Wie schon vermutet: der ist nix Spezielles. Als Attribut fällt mir gerade mal “nett” ein.
Gestern mitgehört
…in der Warteschlange vor dem Bankschalter:
– Kundin 1 (zu dem Herrn vor ihr, der etwas uneindeutig so halb in der Schlange steht): “Are you waiting in line or just breeding*?”
– Kunde 2 (sichtlich zusammenzuzuckend): “Ah…, oops…, sorry. I guess, I am rather breeding. You go ahead.”
– Kundin 1 (zufrieden, dass es weitergeht): “Okay, never mind. Nice job, though.” (Lobt ihn also für’s dumm ‘Rumstehen.)
– Kunde 2 (ehrlich geschmeichelt): “I did breed good. Didn’t I?”
Einen derartigen Dialog kann ich mir in Deutschland – noch dazu beim Schlangestehen – beim besten Willen nicht vorstellen. Ich glaube, sowas gibt es nur hier.
* tief in Gedanken versunken sein; über etwas “brüten”
Baila, baila!
Bei Ann’s Hair & Beauty (meinem Friseur) ist der Teufel los, Lambada in der Hip-Hop-Version dröhnt durch den Raum. Ein ganzer Schwarm Backfische kichert, giggelt und gackelt durcheinander, sie sind wohl die Eskorte für das halbe Dutzend Mädchen in feuerroten Wipperöckchen und weißen Rüschenblüschen (kurz innehalten: schade, dass man weiß, dass Blüs-chen der Diminutiv von Bluse ist; das Wort Rüschenblüschen in einem durch mit zwei Mal “sch” gesprochen hätte doch einen ganz eigenen Charme. Exkurs Ende.) denen hier gerade vom gesamten verfügbaren Personal die Gesichter mit Make-up verspachelt und die Haare zementiert werden. Man leiste Hilfe bei einen Notfall (doch, tatsächlich. Lien spricht mit todernstem Gesicht von “emergency”); die Stammstylistin der Truppe leide an einer “food poisoning”(das ist die hiesige Bezeichnung für alles, was bei uns daheim “so Magen-Darm-Geschichten” sind) und die Girls hätten um 6pm ihren großen Auftritt bei der Schulvorstellung. Ob ich wohl trotz Termins ein wenig warten wollen könnte?
Kein Problem. Der Trubel ist unterhaltsam, da sitzt man doch gerne dazwischen und schaut zu. Die eine oder andere Hüpfmamsell hoppst zur Lambada-Endlosschleife herum, um den Halt der Haarspracht zu testen. (Die Frisuren sitzen wie eine Eins. Ich bin von den Haarspraydämpfen schon total benebelt, heute ist das Ozonloch wieder ein ganzes Ende größer geworden.) Ganz herzig wird es, als de Prinz kütt. Ein Bub von knapp sechzehn im letztjährigen Konfirmationsanzug, der seiner angebeteten Tanzmaus unter allerlei Gesichtsfarbenwechseln (und Riesengekicher und -getuschel der anderen Mädelchen) eine “Box of Chocolates” überreicht. Die Süße ist Latina und gut erzogen: ich darf mir als erste aus der Monsterschachtel ein Schokolädchen als Dank fürs Warten aussuchen.
Dann hupt der Schulbus, alles rennet, rettet, flüchtet. Lien macht “für heute” die Musik aus und ich bekomme die Haare geschnitten und anschließend eine ausführliche Shampoo-Kopfmassage mit der Ansage “We old. We want quiet. Right?”
Right. (Zumindest für heute Abend.)
You gotta move it, move it
So. Umzug fertig. Ich auch.
Will heißen: gestern haben unsere Movers mit tatkräftiger Unterstützung des Teams das ganze Innenleben des Büros aus der California Avenue nach downtown Palo Alto geschafft. Wir müssen uns jetzt nur noch wieder einrichten – und wenn der Vermieter den Teppichboden heute shampooniert bekommt, dann werden wir das morgen tun, damit am Montag das Business wieder as usual laufen kann.
Ich versuche nun schon die dritte Nacht in Folge “Megamind” zu gucken (einen Animationsfilm, “no age restrictions. The content is mild in impact.”), bin aber bis dato immer spätestens nach der ersten halben Stunde + jeweils weiteren paar Minuten todmüde eingeschlafen (aktueller Stand: Minute 42; ist das ein Zeichen?). Auf diese Weise kann man einen Kinderfilm auch über eine Woche strecken. Ich versuch’s heute Abend noch mal, ich hab heute schließlich nur Haushalt und Wäsche und Rücken – danach sollten die restlichen 53 Minuten Film zu schaffen sein.
