The Master was not amused

Aber gar kein bißchen. Weder war seine Klasse (Erin und ich) ordentlich entspannt (Kunststück an einem Freitagabend nach einer stressigen Woche), noch hatte eine von uns weisungsgemäß ihre Milz singen lassen (O-Ton “You did not practice your Relaxation Homework nor has any of you done your Healing Sounds. That I can tell from your aura”). Und dann hat er uns die sieben Chakren ‘rauf und ‘runter üben lassen und als Hausaufgaben aufgegeben. Die sollen wir bis zum nächsten Mal auswendig singen können.

Ich fange morgen früh an zu üben. Mal schauen, wann der erste Nachbar über den Zaun geklettert kommt, um herauszufinden, wer in meinem Garten gemordet wird.

Der Käsebagel – Segen oder Fluch?

Als gute Nachbarin und hilfreicher Mensch versorgt man die alte Dame nebenan mit frischem Obst aus dem eigenen Garten und unternimmt ab und an Einkaufsfahrten mit ihr. Ohne Hintergedanken und ganz sicher ohne Erwartung von Be- oder Entlohnung. Deshalb freue ich mich immer aufrichtig, wenn sie mich mit Gemüse und Salat aus eigenem Anbau versorgt. Oder mir mal eine Tüte Käsebagel mitbringt, weil sie weiß, dass ich Käsebagel gerne mag. (Tüte = ein halbes Dutzend, das reicht mir bequem um meinen Grundbedarf an Bageln im allgemeinen und Käsebageln im besonderen für eine Woche oder länger zu decken.)

Wer hätte denn damit rechnen können, dass ich inzwischen wöchentlich mindestens einen, häufig aber auch zwei oder drei Beutel von einer freudestrahlenden Lyn gebracht bekomme (nämlich jedes Mal, wenn sie welche in der Bakery des Senior Centers abstauben kann)? Inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob ich Käsebagel überhaupt noch mag.

Mrs. F.’s Profession

Noch zweifle ich, ob das Schreiben schmeichelhaft gemeint ist, und ich meinem Ziel, irgendwann ein wunderbares Bordell zu leiten, durch einen Beitritt zur “National Association of Professional Women” ein Stück näher kommen würde – oder ob die das möglicherweise ganz anders meinen und ich jetzt beleidigt sein sollte?

Weil mein Schatz ein Kammerjäger ist…

Kaum wird’s hier Sommer, brechen alle in “Pest” (so nennt man hier Ungeziefer) -Panik aus. Besonders gefürchtet sind Termiten (kein Wunder, die meisten Häuser sind aus Holz). Und nu? “Whom you gonna call?” Genau, ist doch ganz einfach: Agent Orange.

Ja, ich weiß, der Pestkontrolleur heißt in Wirklichkeit “Planet Orange” (http://www.planetorange.com/termite-and-pest/) und die Namensgebung rührt davon her, dass er Termiten mit “organic” Orangenöl ausrottet. Aber immer wenn ich den Jingle höre (also täglich mindestens 2 Mal auf der Fahrt ins Büro) sehe ich vor mir Helikopter in Feuerstürmen, besetzt mit behelmten Männern in olivfarbenen Tarnanzügen und von fern dröhnt der Walkürenritt.

Wahrscheinlich, weil nach deren Einsätzen auch keine Termiten mehr da waren.

Old Europe

Ich hatte mal wieder Eintrittskarten gewonnen, es zeichnete sich jedoch schon gestern Nachmittag ab, dass ich die Vorstellung nicht besuchen können würde. Also habe ich das den Veranstalter wissen lassen. Zurück kam eine geradezu überschwengliche (“überschwänglich” werde ich nie nie nie schreiben können) Dankes-e-mail mit der wunderbaren Herleitung: das sei so reizend, so ungewöhnlich und so höflich – “I figured you must be European”.

Der Amerikaner an sich hat wohl keine großen Erwartungen an seine Landsleute.

Going Postal*

Mit dem Umzug der Firma nach Palo Alto haben wir den Postbezirk gewechselt. Ich kann allerdings empirisch beweisen: Post ist Post ist Post. Unabhängig davon, ob im Stadtgebiet von San Francisco oder in Santa Clara County.

