Schreiben nach Gehör

Auf dem Wochenmarkt verkaufen heute ein paar Kinder selbergemachte Mammelahde in den Geschmacksrichtigungen Ärdbär, Bromber und Jo, Jo, Johansabeer (in einer Erwachsenenhandschrift fertiggestellt).

Meine Innere Deutschlehrerin hat ihren virtuellen Rotstift gezückt, mal flott durchkorrigiert und dabei diese dümmste aller Lehrmethoden verflucht. Dann gings uns gut (ihr und mir) und für den Rest unseres Einkaufsbummels waren wir gehobener Stimmung. Ich bin ja so leicht glücklich zu machen…

Gastfundstück

Ganz vielen herzlichen Dank an Herrn M. aus K., der dieses unglaubliche Schnäppchen gestern im Saturn-Prospekt entdeckt hat.

Jeden Tag eine gute Tat

Beim Bäcker gibt es heute ganz neu Feigengiabatta. Ich mag Feigen, ich mag Giabatta, also eigentlich ein No-Brainer, außer, dass ich weiß, dass die Portion für mich eigentlich zu viel ist und dass das Brot, Feigen hin oder her, morgen strohig sein wird und ich es dann nicht mehr essen mag und werde. Weil ich aber Brot wegwerfen hasse, kaufe ich halt keins. Aber interessant klingt es schon.

Wie ich mich in der Warteschlange so umsehe (Handy liegt oben, beim Laden), sehe ich auf dem Gesicht der Dame nach mir exakt dieselbe Überlegung ablaufen und da fasse ich mir ein Herz und frage sie, ob ich a) ihre Mimik richtig interpretiert habe und sie b) daran interessiert wäre, ein Brot mit mir zu teilen. Ist sie. Ich kaufe, wir brechen das Brot (“nach der Kasse”, ganz konspirativ) und dann verzichte ich auch noch darauf, das Geld für ihre Hälfte anzunehmen.

Mehr gutes Werk an einem Freitag geht nicht. Ich hoffe, Karma ist für dieses Wochenende im Voraus bestochen.

Mannem

Ach, Mannem. Schon dein Name klingt wie Musik… Wie? Es sind nicht alle meine Leser*innen fließend im Vorderpfälzischen? Naa guut, dann führe ich den Gedanken halt etwas weiter aus.

Also. Der Hunsrück ist von eher spröder Schönheit und läßt sich nur schwer erobern. Von München aus kommt man zwar leicht (naja, ist DB) mit dem Zug nach Mannheim. Wenn die Reisende ganz viel Zeit hätte, könnte sie mit einer Kombination von Regionalbahnen und Bussen sowie ausgedehnten Aufenthalten auf wahrscheinich landschaftlich bildschön gelegenen Wartebänkchen sogar bis zum Emmelshausener Bahnhof* kommen. Weil Wanderarbeiterinnen wie ich aber nicht fürs Lustig-durch-die-Landschaft-reisen bezahlt werden, gehts mit dem Leihwagen weiter. Immer die 61 lang, bis zur Ausfahrt 42. Dörth.
Immer wenn ich aus dem Hunsrück heimkehre**, muß ich das ausgeliehene Fahrzeug wieder zum Verleiher in der Mannheimer Turbinenstraße zurückbringen.

Und nun kommen wir zum Thema aus der Einleitung. Musical Mannem. Je nach Navi und dessen Verkehrsführung, überquere ich auf der Route eine bis fünf Brücken und bei jeder einzelnen lege ich eine Gedenkminute für Joy Fleming ein. Ganz besonders, wenn es über den Neckar geht. Da fange ich immer an zu summen “un jetzt fahr isch widder üwwer die Mannemer Brick, die Mannemer Neckarbrick”. Wer jetzt glaubt, die gute Joy (möge sie im Blueshimmel die blöden Harfenengel von den Wolken röhren), sei aus dem Musikkanon für die ältere Generation, der ist noch nicht mit mir in “Neues Leben” abgebogen. Spätestens an der Kreuzung mit “Starke Hoffnung”, an der ich mir aussuchen kann, ob ich über “Große Ausdauer”, “Eigene Scholle”, “Guter Fortschritt” oder “Frohe Arbeit” nach “Gute Erde” weiterfahre, singe ich aus vollem Hals das Liederbuch des guten Proletariers rauf und runter und denke mir meine Kuhle Wampe. Hach!

Aber da vorn ist schon der Trommelpalast. Jetzt noch Night Magic links und Tanzvernügen rechts liegen lassen und das Auto über die zwei Megamonsterhuckelwellen navigieren und da ist auch schon das Autoverleiherschild. Wie üblich auf dem weitläufigen Gelände einmal falsch abbiegen, deswegen noch mal über die Megamonsterhuckelwellen klettern und dann heißt es: nächste Station Bahnhof Mannheim. Tschulligung: Hauptbahnhof.

Auf dem Weg dahin gibt es allerlei zu sehen, aber davon erzählt die liebe Tante flockblog das nächste Mal und liest sich jetzt für die letzte Stunde Bahnfahrt noch eins.