Vielleicht ist er einfach auch nur langweilig – ich hatte bisher den Eindruck, dass ich alle guten Gags schon im Trailer gesehen hatte.
“The Business Travel Guide for Germaphobes”
Gerade als ich mich über den deutschenfeindlichen Geschäftsreisenden aufregen will, fällt mein Blick auf diese Liste:
“Hotel Horrors: What’s Really Lurking in Your Room”
# Many hotels are infested with bedbugs – that’s right bedbugs!!!
# The sheets may be clean but we’ll bet the bedspread hasn’t been washed recently
# Unless the glass is pre-sealed in plastic you probably don’t want to use it
# Why you don’t want to use the coffee maker
# What some people use the ice bucket for – and it isn’t for ice
# and more things that will make your skin crawl
Ach so. Dem keimfeindlichen Ratgeber geht’s um “Germs”, nicht um “Germans”. Na dann: Gute Reise!
On the Move
Wir ziehen um – also nicht ich (obwohl, eigentlich doch), sondern meine Firma. Nach downtown Palo Alto, start-up-angemessen in eine ehemalige Garage. Aus gutem Grund: wir sind so sehr gewachsen, dass unser altes Büro aus allen Nähten platzt. Wäre an sich schon Grund genug; außerdem liegt unser letzter Umzug schon eineinhalb Jahre zurück.
Gestern habe ich angefangen zu packen. Die Inhalte sämtlicher Aktenschränke in Kartons verbracht (eineinhalb Jahre Firmenhistorie mehr auf Papier ist eine ganze Menge Zeug) und Regale ab- und ausgeräumt sowie gleich die Regalböden entfernt und separat gestapelt, damit bei niemandem mehr das Bedürfnis entstehen kann, doch wieder was draufzulegen. Abends war ich so alle, dass ich nach einem Rosmarinbad gegen müde Muskeln (ich bekomme ja bei dergleichen Aktivitäten umgehend wieder Rücken) stehend K.O. gegangen bin.
Heute und morgen ist noch einmal “business as usual” angesagt, bis wir dann am Donnerstagnachmittag White Boards abschrauben, Tische leerräumen und auseinanderbauen und ich endlich auch meinen Kruscht einpacken kann. Am Freitag kommen die Movers von “OneBigManandOneBigTruck” und werden ordentlich zu schleppen haben.
Anschließend muss ich alles nur wieder auspacken und einräumen…
“The Wire”
ist eine 2002 – 2008 vom Bezahlsender HBO ausgestrahlte Fernsehserie in 5 Staffeln mit insgesamt 60 Episoden und ganz und gar großartig. Ich bin weder von Adel noch Verteidigungsminister, deshalb mache ich die folgende Beschreibung eines Amazon-Reszensenten als Zitat kenntlich. (Ich hätte es auch nicht wesentlich anders ausdrücken wollen.) “Dieses Stück an Monumentalkunst ist eine TV-Serie die alle Regeln bricht: Die einstündigen Episoden haben keine Spannungsbögen, sondern funktionieren wie Kapitel in einem Buch, die Handlung geht unfassbar langsam voran.
“The Wire” verzichtet auf comichafte Heldenfiguren wie den Agenten Jack Bauer in “24” oder ein seine Umwelt überstrahlendes Kraftzentrum wie Tony Soprano. Mehr als dreißig gleichberechtigte Charaktere führen vor, wie ein gescheitertes System Menschen in verheerende Abhängigkeiten treibt. Oftmals scheinen Mörder und Dealer menschlichere Vorstellungen von Moral zu haben als die Amtsinhaber, die für Recht und Ordnung sorgen sollen.
Der Star ist das verfallende Baltimore, und jede Staffel lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt des Lebens in der Stadt: wie eine Spezialeinheit der Polizei versucht, Beweismaterial gegen eine Drogengang zu sammeln; wie der Niedergang des Hafens die weiße Mittelschicht zerstört; wie Hierarchien und persönlicher Ehrgeiz in den Institutionen jeden Fortschritt verhindern; wie die Schulen versagen; wie die Medien versagen. Kein Zuschauer könnte diesen Schwall deprimierender Vorgänge ertragen, wären Proposition Joe, Omar, The Bunk, McNulty und alle anderen Figuren nicht beseelt von einem Sinn für Humor, so trocken und herzerfrischend, wie man ihn noch nie im TV gesehen hat.”
Außerdem wird geflucht, was das Zeug hält und da Baltimores Einwohner mehrheitlich Schwarze sind, wäre ich ohne Untertitel völlig aufgeschmissen gewesen.