Wer was will, muss dafür Schlange stehen. Der Palo Altanische Schlangeneinweiser fragt die Schlangestehenden ab: Was wollen sie? Wie oft? Wieviel? Warum? Wohin? Auch Briefmarken? Die Antworten trägt er auf einer Art Multiple Choice Zettel ein, den der Wartende bekommt und der Fachkraft am einzigen besetzten Schalter vorlegt. Die liest dem bei ihr eingetroffenen Kunden vor was auf dem Zettel steht und läßt sich bestätigen, dass alles seine Richtigkeit hat. Dann kann der postalische Vorgang beginnen. Der Schlangenbetreuer hat auch schon eine Schulung für den Postautomaten bekommen und kann immer wieder einzelne Schlangensteher verführen, doch “THE MACHINE” (so ehrfürchtig, wie er von ihr spricht, kann man das Wort nur in Großbuchstaben schreiben) auszuprobieren. Jeder, der diesem Lockruf einmal gefolgt ist, kann für immer und alle Zeiten widerstehen. Die Novizen nicht. Und lernen: Unser Schlangenmann kann nur Briefmarken für einen Domestic Letter im Standardformat. Alle weiteren Trainings hatte er noch nicht. Also kommen die Irregeführten in die Warteschlange zurück und zwar gemäß Fairnessprinzip an den Platz, den sie ursprünglich innehatten. Etwas frustrierter, aber immerhin, nach einem kleinen Unterhaltungsintermezzo.

Weitere wichtige Regel bei der amerikanischen Post: das Formular, das man gerade braucht, ist immer aus. Das meldet man dem Schlangeneinweiser, der ist auch Bote und berichtet dies der Schalterfachkraft. Die bringt ihre aktuelle Kundenbetreuung zu Ende und verschwindet in den Katakomben unter der Post, wo in Stahlkammern mit Zeitschaltkombinationsschlössern der Formularnachschub aufbewahrt wird. Alle fragen sich, ob die mutige Frau von dieser waghalsigen Expedition je ohne Schaden an Leib und Seele zurückkehren wird und atmen erleichtert auf, wenn sie wieder im Türrahmen zu sehen ist, angeschlagen, blass, aber lebend! Hurra! Die langen bangen Warteminuten haben sich gelohnt, sie hat ca. zehn Formulare mitgebracht. Die bekommt der Schlängler, eines reicht er an den Anforderer aus und verstaut die anderen sorgsam im dafür vorgesehen Fach. Ungestüm rafft der nächste Ansteher alle bis auf eines an sich – er sieht sich für die nächste Notlage gewappnet. (Weil er auch bestimmt dran denkt, das Formular beim nächsten Mal mitzubringen.)

Es kann weitergehen, traditionsgemäß mit dem Satz “I can help the next customer”. Dies ist, auch eine feststehende Regel, immer ein Asiate, in der Regel Inder oder Chinese, der schwere Schätze an die Lieben daheim schicken will. Zu diesem Behufe hat er den traditionellen Familienkarton mit dem die Altvorderen vor Urzeiten in dieses Land eingereist sind vollgepackt. Der Karton hat auf seinen vielen Reisen viel mitgemacht, rauhe See und Salzwasser, United-Airlines-Frachtmitarbeiter und sieht entsprechend mitgenommen aus. Diese Monstrum wuchtet der Mann auf den Tresen der entsetzten Schalterfachkraft. Das ist traditionell eine winzige Asiatin mittleren Alters, die sich noch nicht mal für einen Boxkampf im Minifliegengewicht qualifizieren könnte. Der Karton bekommt dabei noch ein paar Risse mehr und wird von ihr (auch traditionell) als nicht versandfähig befunden. Das ist der wahre Clash of Cultures: fernöstlicher Traditionkarton vs. neuwestliche Versandverpackungsvorschrift. Es wird (ebenfalls gute alte Posttradition) ein bißchen hin- und herdiskutiert, die Schlange murrt, der Schlangenmann versucht Opfer für THE MACHINE zu rekrutieren, die Fachkraft rät zu Klebeband. Der Asiate hat keins. Die Fachkraft verleiht den Postklebebandabroller. Mann, Paket, Postklebebandabroller trollen sich zum (unbesetzten) Nebenschalter, Asiate beginnt zu “tapen”, “next in line” darf sein Postgeschäft abwickeln.

