Gelesen: Becky Chambers – “The Long Way to a Small, Angry Planet”

Ms. Chambers scheint ihr Teil an Science Fiction gelesen und gesehen zu haben und bedient sich für ihren Roman aus dem bewährten SF-Baukasten. Die Wayfarer (= Wanderer, Reisender, Suchender) ist ein Schiff wie ein Flickenteppich, aber flugfähig und heißgeliebt von ihrer Besatzung (und wer jetzt “Firefly” denkt, dem gehts wie mir). Der Captain ist ein guter Mann und seiner Crew, zusammengewürfelt aus allen Spezies unter den Sonnen, wie ein Vater (und wer jetzt “Nathan Fillion” denkt, dem gehts wie mir). Er ist ein Nachfahre der “Exodus”-Flotte, also der letzten Menschen, die damals den sterbenden Planeten Erde Richtung Weltall verließen, in der Hoffnung, irgendwo da draußen etwas besserers zu finden als den Tod. Auch die beiden Techies sind Menschen, eine Elendsquasselstrippe und ein Kleinwüchsiger – beide mit Herz und Werkzeuggürtel auf dem rechten Fleck. Dann gibt es noch den Algenbauer (Algen = Treibstoff), ein Geschöpf ohne jede Sozialkompetenz, weswegen seine Kollegen wohl abstreiten würden, dass er ein Mensch ist.

Die Pilotin ist Angehörige einer gefiederten Echsenrasse, der Navigator ein quallenblasenartiges Zweiwesen, von dem auch nur im Plural gesprochen wird und für das leibliche Wohl ist ein Insektioid mit 3 Paar Handfüßen zuständig: Dr. Chef, Schiffsarzt und Koch. Last but not least: die AI Lovey (von Lovelace). Zu diesem bunten Haufen stößt Neuzuwachs Rosemary vom Mars und über sie lernen wir Leser alles über Raumschiff, Crew, Ernährung, die Stationen am Weg und die Verständigungsmöglichkeiten (eine armselige gesprochene Lingua franca und viele an Gestik, Farben, Mimik, Tönen und anderen Dingen reiche weitere Sprachen. Hach!).

Ms. Chambers läßt sich viel Zeit, die kleinen und großen Macken ihrer Figuren zu beschreiben. Besondere Freude hat sie an den “Aha”-Momenten, die sie ihre Protagonisten erleben läßt, wenn sie Eigenheiten und vermeintliche Eigentümlichkeiten einer anderen Spezies in die eigene “übersetzen”. Nicht mißverstehen: das Buch ist keine große Space Opera. Aber ein kleines feines Werk über Multikulti, unorthodoxe Beziehungen, Antirassismus, Unkonventialität und “gender fluidity”; Themen, die die Autorin dauernd geschickt und mühelos einfließen läßt. Auf den letzten 40 Seiten gibts Rambazamba und Raumschlachten in der Umgebung des kleinen zornigen Planeten, bis dahin geht es um nichts anderes, als was der Titel versprochen hatte: den langen Weg, bei dem mir keine Minute langweilig geworden ist. In einer deutschen Kritik habe ich den Begriff “Wohlfühl-Sci-Fi” gelesen. War abwertend gemeint. Hätte es nicht sein sollen, denn das trifft es genau. Muß ja nicht immer dystopisch sein.

Die ersten beiden Wayfarer-Bände gibt es schon auf Deutsch und wer gerade nichts besseres zu tun hat, möge lesen! Lesen! Lesen!

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

20 − 20 =