundenspäterzustand vorstelle: der Mann hat sehr recht mit seiner Vorhersage…

Ich werde in ein paar Wochen (Jürgen sei Dank, ohne ihn würde ich nie Männer mit Bällen spielen sehen) bei einem Spiel der Giants gegen die New York Mets zugegen sein. Ich bin sehr gespannt, was ich dann zu erzählen haben werde. Hängt wahrscheinlich davon ab, ob ich hinreichend hacked bin.

Samstag

Ich versuche, jeden Samstag auf dem Weg zum Einkaufen, neue Wege nach Downtown San Bruno zu entdecken (nein, Rainer, das hat nix mit ODP zu tun!) und heute hat sich mal wieder eine Wunderwelt aufgetan. Ich bin an einem Häuschen vorbeigekommen, in dessen Garten ein Schild prangte, man sei der Gewinner des “San Bruno Beautification Award 2003”. Die 2×3 Quadratmeter große Fläche war zugestellt mit Gipsfigurinen; und zwar mit allem, was der Baumarkt so hergibt: Delphine (der schönste in Regenbogenfarben), Ballerinen in Tutus, Frösche und Kröten, Madonnen, Heilige (ich denke zumindest, dass es Heilige sein sollten: abgemagerte Männer im Lendentuch mit waidwundem Blick und bösen Verletzungen, die von Stich-, Hieb- und Bißwunden herzurühren schienen) sowie Mönche in allen Größen.

Ich erzähle das so ausführlich, weil mir der Besitzer untersagt hat, Photos zu machen. Im Bilde sei Böses wurde ich beschieden, seine Gattin wolle das nicht, denn seit sie den Preis bekommen hätten würden sie von gehässigen Neidern verfolgt. Aber Gott werde das alles richten. Und auch ich solle in meinen Gebeten fürderhin darauf abstellen, dass die Feinde vernichtet werden. Hab ich selbstverständlich umgehend zugesagt, denn der Herr war nicht nur stark im Glauben, sondern auch im Griff, mit dem er mich an der Schulter gepackt hielt…

Warum eigentlich haben zum Fanatismus neigende Menschen fast immer eine sehr feuchte Aussprache?

Der Resttag verlief erfreulich ereignislos, ich habe vorwiegend, sonnenbestrahlt, dem Garten beim Blühen und dem Gras beim Wachsen zugesehen. Die nächste Arbeitswoche wird nur eine Viertagewoche sein, auch wir haben am Karfreitag (“Good Friday”) frei und ich gedenke, dieses Programm (abzüglich des Sprühpredigers) an einem der Osterfreiertage zu wiederholen. Faulsein hat was.

Vecinos

Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe, aber hier in meiner Straße ist Englisch für alle die erste Fremdsprache, die anderen sprechen allesamt  fließend Spanisch. Und ich glaube, man hat mich an diesem Wochenende vollends in die “communidad” aufgenommen.

Ich habe Samstagfrüh Francisco (von nebenan) und Samuel (von gegenüber) bei einem Schwätzle getroffen und sie haben mir noch mal erzählt, wie sie in der Vorwoche meine Vorgarten zum Mähen unter sich aufgeteilt hätten, der eine die rechte, der andere die linke Hälfte. Daraufhin habe ich mir ein Herz gefaßt und angefragt, ob denn Samuel (von dem ich weiß, dass er Gartenauftragsarbeiten erledigt) sich auch mal der Wiese hinter dem Haus annehmen wolle. Er wollte, gleich am Sonntagfrüh, nach der Nachtschicht.

Und so kam er dann an, mit seinem Rasenmäher, einer Heckenschere und weiß ich was noch allem gerüstet, warf den Motor an und mähte fröhlich. Drei Minuten später stand auch Francisco im Garten und teilte beiläufig mit, “I’ll give him a hand” und dann brummten zwei Rasenmäher durch den bis dato eher stillen Sonntagmorgen. Der eine war für den groben Erstschnitt zuständig, der andere für die Feinrasur, immer in denselben Bahnen hintereinander her – ein Bild für Götter. Und weil meine große grüne Tonne schon fast voll war (ein Baum, zersägt mit dem frisch erstandenen Fuchsschwanz sowie jede Menge Unkraut) und in ihren noch Platz war, rollten sie die auch noch rüber und befüllten sie mit der Mahd.

