Bergfest!

… und noch vor halb acht morgens lärmen die Glocken die Gläubigen zum Gebet und die Ungläubigen in einen Zustand fassungsloser Wachheit (wo ich doch einmal hätte ausschlafen können…). Dabei ist heute erst Samstag. Welcher Krach erwartet mich dann um Gottes Willen morgen erst?

Adoptiert

Die Frau Wirtin, wiewohl an Jahren jünger als ich, hat mich anscheinend ganz tief in ihr Mutterherz geschlossen. Heute Abend stand ein liebreizend gebundenes Sträußchen aus gelben Rosen und Sonnenblumen auf dem Tisch in meinem Zimmer.

Die ist schon sehr sehr nett zu mir.

TGIF

Frage: Was ist der Superlativ von “trübsinnig”?
Antwort: Ein Industriegebiet an einem Freitagnachmittag bei regnerisch graubewölktem Wetter, die Straßen und Parkplätze menschenleer und selbst an der Tankstelle nichts los. Nicht mal Dorfjugend.
In der Dörther Variante drehen sich, fern am Horizont, dazu ein paar Windräder. Oft gegenläufig, was ich nicht verstehe, worüber ich aber eigentlich auch nicht nachdenken will.

Mich friert nämlich schon wieder. Ich hätte beim Kofferpacken dem Wetterbericht nicht trauen sollen, aber nun stehe ich da mit meinem kurzärmligen T-Shirt und einem leichten Baumwolljäckchen und schlottere im steten Wind. “Läßt sich lösen,” denke ich mir. “Habe ja eine Kreditkarte und Landeswährung an der Frau. Gehe ich halt los und kaufe mir einen schönen warmen Pulli oder ein Hoodie oder so.” Ja, so denke ich mir das.

Es ist nach sechs, die Geschäfte auf der Hauptstraße haben alle schon zu und das ist gut so, denn sonst würden potentielle Kunden womöglich über die hochgeklappten Bürgersteige stolpern. Und es macht auch nichts, weil es hier mindestens zwei Discounter-Cluster gibt, die bis um zehne nachts aufhaben. Ich brauche ohnehin noch Pantoffeln (keine 40° mehr, nicht mal 30°, also nix mehr barfuß gehen, weil kalte Füße) und könnte mich doch erst mal beim Schuh-Discounter warm kaufen und dann langsam steigern. Ich ignoriere alles, was glitzert und auf dem Tiere aufgestickt sind und werde ausgerechnet bei den Mädchenpantoffeln fündig. Die Innensohle ist zwar pink, aber dafür ist der sichtbare Rest in mutigem Mausgrau mit wenigen rosa Tupfen gehalten. Außerdem sind sie weich und billig und sowieso nur für unterwegs und alles ist besser als Eisfüße.

Nächster Stop: Der Klamottendiscounter nebenan. Oh je, vor der Tür an den Drehständern mit der “Super-Sale”-Ware flatterts bunt und bünter. Verdammt, obwohl meine Kolleginnen sie mir täglich vorführen, habe ich die modischen Vorlieben der beleibteren Damen aus Schwall, Ney, Niedert, Dörth, Norath, Utzenhain und Badenhard (viele davon weisen immerhin eine dreistellige Einwohnerzahl auf) nicht bedacht. Die müssen auch in der Metropole Emmelshausen shoppen, weils auf den Dörfern oft gar nichts gibt. Nicht mal eine Tankstelle. Die Damen aus dem Umland gehen ihrem Einkaufsbummel in Leggins nach. Ausnahmslos alle habens gerne vielfarbig und großgemustert und vor allem mit Glitter, Blink und Straß, Schleifelein und Bändchen sowie anderm Bammelgedöns und “pretty” und “pink” werden hier durchaus im selben Atemzug genannt. Oi wei, das wird nicht einfach.

