Gelesen: John Hicklenton’s 100 Months

John Hicklenton ist, wenn überhaupt, bekannt als der Schöpfer von Judge Dredd. Mit “100 Months” hat er sein Opus Magnum, sein Vermächtnis geschaffen; er hat diese verstörende Graphic Novel kurz vor seinem Freitod im Frühjahr 2010 beendet. In ungeheuer intensive Panels, rot von Blut und berstend vor Gewalt kämpft Mara, die Inkarnation des weiblichen Zerstörungsprinzips die letzte Schlacht gegen den falschen Gott “of shine and coin” Longpig und seine Jünger. Sie watet durch das Blut der Killing Fields und durchstreift öde leere Landschaften, es gibt keine Farben mehr außer Rot, Schwarz und Weiß.

Harte Kost und wert, sich darauf einzulassen.

Neu im Kino: Carnage – A new comedy of no manners.

Deutscher Titel: Der Gott des Gemetzels

Eine gute Stunde Kammerspiel, genau wie ich erwartet hatte. Zwei Elternpaare, die sich wegen einer Prügelei ihrer Söhne und der zu treffenden Maßnahmen besprechen wollen und denen die Situation entgleitet. Inszeniert von Roman Polanski, brillant besetzt (Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly), wunderbar böse Dialoge, wenn der Zivilisationslack abblättert.

Ganz nett, wenn im Vorspann zu sehen ist, dass die Filmförderung Bayern auch ihr Scherflein beigetragen hat.

Potluck

Ein zwangloses Essen zu dem jeder etwas mitbringt, heißt in Amerika “potluck”. Die Etymologie ist zweifelhaft, keiner weiß so genau, wo’s herkommt und was genau gemeint ist. Ob nun das sprichwörtliche Glück, als Überraschungsgast noch was aus dem Topf abzukriegen, oder die Ein-Topf-Küche armer Iren, die halt alles in das einzig verfügbare Gefäß rührten, was gerade da war, oder doch indianisches “Potlatch”, eine zeremonielle Mahlzeit. Ist ja auch egal. Wir hatten heute eines und viel Spaß damit.

Es wurde gereicht: von Paul aus Australien Lamm in Hoisinsauce und Honig mariniert, von Wei aus China eine Art Sülze mit Schweine- und Rinderknorpeln (oder so), von Wes aus Kalifornien Schweinerippchen nach Mutters Rezept (mit Hoisinsauce, Mutter ist nämlich aus HongKong) und von Sabine aus Deutschland original persisches Safran-Reispilaf. Zum Nachtisch gab’s selbst gebackene Plätzchen von Wes’ Schwester sowie Popcorn, mit Karamell und zwei verschiedenen Schokoladen überzogen.

Irgendwie ist schon was dran, daß gutes Essen auch mit dem Umstand versöhnt, daß man an den Tagen arbeitet, wo alle anderen freihaben.

“We are here to help!”

schreibt mir ganz vollmundig der hiesige Provider des sogenannten 401-k-Planes, einer Art Direktversicherung für Mitarbeiter. Ich soll mich über (das doppelt und dreifach abgesicherte Portal) einloggen, damit wir gemeinsam an der “Year end compliance” arbeiten können. Klar, verstehe ich, muss sein. Ein Schriftzug, Rot auf Schwarz (sehr sehr augenunfreundlich), poppt auf: “BE SURE TO CHECK YOUR TASK TRACKER!”, was sich bei näherem Hinsehen einfach als Aufgabenliste (für mich) entpuppt. Sobald ich verstanden habe, was sie von mir wollen, werde ich mich gerne drum kümmern:

Dec 01     The deadline for distributing the Summary Annual Report (SAR) to the appropriate employees and beneficiaries if you filed a form 5558 is approaching.
Dec 15     Deadline for distributing the Summary Annual Report (SAR) to the appropriate employees and beneficiaries if you filed a form 5558 to request an extension of time to file form 5500.

 

Häh?

Escort-Service

In 34 Minuten vom Parkplatz im Ortszentrum in Palo Alto bis zu meiner Einfahrt? Das geht ganz einfach, wenn sich, so wie heute, die Highway Patrol vor mich setzt und ich dann in deren Windschatten, näher an 80 als an 70 mph (erlaubt sind 65) an allen vorbeibrause, die angesichts eines Polizeifahrzeugs wieder in eine Schreck- und Kriechstarre verfallen sind.

Ob man die für den Feierabend buchen kann?

Wenn die Musi spuit

Aus (für Insider nachvollziehbarem Anlaß) war’s mir heute morgen auf einmal nach Wader. Während der Hannes vom Kleinen Trompeter sang, tröteten auf einmal von der Straße her in einem ganz anderen Rhythmus Tuben (doch, ich hab’s nachgeschlagen, das ist der korrekte Plural von Tuba) und Becken wurden geschlagen. Was ist da los? Der Nachbar von Gegenüber hat Kapellenzugehörigkeitsjubiläum und darum spielen die Musikerkollegen für ihn auf. (Der kleine graue Fusselkopf über der blauen Jacke links gehört Lyn, die war natürlich als erste am Schauplatz.) Danach gab’s Tequilla shots für alle, die gerade so ‘rumstanden.

¡Salud, compañeros!

 

X-mas is over

Weihnachten ist offiziell vorbei – “all Christmas merchandize is 70% off” und alle Grußkarten aus den Ständern verschwunden. Sehr schön, dann kann die “stade Zeit” ja endlich anfangen.

Guter Tausch!

