Aus dem Vokabelheft

Vorhin in einer IMDB-Kritik über eine neue Serie gelesen: “It’s [die Serie] definitely OTT but also entertaining and sumptuous.”

“OTT” steht ausgeschrieben für “over the top”, also “übertrieben”, “ein bißchen arg reichlich” oder “viel zu viel” und ist ein wunderschön klangähnlich mit dem Begriff “odd”, der wiederum “seltsam”, “eigenartig” oder “a weng komisch” bedeutet.

Manchmal muss man sie einfach beneiden, die Angelsachsen mit ihrer Abkürzeritits. Sogar Wortspiele machen sie damit.

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

Was für eine angenehme Alt-Bundeskanzlerin diese Frau Merkel ist. Aus dem Amt, aus der Öffentlichkeit. Und ganz offensichtlich ohne das Bedürfnis, zu jedem Ereignis altbundeskanzlerlichen Quark abzusondern.

Weiterhin einen schönen Ruhestand, gnä Frau!

Aus dem Vokabelheft

“Kosmetikeimer”? Nicht, wenn der Betriebsarzt und freiberufliche Synonymfinder was dazu zu sagen hat. Dann mutiert der Mistkübel zum „Hygiene-Abwurfbehälter mit Deckel“.

Hut ab, Herr Doktor!

Vorhin, bei der Rauchpause

Der Klugscheißer informiert die umstehenden Mitnikotinisten von seinen jüngsten Cineastenerfahrungen bei Arte. Darauf der neue Azubi: “Arte? Kenn ich. Der macht Tier-Dokus.”

Touché.

Der Pass – 2. Staffel

Stocker (Jentsch) und Winter (Ofczarek) ermitteln wieder im kalten Winter grausame Frauenmorde an der deutsch-österreichischen Grenze. Schneebedeckte Berge, dunkler Tann, brausende Wildbäche, gurgelnde Wasserfälle, ein monströses unterheiztes Schloss, von dessen Wänden totgeschossene Tiere mit starrem Glasaugenblick Unbehagen verbreiten. Diese Stimmung (und das Wetter) kennt man aus dem ersten Teil und hätte manchmal gerne einfach mehr Licht, denn es ist dauerduster.

Der Täter ist schon ab der ersten Folge bekannt, einer von zwei Brüdern. Keiner je von den Eltern geliebt. Aus dem einen macht das einen eher linkischen Außenseiter, aus dem anderen einen gnadenlosen Ehrgeizling und Baulöwen, aus beiden Klischees. Weil sie reich sind, wohnen sie sehr schön, die Ausstattung dürfte große Freude an ihrer Aufgabe gehabt haben. Stets mit (Achtung, Symbolik) riesengroßen Fenstern und weitem Blick auf etwas, irgendwas, das nicht hier ist. Wenn sie etwas haben wollen, nehmen sie es sich, wenn das ausnahmsweise nicht gleich klappt, greift man auf ein Netzwerk von Freunderln zurück, die auch einmal ein Gesetz umschreiben, eine Straße durch ein Naturschutzgebiet bauen oder den Leiter der Soko bestechen. Kein Klischee, nur Österreich. Ibiza läßt grüßen.

Dann aber auch die guten Seiten Austrias: der frühe Ambros ist der kongeniale Soundtrack der Inspektorenfigur Ofczareks und schöner habe ich den Schmerz in “Heit Drah I Mi Ham” noch nie gespürt. Sextupel-Hach! Überhaupt: die Musikauswahl ist großartig.

Julia Jentsch liefert wieder solides Schauspiel. Eine seltsam unterkühlte Figur, sehr klar, die in diesem Dauergrau immer in einer feuerroten Jacke hervorsticht (Symbol, huiui) und die in den Verhören eine fast kindliche Neugier an den Tag legt. Außerdem Panikattacken.

Wie schon im ersten Teil wird Selberdenken beim Zuschauer vorausgesetzt. Das macht große Freude.

Trotzdem war ich nicht ganz glücklich. Beim ersten Mal hat mich die archaische Gewalt der Verbrechen und diese grausame kalte Landschaft mehr berührt. Genau wie der Mut der Macher, den Inspektor am Ende in einem Drive-by zusammenschießen zu lassen. Ende.

Eben leider nicht. Damit es eine 2. Staffel geben kann, muss es doch anders ausgegangen sein und er kämpft sich aus einem Koma wieder zurück ins Leben. Ofczarek spielt das natürlich erwartungsgemäß großartig, nochmal Sextupel-Hach! Aber man muss es schon mögen wollen, dass alle Hauptpersonen nicht ganz richtig im Hirn sind und ihre Handlungen damit entschuldigt werden. Selbst, dass Ofczarek seine Figur verrät.

Ein dritte Staffel ist zu befürchten. Schad. Diese Aufgüsse können immer nur noch dünner werden.

Gelesen : Will Eisner – “The Contract with God Trilogy – Life on Dropsie Avenue”

Wer als Graphic Novellist einen “Eisner-Award” verliehen bekommt, hat es an die Spitze, quasi in den Olymp seiner Zunft geschafft. Will Eisner, armes Einwandererkind, hat so ziemlich im Alleingang Comics für Erwachesene erschaffen und neben Superhelden und Army-Handbüchern auch das Leben des kleinen Mannes im “gelobten Land” Amerika vor und nach der Depression für uns Nachgeborene festgehalten.