* Von dessen schierer Existenz sogar einige der Menschen überrascht waren, die schon eine ganze Weile (ungefähr seit ihrer Geburt) in der Region leben.

** Hab mich noch nie so auf zu Hause gefreut wie dieses Mal. Annerthalve Wochen uffm Hunsrück überlebt zu haben, das macht den Unterschied zwischen Wonderwoman und Memme!

Wo du wolle?

Wohin es denn nachher mit dem Leihwagen weitergehe, will mein freundlicher Taxifahrer wissen. “In den Hunsrück.”
“Wo?” hakt er nach. Bitte, Mann, es ist Montag. Ich bin viel zu früh aufgestanden und schon viel zu lang (frag den Fahrplan) im Zug gesessen. Ich kann jetzt noch nicht komplizierte Konversation machen. “Hunsrück”, wiederhole ich.
“Ah,” geht ein verstehendes Leuchten über sein Gesicht. “Isse logisch. Hin und Ssrück.”

Danke, mein freundlicher Taxifahrer: Irgendwie bin ich mit dem Tag jetzt etwas versöhnter.

Tuppern mit Transe oder Wenn es Nacht wird im Hunsrück

  • Sie hätte können, sagt die Frau Wirtin, am Sonntag zum Kinderpinkeln gehen. Aber mal ganz ehrlich: wenn die Jungeltern zu kniestig sind, einen zur Taufe einzuladen, dann sollen sie mit ihrem Balg (sprich: Balch) doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Weil: Für nur drei Bier fahr ich nicht nach Trier! (Kann man verstehen. Ich führe nicht mal für fünf. Aber mich fragt ja auch keiner.)
  • Das Wochenende, berichtet die junge Kollegin ganz beseelt, sei doch wieder waaahnsinnisch (mit lässig drei Wolfgang-Petry-A gedehnt) gewesen. Den ganzen Samstagabend habe sie sich mit ihren Freundinnen, der Dildofee (https://www.dildofee.de/) und recht viel Wein vergnügt. Ich könne mir das wie eine Art Tupperparty für Erwachsene und Damen vorstellen. Weil man aber die Feenproduktpalette nach ein paar Feenveranstaltungen doch schon recht gut kenne, sei auch an diesem Abend der eigentliche Höhepunkt das entgeisterte Gesicht des Dönermannes gewesen, von dem sie und die Mädels um Mitternacht wat zur Stärkung mit vill Knoblauch hatten liefern lassen.
  • Da guckt die andere Kollegin recht traurig. Bei ihr im Dorf habe es nur zur dritten Thermomix-Party in Folge gereicht. Da kauft keiner, dafür is et Essen jut. Aber, wird sie schon wieder fröhlicher, sie habe bereits einen Platz für die Tupper-Party mit Mimi Anfang Oktober ergattert. Die gehen immer weg wie nix, denn Mimi, das müsse ich mir mal vorstellen, sei nämlich ein Mann. Ein Mann, der Frauenkleider trägt und sich schminkt. Immer. Auch, wenn nicht Karneval ist. Ich glaube, die angemessene (und erwartete) Reaktion wären Louis-de-Funèssche Grimassen und Laute gewesen.
    Habe mich stattdessen erkundigt, ob es noch andere Shopping-Parties gibt. Putzmittel, lerne ich, sind langweilig und teuer, Kosmetik (schön, noch teurer), Schmuck (mußte keine zwei Mal hingehen), Staubsauger (wie Putzmittel) und Längscherie (viel zu eng für rischtische Frauen).
    Was mir alles entgeht, wenn ich mich fürs Wochenende heim in die Großstadt absetze…

Windsbraut (dem Wehehesterwald zugeeignet)

Heute bin ich auf der A61 aus dem Hunsrück in die Voreifel gefahren (Nicht Eifel, das ist wichtig. Nur Voreifel. Ist wie Alpen und Voralpen.). Zwecks Familientreffen. Es hilft nämlich, wenn die Eltern schon früh häufig umgezogen sind und einem quer durch die Republik ein Netz von Bezugspersonen hinterlassen haben.

Aber anderes Thema. Ich kenne ja Straßenbau häufig so, dass man die Straße über die Landschaft legt und der Benutzer alle Höhen und Tiefen ausfahren muß. Nicht so auf der A61. Da hat man über Täler und Flüsse reichlich und viele und lange Brücken gebaut, auf die jeder Wind, der was auf sich hält, recht fest von der Seite bläst.

Bei der Fahrt heute zog es wie Hechtsuppe. Mußte zu meinem Bedauern feststellen, dass mein Leihwagen sich anscheinend seinerzeit vor den Tests im Windkanal gedrückt hat, dafür jetzt bei jeder Bö einen Mordsschiß kriegt und sich am liebsten über den Seitenstreifen verdrücken würde. Am besten gleich mit voller Wucht in die Schlucht. Ich hatte meine liebe Mühe, den Wagen in der Spur zu halten und den Arme-Workout meines Lebens. Gibt bestimmt einen Muskelkater…

Aber sonst war es sehr schön und wenn ich nochmal übers Wochenende bleibe, besuche ich euch wieder! Danke!