Das findet die Verkäuferin auch. “Uni wird hier eigentlich nicht nachgefragt. Aber warten’Se…” und bringt einen Pulli in Schwarz, von dem vier, fünf Universen blinkern. Sternenhäufchen in Silber, Gold und (isjawurschtwiemansnennt) Bronze. Nein! Sowas kann ich nicht anziehen, auch wenn die Schultern ganz allerliebst mit einer Art Milchstraßenleuchtstreifen betont werden. “Haben Sie vielleicht noch was anderes in wirklich einfarbig? Ohne Glitzerzeug? Ganz egal, ob Jacke oder Pullover. Hauptsache warm.” Sie hält mich für einen hoffnungslosen Fall, dem jeder Sinn für das Schöne fehlt und empfiehlt mir, mich bei der neu eingetroffenen Übergangsware umzusehen. Da hängt sie dann auch, meine neue mollige dunkelblaue Jacke. Ein Einzelstück. Geht hier in der Gegend einfach nicht gut, sowas langweiliges.

Ich habe jetzt bloß noch ein paar Besorgungen beim Drogerie-Discounter zu erledigen und dann kann ich mir aussuchen, ob ich das Abendessen bei Netto oder Lidl besorge. Die haben einfach alles, die Emmelshausener.

Weltfremd

“Einhörner,” lerne ich vorhin im Kolleginnengespräch, “sind out. Tot. Einen Stich kannst du heutzutage nur noch machen mit “Kack-Tussen” (Trennstrich extra betont, hihihi) und “No Drama, Lama.”

Da schau her: gibts als Stieleis und auch als Gummitiere von Haribo…

Hmmm! Wenn ich sie nicht hätte, meine Hunsrücker Trendsetterinnen, dann wären Stachelpflanz und Spucktier total an mir vorbeigegangen und mir wäre nur der “Clown-Flansch” (ein Maschinenbauteil, heute auf einer Stückliste entdeckt) für meine Wörtersammlung geblieben…

Höhenrausch

Wenn man Geographen oder Kartographen oder anderen Berge-in-Kategorien-Einteilern* Glauben schenken will, bringts der Hunsrück (dessen Bewohner im übrigen nicht “im”, sondern “aufm” leben), gerade Mal zum Mittelgebirge. Ich lebe aber trotzdem den “Alpine Lifestyle”, weil die Frau Wirtin mir Luis Trenkers Duschgel ins Bad gestellt hat. Da steht drauf, dass ich mich schon mit einmal Einseifen fühlen werde wie ein echter Gipfelstürmer.
Ich habe ja immer geahnt, dass es einen leichtern Weg in schwindelnde Höhen geben muß, als mühselig Richtung Gipfelkreuz zu klettern…


Holldriho!

* Fällt das in den Zuständigkeitsbereich einer Berg-ISO? Was ist mit Hügeln? Gibts da was extrigs? Fragen über Fragen. Frau wird hier im Mittelgebirge noch ganz wunderlich.

Deutschland der Regionen

Bei meinem Stamm-Discounter in München hält man eine erfreulich große Menge von Bio-Lebensmitteln vor. Die meisten davon gibts hier beim gleichen Discounter nicht. Aber dafür eine riesige Kühlung randvoll mit “frischgeschnittener Metzgerwurst” in Packungsgrößen ab 200g.

Sonntagabends im Fernsehen: Polizeiruf 110 – Mörderische Dorfgemeinschaft (Magdeburg)

Achtung, Spoiler.

Sommerreife Felder im frühen Morgenlicht, ein Jäger mit Hund nimmt einen Wolf ins Visier. Er schießt. Daneben. Der Wolf entkommt. (Merken, das wird wichtig.) Später findet er auf einer Lichtung ein Auto mit einem Kofferraum voll Blut. Das Blut gehört Jurij Rehberg (Tambet Tuisk). Aber wo ist die Leiche abgeblieben?

Das Ermittlerpaar (Claudia Michelsen, Matthias Matschke) ermittelt an der kopfsteingepflasterten Dorfhauptstraße lang. Beim Bäcker (Christian Beermann) und seiner Frau (Katrin Wichmann). Und der Bäckersmutter (Jutta Wachowiak). Beim Automechaniker (Tom Keune) und seiner Frau, der Physiotherapeutin (Angela Scherz). Beim bösen alten Patriarchen (Hans Uwe Bauer) mit der blondgelockten von Jurij unehelich schwangeren Simpeltochter (Katharina Heyer). Und bei der bösen Hexe, ah, sorry, dem Dorn im Fleisch der Dorfgemeinschaft, der Single-Frau mittleren Alters, mit fetten Haaren, fetter Brille, fettem Bauch und einem Haus voller Home-Shopping-Kanal-Puppen (mit Mut zur Häßlichkeit: Tilla Kratochwil).