Muchas gracias, Senores!

Den Nachmittag haben Toni und ich damit verbracht, uns The City zu erlaufen, von China Town über North Beach (das hiesige “Little Italy”) mit einer Schleife durch den Red Light und den Financial District (liegen gut nah beieinander) über sonnenbeschienene Parks mit echtem Gras und an vielen Kirchen vorbei bis zur Bay (rechtzeitig zum Sonnenuntergang). Gut haben wirs getroffen – hier kann man gerne sein. Ach ja, hellster Frühling natürlich, viel Sonne, viele Blüten; nur der Wind noch einen Tick zu kalt – das geht besser…

scary

Abends, wenn die Sonne tief steht und die Schatten lang sind, dann flackern die Schlagschatten der oben auf dem Highway 101 dahinrasenden Autos auf den Weg vor mir. Manchmal wird auch die Welt kurz ganz dunkel –  wenn nämlich ein extragroßer Truck sich vor die Sonne schiebt.

Das sind dann die Momente im Leben, wo ich mir einbilde nachempfinden zu können, wie sich ein kleines pelziges Nagetier angesichts am Himmel kreisender Bussarde fühlt.

I’m a Lumberjack

Ich erging mich bei Sonnenuntergang im Garten, die Blümlein und Saaten zu gießen, auf dass der Frühling weiter sein ewiges Gedeihwerk tue, da fiel mein Blick auf einen Baum am Ostzaun, dessen Äste verdorrt in den Abendhimmel stießen. Im Vollbesitz meiner neuen Gartenschere machte ich mich – fest auf den Stamm gestützt – daran, die morschen Äste zu kappen, wobei der Gesamtbaum, von den verrotteten Wurzeln nicht mehr gehalten, sich aus dem Boden löste. Damit habe ich erfolgreich meinen ersten Baum erlegt. Braucht wer Brennholz?

Vokabeltrainer

“flareback” ist nicht nur der Rückstoß einer Waffe, sondern auch der Rückfall – wenn man nämlich wieder hinkt und Dr. Wayne dann sorgenvoll die Stirn runzelt und empfiehlt, doch um Himmels Willen nicht so viel rumzulaufen. In meinem Fall sprechen wir hier von ca. einer halben Stunde am Tag. Insgesamt. Wenn nicht unvorhergesehene Lauflust dazwischen kommt. Clash of Cultures – er findet alles übertrieben, was über den Weg vom nahgelegenen Parkplatz bis zum Ziel hinausgeht.

Übrigens: dies ist Eintrag Nr. 200. Danke fürs Durchhalten.

Cash Management

Meinen Glückwunsch dem Treasurer des Bundesstaates Kalifornien! Er war unverfroren genug, mir einen Brief zu schicken, in welchem er bedauert, dass man mir leider meine Tax Return nicht via Direct Deposit aufs Konto überweisen könne, weil meine Angaben zur Bankverbindung nicht stimmten. Aber keine Panik, man werde mir selbstverständlich einen Scheck schicken, das daure auf dem Postweg wahrscheinlich so ca. sechs Wochen (ich frage mich, was der Scheck unterwegs so treibt, er wird aus Sacramento versandt, das sind unter 100 Meilen Luftlinie). Bei Unklarheiten soll ich auf keinen Fall seine Behörde anrufen, sondern meine Bank. (?!?) Oder mit dem Busschaffner sprechen, der weiß wahrscheinlich genauso viel.

Die Feds waren imstande, die Rückzahlung im versprochenen Zweiwochenzeitraum zu veranlassen – und ich habe bei der Online-Erklärung seinerzeit die Kontonummer nur einmal eingegeben.

Honi soit qui mal y pense…

brennende Klos (US Unfug, die erste)

In der “Titanic” gab es zu Zeiten eine von mir hochgeschätzte Kolumne “Dokumente deutschen Schwachsinns”. Ab heute wird es im flockblog zu jeweils gegebenem Anlaß Artikel zu “US Unfug” geben.