Seltsamerweise wird sein eigenes Werk allerdings kaum mehr gelesen. Außer von mir, natürlich, die ich mich am Wochenende durch anderthalb Kilo Buch, nämlich sein Opus Magnum “Life on Dropsie Avenue” gefressen habe.

Groß-ar-tig!

Würde ich Geschichte unterrichten, wäre dieses Werk Pflichtlektüre. Es sei aber auch jedem und jeder ans Herz gelegt, die wissen wollen, wie sehr und doch wie wenig das amerikanische Narrativ vom “Melting Pot” der Wahrheit entspricht. Wie niemand neuen Einwanderern mißgünstiger und mißtrauischer gegenübersteht, als die, die ein, zwei Generationen vorher selbst in Lumpen dastanden und es nun “geschafft” haben. Dass das Fressen immer immer immer vor der Moral kommt. Immer. Außer manchmal. Und wie sehr diese Einzelfälle rühren.

Das Ganze in Bildern, die im Hirn kleben bleiben.

Lesen! Lesen! Lesen! Lesen!

Schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Kino “The Witches of Eastwick” (1987)

Und doch immer noch wunderbar.

Die Besetzung* könnte besser nicht sein: Cher, Susan Sarandon und Michelle Pfeiffer als vom Neu-England-Leben höchstfrustrierte Frauen, Jack Nicholson als ihr teuflischer Erlöser, nie besser beschrieben als hier: Alexandra Medford (Cher): I think… no, I am positive… that you are the most unattractive man I have ever met in my entire life. You know, in the short time we’ve been together, you have demonstrated EVERY loathsome characteristic of the male personality and even discovered a few new ones. You are physically repulsive, intellectually retarded, you’re morally reprehensible, vulgar, insensitive, selfish, stupid, you have no taste, a lousy sense of humor and you smell. You’re not even interesting enough to make me sick. Dazu Veronica Cartwright als Modellpuritanerin und Richard Jenkins als ihr geplagter Gatte.

Cher war zu Zeiten, als ihr Gesicht noch nicht von Botox eingefroren war, eine gar nicht mal so schlechte Schauspielerin mit ausdrucksvoller Mimik, Michelle Pfeiffer hatte schon damals die allerschönsten wasserblauen Augen der Welt und Susan Sarandon ist eine Göttin. Wieviel Nicholson in seiner Rolle steckt, möchte ich eigentlich gar nicht so ganz genau wissen.

Lohnt sich sehr. Auch heute noch. Anschauen! Anschauen! Anschauen!

Mir scheint, dass es noch ein paar alte Schätze zu heben gilt und ich werde berichten.

* Wie schon so oft: wo bleibt der Oscar fürs Casting? Hmmm?

Gemessen an…

dem, wie die Disney-Company nun schon seit Jahrzehnten die Geschichten von P. L. Travers versaut, ist die Übersetzung der Inhaltsangabe in der IMDB so schlecht nicht…

Mein besonderer Liebling ist der Plural des Familiennamens “Banks”.

Sprachliche Sozialisation

Irgendwie kein Wunder, dass, wenn man als junger Mensch bei den großen Friedensdemos sich seinerzeit im Bonner Hofgarten drängte, wo auf jedem dritten Banner “Schwerter zu Pflugscharen” stand, man heute, kriegsunerfahren, und mit noch nachtverklebten Augen in den Schlagzeilen auf dem kleinen Handy-Display von “Pflugverbotszonen” liest.

Stillgestanden!

Neulich im Zug saß in der Sitzreihe neben mir eine Soldatin in vollem Flecktarn, offentsichtlich auf dem Heimweg und sah sich in aller Ruhe die Nachrichten an.

Auftritt Schaffner. “Hier noch jemand zugestiegen? Die Faaahrscheine bitte.” Kontrolliert alle ohne besondere Vorkommnisse, bis er auf die Uniformierte stößt. “Ha, eine Frau kann heutzutage [habichnichtverstanden] werden, hätte es ja zu meiner Zeit nicht gegeben.” Das kommentiert sie nicht, lächelt unverbindlich, hält ihm nur das Ticket hin und will erkennbar einfach in Ruhe gelassen werden.

Will er aber nicht, nicht, wenn er die Chance hat, mit einem ganzen Großraumwagen voller Zugreisender ein intimes Gespräch von Uniform zu Uniform zu führen. Er persönlich glaube ja nicht, dass die Bundeswehr in dem Zustand, in dem diese Ministerin das Heer hinterlassen habe, da unten auch nur den Hauch einer Chance habe. Da solle sie doch mal was zu sagen. Tut sie nicht. Weist allerdings darauf hin, dass ein Einsatz in der Ukraine nur im Rahmen der Nato überhaupt möglich und hoffentlich vermeidbar sei.

Obwohl er nicht weiterkommt, hört er partout nicht auf und wird widerlich. Und in der Kaserne oder im Manöver? Wie das da mit den Duschen sei? Das bescheidet sie ihn kurz und knapp mit “wie im Schwimmbad, das kennen Sie ja”. Das beendet das Gespräch.

Hut ab, Frau mit der goldenen Kordel an der Uniform, welcher Rang immer das sein mag. Ich bezweifle, dass ich dieses schweineäugige Gesabbere so gelassen ertragen hätte.