Das Wandern ist des Müllers* Lust…

Wochentags frühstücke ich im allgemeinen im Kreise schweigsamer Männer, denen ihre Unternehmen die Übernachtung bei https://www.monteurzimmer.de erspart haben. Ein knapper Gruß, viel Kaffee, zwei, drei dick belegte Brötchen einatmen, noch ein knapper Gruß und weg sind sie.

Am Wochenende lernt man Frau Wirtins andere Gäste kennen. Die, die nicht in viel zu früher Stunde ihrem Tagwerk nachgehen, sonderm zum Spaß hier in der Gegend sind. Die rascheln sich schwer aufgeräumt und mitteilsam in ihrer Funktionskleidung durch den Brötchenkorb und die Auswahl an mindestens fünf verschiedenen Mettwurstsorten und nehmen gerne noch “wat Leckeres” und ein “Säftsche” zum Abschluß. Nach erfolgtem Stuhlgang (ein Thema, das sie offensichtlich alle beschäftigt und das ich außerhalb eines Krankenhauses noch nie so oft öffentlich diskutiert gehört habe) sieht man sie im Treppenhaus wieder, gerüstet für den Tag. Die Wanderstiefel geschnürt, die Stöcke fest in der Hand und das beige (immer beige!) Rascheloutfit von einem Anorak in einer Primärfarbe gekrönt.

Ich hoffe, sie wandern sich recht müde und müssen nicht heute Nacht wieder Rheinlieder singen.

* Heiße ich vielleicht Müller? Eben.

Gelesen: Becky Chambers – “The Long Way to a Small, Angry Planet”

Ms. Chambers scheint ihr Teil an Science Fiction gelesen und gesehen zu haben und bedient sich für ihren Roman aus dem bewährten SF-Baukasten. Die Wayfarer (= Wanderer, Reisender, Suchender) ist ein Schiff wie ein Flickenteppich, aber flugfähig und heißgeliebt von ihrer Besatzung (und wer jetzt “Firefly” denkt, dem gehts wie mir). Der Captain ist ein guter Mann und seiner Crew, zusammengewürfelt aus allen Spezies unter den Sonnen, wie ein Vater (und wer jetzt “Nathan Fillion” denkt, dem gehts wie mir). Er ist ein Nachfahre der “Exodus”-Flotte, also der letzten Menschen, die damals den sterbenden Planeten Erde Richtung Weltall verließen, in der Hoffnung, irgendwo da draußen etwas besserers zu finden als den Tod. Auch die beiden Techies sind Menschen, eine Elendsquasselstrippe und ein Kleinwüchsiger – beide mit Herz und Werkzeuggürtel auf dem rechten Fleck. Dann gibt es noch den Algenbauer (Algen = Treibstoff), ein Geschöpf ohne jede Sozialkompetenz, weswegen seine Kollegen wohl abstreiten würden, dass er ein Mensch ist.

Die Pilotin ist Angehörige einer gefiederten Echsenrasse, der Navigator ein quallenblasenartiges Zweiwesen, von dem auch nur im Plural gesprochen wird und für das leibliche Wohl ist ein Insektioid mit 3 Paar Handfüßen zuständig: Dr. Chef, Schiffsarzt und Koch. Last but not least: die AI Lovey (von Lovelace). Zu diesem bunten Haufen stößt Neuzuwachs Rosemary vom Mars und über sie lernen wir Leser alles über Raumschiff, Crew, Ernährung, die Stationen am Weg und die Verständigungsmöglichkeiten (eine armselige gesprochene Lingua franca und viele an Gestik, Farben, Mimik, Tönen und anderen Dingen reiche weitere Sprachen. Hach!).

Ms. Chambers läßt sich viel Zeit, die kleinen und großen Macken ihrer Figuren zu beschreiben. Besondere Freude hat sie an den “Aha”-Momenten, die sie ihre Protagonisten erleben läßt, wenn sie Eigenheiten und vermeintliche Eigentümlichkeiten einer anderen Spezies in die eigene “übersetzen”. Nicht mißverstehen: das Buch ist keine große Space Opera. Aber ein kleines feines Werk über Multikulti, unorthodoxe Beziehungen, Antirassismus, Unkonventialität und “gender fluidity”; Themen, die die Autorin dauernd geschickt und mühelos einfließen läßt. Auf den letzten 40 Seiten gibts Rambazamba und Raumschlachten in der Umgebung des kleinen zornigen Planeten, bis dahin geht es um nichts anderes, als was der Titel versprochen hatte: den langen Weg, bei dem mir keine Minute langweilig geworden ist. In einer deutschen Kritik habe ich den Begriff “Wohlfühl-Sci-Fi” gelesen. War abwertend gemeint. Hätte es nicht sein sollen, denn das trifft es genau. Muß ja nicht immer dystopisch sein.

Die ersten beiden Wayfarer-Bände gibt es schon auf Deutsch und wer gerade nichts besseres zu tun hat, möge lesen! Lesen! Lesen!