Wenn der Asiate mal klebt, dann klebt er. Bis die Klebebandrolle leer ist. Dann befindet er sein Werk für gut und reiht sich wieder in die Schlange ein. Wir erinnern uns, Fairnessprinzip, und deswegen kommt er – Traditionen sind wichtig – immer gerade vor mir dran. Wuchtet sein Trumm wieder auf den Tresen. Die Schalterfachkraft kriegt das Ding nicht vom Fleck, es muss aber auf die Waage. Der Asiate darf nicht, er ist schließlich kein Postler. Was nun? Danket Hermes für den Schlangenmann, der ist auch Paketheber, aber erst, wenn er dafür (Vorschrift ist Vorschrift) den Tragegurt angelegt hat. Der hat viele Haken, Riemen, Bänder, es dauert, bis sowas vorschriftsmäßig sitzt. Dann stemmt er. Auf die Waage. Nun wieder die Fachkraft: das Paket ist ein paar Unzen zu leicht, um unter die “Heavy Weight Discount” Regel zu fallen, mit der man als Versender $3 sparen kann. Wir sehen dem Mann beim Denken zu: was von dem, das er gerade am Leib trägt, könnte er entbehren, um drei Dollar zu sparen? Ihm fällt nichts ein, resignierend nickt er der Schalterkraft zu, die beiden werden handelseinig. Der Heber hat mitgedacht und den Gurt umgelassen (ich fürchte, der ist für den Verein überqualifiziert und wird seinen Job bald verlieren), er verbringt das ordnungsgemäß frankierte Paket Richtung Hinterräume, Schalterdame und Asiate blicken ihm nach, bis er außer Sichtweite ist.

Jetzt komm’ ich. Lege meine drei Zettel vor. Wieso drei? Ich habe drei Einschreiben, und auf des Schlänglers Liste kann man “Certified Letter” nur ankreuzen, nicht aber eine Anzahl eintragen. Hat er elegant gelöst. Zettel 1: “Ah, Sie haben da ein Einschreiben?” “Richtig. Und noch zwei weitere, davon eines mit Rückschein. Letzeres geht auf eine separate Rechnung.” Dazu soll ich erst mal die entsprechenden Formulare ausfüllen. “Hab’ ich schon im Büro gemacht, mit allen Stempeln und Angaben, die Sie brauchen.” Die kleine Frau ist verblüfft. Dann arbeitet sie Zettel für Zettel und Einschreiben für Einschreiben ab. Jedes Mal komplett, mit Bezahlen und Quittung ausdrucken, zwei so, eins anders, das geht gar nicht.

Es ist vollbracht: Drei Briefe sind auf dem Weg. Ich bin fertig! An der langen Warteschlange vorbei gehe ich Richtung Ausgang. Neiderfüllte Blicke folgen mir. Manche meiner Leidensgenossen haben angefangen, ihr Testament zu machen. Andere telefonieren ein letztes Mal mit ihren “Significant Others”. Bei den Ärmsten der Armen ist der Akku leer.

Wie jedes Mal frage ich mich: Sind das vazierende Laienspielgruppen, die nach einer festen Text- und Rollenvorgabe leerstehende Gebäude besetzen und darin  Mitmachtheater in der Tradition von Antonin Artauds “Theater der Grausamkeit” spielen? Oder ist das ein ernst gemeinter Dienstleistungsbetrieb? Letzteres ist im übrigen nicht auszuschließen, denn an der Tür draußen hängt ein Schild, das darauf hinweist, dass (geladene) Schusswaffen im Gebäude untersagt seien. Das könnte aber auch ein besonders perfider Regieeinfall sein. Ich kann das Rätsel nicht lösen, der Vorhang zu und alle Fragen offen.

* “Going Postal” bedeutet im übrigen im Deutschen “Amok laufen, ausrasten, durchdrehen”. Ganz überraschend ist das nicht.

The Dead never die

Keine Angst, es geht nicht um Zombies oder böse Wiedergänger, obwohl Jerry schon vor 15 Jahren zum Rock’n Roll Heaven aufgefahren ist. Unsere Droge ist Musik.

Am 1. August eines jeden Jahres findet in San Francisco (wo sonst?) der “Jerry Day” als Tribut an Jerry Garcia (Lead Gitarrist der “Grateful Dead”) statt. Wo? Im Park, im Jerry Garcia Amphitheater. Er wird angemessen gefeiert, mit Live-Musik und Rauchopfern.

Es soll Menschen geben, die neben Dead-Heads auch noch Baseballfans sind (möglicherweise ist das eine auch Bedinungung für das andere). Deren Doppelneigung wird nächste Woche von den San Francisco Giants im AT&T Park mit eigens kreierten Caps und T-Shirts sowie “Ben&Jerry’s Ice Cream”* und ganz viel Vor-Spiel-Fun-Aktionen bedient werden (http://www.dead.net/features/news/san-francisco-giants-announce-plans-jerry-garcia-tribute-night-august-9th). Wahrscheinlich wird das wieder unfuckingcredibly orsome funny.