Schnee an der Bay
Folgen Sie diesem link zur erschütternden und schonungslosen Fotodokumentation: https://picasaweb.google.com/mucbiene/SchneeAnDerBay02?feat=directlink
PS: wenn das mit dem Wetter dann so ausgeht wie dieses Wochenende, können die von mir aus gerne weiter Schnee prognostizieren.
Chronik eines angekündigten Schneesturms
Der gemeine Bay Areaner verbringt Winterwochenenden gerne am Lake Tahoe, mit “Snow Blast”, Fun und Après-Ski (hat einen besonderen Charme, wenn’s mit hiesigen Akzent ausgesprochen wird) und freut sich ganz allgemein, dass er nach all dem Spaß wieder heim in eine gemäßigte Klimazone fahren kann. Das hat seine Richtigkeit und war außerdem sowieso schon immer so. Nicht an diesem Wochenende: da soll es hier in der Gegend bis in die Tieflagen schneien (1000 Fuß, also ca. 300 Meter). Die öffentliche Meinung schwankt zwischen “excited” und “panic”, vereinzelt kommt es bereits zu Hamsterkäufen. Unsere unerschrockene Berichterstatterin ist aktuell im Katastrophengebiet:
– Donnerstagnacht: Es schüttet, regnet Hunde, Katzen, Waschbären. Auf den Straßen steht das Wasser kniehoch, alle fahren als hätten sie dergleichen noch nie zuvor erlebt.
– Freitag: Pünktlich vor dem Einsetzen des morgendlichen Berufsverkehrs hört der Regen auf, die Sonne kommt heraus und bescheint die klitschnasse Autobahn. Tagsüber bleibt es mild und sonnig. Erst gegen Abend wird es wieder kühl. Nach Ansicht der befragten Experten ist der Grund für den Temperaturwechsel der Abwesenheit direkter Sonneneinstrahlung zuzuschreiben.
– Samstag: Morgens um 7 ist es unnatürlich hell. Weil Schnee liegt und das Tageslicht reflektiert? Nein. Die Sonne ist aufgegangen.
Samstag, High Noon: Die Helligkeit scheint sich gesteigert zu haben. Entgegen der Warnungen aller Kollegen erwägt die Chronistin todesmutig einen Außeneinsatz, verfaßt einen Abschiedsbrief (just in case) und legt witterungsentsprechende Schutzkleidung an (Schneebrille).
Samstag, 12:10pm: Unsere Antwort auf Antonia Radosz kehrt zurück in die Redaktion, schleppt sich mit letzter Kraft zum Lebensmittelrationsdepot und entnimmt ein gekühltes Getränk. Offensichtlich in dem Bedürfnis nach weiteren warmen Bekleidungsschichten, ergreift sie den Korb mit der Schmutzwäsche. Man hört sie halblaut (schon schneewirr?) murmeln: “Die spinnen alle! Von wegen Schnee! Draußen ist einfach Frühling, sonnig und warm. Ich stopfe den Krempel jetzt in die Waschmaschine und hänge das Zeug anschließend in die Sonne… – Kommt doch mit raus.” Selbstverständlich kein Drankdenken! Als ob wir alle lebensmüde wären.
Samstag, 12:45pm: Gerade ist sie wieder hereingekommen. Die zusätzlichen Textilschichten haben wohl nicht geholfen, sie scheint sich nunmehr des alten Pennertricks mit Zeitungen unter der Kleidung helfen zu wollen. Warum sonst hätte sie das TIME Magazine an sich gerissen?
Samstag, 2:00pm: Inzwischen hat sie schweres Gerät geholt. Wahrscheinlich um uns zu schützen gibt sie vor, “im Garten arbeiten” zu wollen. Dabei ahnen wir die Wahrheit längst, vermutlich sind wir von ausgehungerten Eisbären umzingelt. Sie ist so tapfer.
Samstag, 6:00pm: Wir haben von draußen Nahrung bekommen. Keiner fragt, was auf den Tellern liegt und woher es kommt. Es schmeckt nach Pizza.
Samstag, 11:51pm: Wir sind am Leben. Noch. Was der Morgen wohl bringen mag? Noch wissen wir nicht, ob alles Leben unter der gnadenlosen Eisschicht abgestorben sein wird. Unsere Außenreporterin scheint bereits erheblichen Schaden davongetragen zu haben und halluziniert von blödsinnigen Wettervorhersagen, Blauen Bändern, Vogelgezwitscher und blühenden Reineclauden.
Mögen die Götter uns beistehen.