Hier in San Francisco gehen regelmäßig Klos in Flammen auf (nein, das liegt nicht am hohen Anteil mexikanischstämmiger Bevölkerung), und der Examiner berichtet im Brustton wachsender Entrüstung über jeden einzelnen Anschlag ganzseitig mit Bild des verschmurgelten Opfers. Ein strahlender Held hat nun endlich den Kampf aufgenommen und bietet auf der Titelseite jeder in San Francisco erscheinenden Tageszeitung $5,000.00 Belohung an. Und im folgenden zitiere ich nun einfach nur noch die Rückseite unserer hiesigen Blätter.

“Somebody is torching Porta-Potties in San Francisco (mit Photo eines armen unschuldigen blauen Dixi-Klos). We’re not going to take that sitting down!

Nearly 30 porta-potties have been set ablaze in the city. To help the community flush out the Toilet Torcher (ganz wichtig, dem Feind einen Namen geben), the Clorox Family of Toilet Products and the San Francisco Mayor’s Office of Criminal Justice have joined together. We’re offering a $5,000 REWARD for information to arrest of those responsible. Let’s ensure all toilets are safe and clean.

For more information go to:
Call 415.575.4444 (anonymous arson hotline)
Facebook fan page: FlushArsonist
Twitter: @FlushArsonist”

(Und unter einem Bild der Clorox Family of Toilet Products – im Zentrum die WC-Ente – wird abschließend formuliert:)

“Toilet Bowl of Rights

  • Right to be clean
  • Right to be sanitary
  • Right to smell fresh
  • Right to not be set on fire”

Selten so eine Gratwanderung im Product Marketing gesehen. Leider abgestürzt.

Coffeeshop start-ups

sind zur Zeit der neueste Renner im Silicon Valley; der Unternehmer arbeitet im Kaffeehaus mit nix als Mobiltelefon, Laptop (freies WiFi nutzend), virtuellen Servern und Caffee Latte.

Unser Büro-Internet war heute tot, wollte sich weder neu starten noch auch nur an”pingen” lassen – also sind wir alle Mann zu Krystie umgezogen, um wenigstens ein bißchen Arbeit getan zu bekommen. Meins wäre es auf Dauer nicht, aber so mal für ein paar Stunden war’s ganz lustig. Die gute Stimmung verging allerdings, als die Herren von Comcast so gar nicht auftauchen wollten. Also schon mal gar nicht zwischen 12:00 noon und 04:00 p.m. Obwohl ich mehrfach angerufen hatte, und immer wieder von immens freundlichen Leuten beim Customer Support den Termin “definitely” bestätigt sowie neue Ticketnummern bekam (mir hätte ein lebender Techniker gereicht) – aber erst, nachdem jeder einzelne versucht hatte, das Ding remote wiederzubeleben. Jeder zwei mal.

Kurz nach 4:00 ist mir dann der Kragen geplatzt und ich habe nach dem Supervisor verlangt, der mich ausgesucht freundlich mit der Esacalation Hotline verband. Die haben mir ebenfalls versichert, dass mein call very important für sie sei (sogar auf spanisch) und die Dame, die ich dran hatte, hat, nachdem sich der zweimalige Versuch, remote zu starten als nicht erfolgreich erwies, mir zugesichert, dass binnen 20 oder 30 Minuten oder so jemand auftauchen werde.

Dann kam er, Aquiles (“wie die gleichnamige Ferse”) und versuchte sich ebenso zunächst an einem Neustart. Denn alle Gerätelichter leuchteten, wie es der Vorschrift entsprach – am Modem konnte es ja gar nicht liegen. Er hat gestöpselt, gemessen, an Kabeln gezuppelt, telefoniert, getan, gemacht und Anekdoten aus dem Leben eines Comcast-Technikers erzählt – und das Drecksding reagierte auf nichts.

Eine weitere Stunde später tauschte er es dann doch aus und – Heureka – wir haben wieder Internet. Und ich hab seine persönliche Telefonnummer – selbstverständlich nur für den Fall, dass wir mal wieder Probleme mit den Comcast-Dispatchern haben sollten.