Ich bin ziemlich sicher, dass ich schon was anderes vorhabe. Und wenn’s spontan faul auf’m Soffa ‘rumlümmeln und Grateful Dead Platten hören ist. Von mir aus sogar rauchend. Noch mehr Spaß ist gar nicht gut für mich.

* Ben Cohen und Jerry Greenfield aus Vermont haben (neben vielen vielen anderen http://www.benjerry.com/flavors/our-flavors/#) eine Eissorte namens “Cherry Garcia” kreiert, die schmeckt wie eine mehrfach mit Schmackes auf den gefliesten Küchenboden geworfene und anschließend tiefgefrorene Schwarzwälderkirschtorte.

Lütteratturrrrr

Dieses Wochenende habe ich mich endlich einmal wieder sattgelesen:

Arne Dahl – “Totenmesse”
Der 6. Band einer auf 10 Bände angelegten Schweden-Krimi-Reihe in Sjöwall/Walhöö-Tradition. Davon abgesehen, dass Dahl die copy/paste Funktion ein bißchen zu häufig nutzt, eine sehr spannende Geschichte über die aktuelle Energiepolitik und den Kampf um fossile Brennstoffe. Sowie Kalten Krieg und die Rolle des neutralen Schweden in der Welt der Geheimdienste.

Brian K. Vaughan – “Y – The last Man”
Ich habe die ersten 3 Bände dieser intelligenten Graphic Novel verschlungen. Es geht darum, dass im Jahre 2002 alle Träger eines Y-Chromosoms von einer tödlichen Seuche befallen werden. Ein einziger Mann und sein männlicher Rhesus-Affe überleben. Warum? Weiß ich noch nicht, bin noch eine Amazon-Lieferzeit und weitere 7 Bände von der Auflösung entfernt. Ende des nächsten Wochenendes werde ich berichten können. Klug, aufregend, gut gezeichnet – das macht Spaß!

Warren Ellis and Cully Hamner – “RED”
Eine weitere Graphic Novel. Ich hatte jüngst diesen Trailer gesehen http://www.youtube.com/watch?v=RkrRQ626oho; Mirren, Willis, Freeman, Malkovitch (die Besetzung allein ist schon ein Grund, Mitte Oktober ins Kino zu gehen) und wollte noch mal nachsehen, wofür RED (außer “`Code Red”, aber das ist, wenn Brucie in der Nähe ist, eh klar) eigentlich genau steht (nämlich: “Retired Extremely Dangerous”) und habe dabei entdeckt, dass es einen Comic gibt. Sehr gewalttätig, außer Frank Moses (den im Film Bruce Willis spielt) keine CIA-Rentner (dabei hatte ich mich schon so auf Helen Mirrens gezeichnete Figur gefreut), und schon allein wegen der Darstellung des George W. Bush-Photos im Hauptquartier in Langley ansehenswert.

Ich hätte jetzt gerne ein paar Tage Zeit und die Y-Bände schon hier.

Grüner Daumen

In meinem Garten prangt ein kalifornisches Wildpflanzenbiotop. Brusthohe Disteln, um deren gelbe Blüten Schmetterlinge taumeln, hüfthohe Blauglocken-Weißdergeiers voller Kolibris, Irgendwasses mit dicken kreisrunden grünen Blättern, unter denen Froschkolonien leben (nicht küssenswert. So winzig, das hätte nur knapp zu einem ganz ganz Kleinen Prinzen gereicht). Eine Farb-, Duft- und Klangsymphonie. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich dort ursprünglich mal ein Gemüse- und Kräutergärtlein angelegt habe.

Convenient?

Man ist inzwischen daran gewöhnt, dass selbst Pflanzen ihre kleinen Unarten abgezüchtet werden, Rosen keine Dornen mehr haben und Beeren vom pieksfreien Strauch kommen. Nicht so in meinem Garten. Der Brombeerstrauch ist noch aus einer Zeit, wo man um seine Ernte kämpfen mußte. Als ich ihm gestern mit der Heckenschere zu Leib rückte, habe ich nach den ersten zwei Schnitten und um sich schlagenden Stachelranken Schutzkleidung angelegt (langärmliges T-Shirt, lange Hosen, Handschuhe) – und ihn dann auf 10 cm über Grund zurechtgestutzt. Ich hoffe, dass er es mir mindestens ebenso dankt wie meine Rosen, die dank eifrigen Schereneinsatzes in diesem Jahr schon das dritte Mal blühen und nächstes Jahr eine reiche Ernte einfährt. Die Brombeeren haben nämlich auch amerikanisches Maß, sind ungefähr so groß wie kleine Zwetschgen und zuckersüß.