Chronik eines angekündigten Schneesturms

Der gemeine Bay Areaner verbringt Winterwochenenden gerne am Lake Tahoe, mit “Snow Blast”, Fun und Après-Ski (hat einen besonderen Charme, wenn’s mit hiesigen Akzent ausgesprochen wird) und freut sich ganz allgemein, dass er nach all dem Spaß wieder heim in eine gemäßigte Klimazone fahren kann. Das hat seine Richtigkeit und war außerdem sowieso schon immer so. Nicht an diesem Wochenende: da soll es hier in der Gegend bis in die Tieflagen schneien (1000 Fuß, also ca. 300 Meter). Die öffentliche Meinung schwankt zwischen “excited” und “panic”, vereinzelt kommt es bereits zu Hamsterkäufen. Unsere unerschrockene Berichterstatterin ist aktuell im Katastrophengebiet:

– Donnerstagnacht: Es schüttet, regnet Hunde, Katzen, Waschbären. Auf den Straßen steht das Wasser kniehoch, alle fahren als hätten sie dergleichen noch nie zuvor erlebt.

– Freitag: Pünktlich vor dem Einsetzen des morgendlichen Berufsverkehrs hört der Regen auf, die Sonne kommt heraus und bescheint die klitschnasse Autobahn. Tagsüber bleibt es mild und sonnig. Erst gegen Abend wird es wieder kühl. Nach Ansicht der befragten Experten ist der Grund für den Temperaturwechsel der Abwesenheit direkter Sonneneinstrahlung zuzuschreiben.

– Samstag: Morgens um 7 ist es unnatürlich hell. Weil Schnee liegt und das Tageslicht reflektiert? Nein. Die Sonne ist aufgegangen.
Samstag, High Noon: Die Helligkeit scheint sich gesteigert zu haben. Entgegen der Warnungen aller Kollegen erwägt die Chronistin todesmutig einen Außeneinsatz, verfaßt einen Abschiedsbrief (just in case) und legt witterungsentsprechende Schutzkleidung an (Schneebrille).
Samstag, 12:10pm: Unsere Antwort auf Antonia Radosz kehrt zurück in die Redaktion, schleppt sich mit letzter Kraft zum Lebensmittelrationsdepot und entnimmt ein gekühltes Getränk. Offensichtlich in dem Bedürfnis nach weiteren warmen Bekleidungsschichten, ergreift sie den Korb mit der Schmutzwäsche. Man hört sie halblaut (schon schneewirr?) murmeln: “Die spinnen alle! Von wegen Schnee! Draußen ist einfach Frühling, sonnig und warm. Ich stopfe den Krempel jetzt in die Waschmaschine und hänge das Zeug anschließend in die Sonne… – Kommt doch mit raus.” Selbstverständlich kein Drankdenken! Als ob wir alle lebensmüde wären.
Samstag, 12:45pm: Gerade ist sie wieder hereingekommen. Die zusätzlichen Textilschichten haben wohl nicht geholfen, sie scheint sich nunmehr des alten Pennertricks mit Zeitungen unter der Kleidung helfen zu wollen. Warum sonst hätte sie das TIME Magazine an sich gerissen?
Samstag, 2:00pm: Inzwischen hat sie schweres Gerät geholt. Wahrscheinlich um uns zu schützen gibt sie vor, “im Garten arbeiten” zu wollen. Dabei ahnen wir die Wahrheit längst, vermutlich sind wir von ausgehungerten Eisbären umzingelt. Sie ist so tapfer.
Samstag, 6:00pm: Wir haben von draußen Nahrung bekommen. Keiner fragt, was auf den Tellern liegt und woher es kommt. Es schmeckt nach Pizza.
Samstag, 11:51pm: Wir sind am Leben. Noch. Was der Morgen wohl bringen mag? Noch wissen wir nicht, ob alles Leben unter der gnadenlosen Eisschicht abgestorben sein wird. Unsere Außenreporterin scheint bereits erheblichen Schaden davongetragen zu haben und halluziniert von blödsinnigen Wettervorhersagen, Blauen Bändern, Vogelgezwitscher und blühenden Reineclauden.

Mögen die Götter uns beistehen.

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