Sie alle hätten ein Motiv: sie alle wollen dem magischen Charme des nunmehr Toten erlegen sein und gaben ihm Geld und Gold, Tugend und Bäckerei. Doch was man von Tambet Tuisk in den Rückblenden zu sehen kriegt, kann beim allerbesten Willen nicht von dem Zauber der Figur überzeugen. Für meine Wahrnehmung reichte der gerade zum schmierigen Trickbetrüger und hätte von mir niemals nie nicht Leib, Seele oder Bankguthaben bekommen. Nicht mal ein Wurstbrot. Aber gut, das Drehbuch (Katrin Bühlig) sahs anders vor. Drum quälen sich Schauspieler und Zuschauer über die volle Distanz von eineinhalb Stunden Fernsehkrimi, obwohl schon nach der Hälfte die Luft raus ist. Dass man dann noch ein Tableau mit allen (in guter alter Poirot-Tradition, der seine Verdächtigen zur Enthüllung der Auflösung im Kaminzimmer um sich schart) sowie ein Last-Minute-Kombinier-Getue (“Ja wo ist sie denn nun, die Leiche?” “Sie wird doch nicht am Ende gut sichtbar in dem Faß gewesen sein, das während des großen Polizeieinsatzes zur Biogasanlage gefahren wurde?” “Uiuiui – das isses!”) aufpfropft? Geschenkt. War eh schon egal.

Ich habe das ja immer gar nicht gern, wenn eigentlich gute Ideen schlecht umgesetzt werden. Diese Produktion bekommt in dieser Sparte leider die volle Punktzahl. Meine Herren, dann doch lieber Sommerpause. Über den Titel mag ich erst gar nichts sagen. Wie phantasielos gehts denn noch?

Übrigens, haben sich alle die Sache mit dem Wolf oben gemerkt? Gut: In der letzten Einstellung jagt der Jäger ihn wieder, den Fremdling in den Wäldern, der friedliche Schäfchen reißt. So wie der Kaliningrader Jurij im Dorf. Mann, ey! Das also war des Wolfes Kern. Eine Parabel! Holla!

This is Sparta!

Quatsch con salsa! 300 – das ist die Anzahl der Tage, die ich nun schon ohne Unterbrechung, rain or shine or Dörth, Spanisch lerne. Und ich kann sehr stolz vermelden: Yo hablo Lückentext. Muy fluente.
Bin gespannt, was die Andalusier im September dazu sagen werden. Wahrscheinlich irgendein lokales Äquivalent von “Häh?”.

Frau Wirtin hat auch einen Fan

Die liebe gute Frau Münster, Chefin des gleichnamigen Hotels in Emmelshausen, ist ein ganz ganz großer Schatz!

Seit ich das erste Mal nach einem zweiten Kissen gefragt habe, bekomme ich nun immer eines. Seit ich das erste Mal ein Messer erbeten habe, steht seit meinem zweiten Aufenthalt ungefragt immer einen Teller mit allem, was die Besteckschublade hergibt, hübsch abgedeckt mit einer Serviette bei mir im Zimmer. Und seit ich ihr heute mein Leid geklagt habe, dass ich, wo doch jetzt der Kollege in Urlaub ist, abends gar nicht so gern alleine essen gehen (mal ganz abgesehen davon, dass die hier montags alle Ruhetag haben, weil sie ja am Wochenende offen hatten und mittwochs sowieso, wegen Tradition) und stattdessen, wenn ich eh bloß irgendwas auf dem Zimmer esse, bei dem Scheißwetter gerne dazu ein Heißgetränk zu mir nähme… seitdem also bin ich im Besitz eines Leihwasserkochers, Tasse, Kännchen und einer Auswahl von Teebeuteln. Und eines Geschirrtuchs, damit ich mein Leihgeschirr auch gleich nach Benutzung wieder ordentlich abwaschen kann.

Die ist schon sehr lieb und gut, die Frau Münster.