Jedes Jahr so um Weihnachten ‘rum fahre ich 20 Minuten über den Berg nach Westen nach Pacifica, am (Überraschung!) Pazifik. Dann hole ich mir im ChitChat-Café eine Latte, bummele über den Steg und schaue den Krabbenfischern zu (seit November ist Dungeness crab Season). Wenn ich ganz arg viel Glück habe (habe ich meistens), scheint die Sonne und die Flut kommt und dann kann man am mittelspäten Nachmittag für ca. eine halbe Stunde auf hohen Wellenschaumkämmen Regenbogen tanzen sehen. Mal ganz im Ernst: Glühwein, Oh Tannenbaum, Weiße Weihnachten, Christkindlmarktgedränge, Platzerl – was ist das schon gegen (wie hier zu sehen) Double Rainbows und Sonne?

Okay, Platzerl gehen mir schon ab. Aber die kann ich selber. Und heute Abend gibt’s lecker EggNog mit Whiskey, in meinen Augen der einzig vernünftige Beitrag der Angelsachsen zu Christmas.

 

Zwischen den Jahren

Was man halt so macht: Photos sichten und sich mit großer Freude der Reisen erinnern. Bettgestell zusammennageln. Den Waschbeckenüberlauf mit Kaboom-getränkten Stöpseln tamponieren, weil Ameisen in Horden von dort aus versuchen, das Haus einzunehmen. Soviel Unkraut jäten und Büsche schneiden, daß kein Blatt mehr in die Gartentonne paßt. Plätzchen backen und Ameisen verscheuchen, die meine Mandelmakronen für ihr Weihnachtswunder halten. Plätzchen in Tütchen, Schleifchen dran und an die Nachbarn verschenken. Sofort spontan von Lyn zum Weihnachtskaffee eingeladen werden.

Sie habe einen Trauerfall, “my best friend has passed away”. Aber, “no worries”, sie habe schon einen neuen bestellt. Bei Sears. Das ist mal ein Späßle! Sie kichert sich eins. Der uralte Röhrenfernseher ist nach nunmehr fast 30 gemeinsamen Jahren aus dem Leben geschieden. “He’s keeping me company.” Ob es denn stimme, dass “The Internet” günstige Fernseher verkaufe? Und bevor ich auch nur zur Antwort ansetzen kann, unterbricht sie, “Nevermind – The Internet does not deliver. Sears does.” Lyn weiß das und sie weiß es besser, wer wäre ich, ihr zu widersprechen. Nach einer Viertelstunde schimpft sie, weil ich meinen Kaffee nicht trinke. Isch ‘abe aber gar keine Caffé! Sie hat zwar Wasser in Tassen gefüllt und Instantzeug ‘reingerührt, aber vergessen, die Brühe in die Mikrowelle zu stellen (wie letztes Jahr auch, ich hatte insgeheim darauf gehofft). Macht sie jetzt. Gleich. Sofort. Und ist schon wieder abgelenkt, weil sie Sam in seine Einfahrt abbiegen sieht. “Sam”? Mein Stichwort. Ich muß los, ihm seine Tüte bringen. “Thanks for the coffee.”

Sam wünscht “Feliz Navidad! To you and all your friends!”, freut sich über die Kekse und wir vereinbaren für nächstes Jahr einen Deal: er lehrt mich Spanisch, ich ihn Internet. Einen Computer hat er schon, aber keine Ahnung mehr, wo die ganzen Kabel sind. Das wird ein Spaß werden.

Ich gehe dann mal wieder heim, mir en Movie für später aussuchen. Außer den “Boondock Saints” habe ich bisher nicht einen guten Film gesehen und im Kino läuft nur Müll, es sei denn, man könne sich für Tom Cruise oder Alvin and The Chipmunks begeistern. Dann doch lieber Streaming. Mit einer kleinen Einschränkung: jeden Abend gegen 09:00 fällt das Internet für ca. eine Viertelstunde aus. Der Customer Support von San Bruno Cable hat dazu keine Meinung – es könne möglicherweise daran liegen, daß zur Zeit mehr Menschen als sonst abends online seien… Mir bleibt als Alternative immer noch, Photos zu sichten, meine Fresse, waren wir viel unterwegs. Darüber hinaus habe ich noch einen Philip Roth zu lesen und die letzten beiden Bände Harry Potter. Wahlweise kann ich mit Photos sichten weitermachen (mit der ersten Hälfte dieses Jahres bin ich inzwischen durch) und irgendwann mit dem Photobuch für meine Eltern anfangen. Vor der Ablage des letzten Jahres werde ich mich drücken, und vorm Bügeln auch, bin schließlich mit den Photos noch nicht fertig. Ganz ehrlich: ich werde mindestens noch zwei freie Wochen brauchen, um den aufgeschobenen Kram zu erledigen. Wie sag’ ich’s bloß meinem Cheffe?

Morgen gedenke ich, kurz in die Welt zurückzukehren. Die Milch ist aus. Die Weihnachtsbeschallung hoffentlich auch.

Neu im Kino: Sherlock Holmes: A Game of Shadows

Guy Ritchie hat sich da einen schnellen Klamaukfilm zusammengeschnitten. Robert Downey Jr. überzeugt als Charleys Tante, Judd Laws Dr. Watson darf immer noch nicht anders, als tumb sein und Stephen Fry zeigt freudig “the other Holmes”, Sherlocks perfid-schmieriger Bruder.

Zitat: “Sherlock Holmes: [referring to Moriarty] If we can stop him, we shall prevent the collapse of Western civilization… No pressure.”

Bunt und schnell und laut; kein Film, den man sehen muß.