Die drei Arbeitstage im Hunsrück gehen vorbei wie immer: also im Flug. Früh anfangen, spät aufhören und aus dem Vogelschlafbaum vor meinem Zimmer bei Frau Wirtin wird spätestens morgens um 4:00 ein Vogelaufwach- und herumlärmbaum. Super!
Schon steht die Rückfahrt an. Mein sonst so zuverlässig hin und zurück chauffierender Boss hat noch einen Termin wahrzunehmen und wird mich am Bahnhof in Mannheim absetzen.
Alles gut. Alles gut? Von wegen. Irgendeine höhere Macht (muss ja wohl sowas sein) gibt ab sofort offensichtlich die Parole Totale Entschleunigung aus. Fängt schon damit an, dass die Ausfahrt nach Mannheim so schnell vorbei ist, dass wir sie glatt verpassen. Macht nix, nehmen wir die nächste. Ludwigshafen. Zwischen Ludwigshafen und Mannheim haben die Götter soviele Straßen- und Brückensperrungen, Baustellen und Umleitungen errichtet, dass das Navi nach kurzem Aufbäumen kollabiert. Außerdem Feierabendstau. Die Kombination fordert schon eher geduldige und ausgeglichene Menschen, Chefe ist kurz davor, Stücke aus dem Lenkrad zu beißen und mich auf offener Straße auszusetzen.
Da endlich, der Mannheimer Bahnhof ist in Sicht. Allerdings die Rückseite, wo man nur aufs Gelände käme, wenn man todesmutig jeweils zwei Fahrspuren in jede Richtung, eine Leitplanke, die Bahnhofsmauer und eine gediegene Anzahl an Güterzuggleisen überwände. Nix für mich absolute Unextremsportlerin, noch dazu mit Rollköfferchen und Laptoprucksack. Also erst mal die ganze Länge abgestanden – ja, Stop and Go, Feierabendverkehr in Mannheim ist von ganz ausgesuchter Häßlichkeit, und dann wieder zurück, bis es möglich scheint, sich von links an den Eingang des Bahnhofs heranzupirschen. Von wegen. Baustellen, Umleitungen, Gehupe, wilde Radler, zornige Über-Hindernisse-kletternde Fußgänger, verzweifelte Kinderwagenschieber. Dazwischen laut klingelnde Straßenbahnen. Ich springe zwei Straßen weiter ab, kämpfe mich durch und bin endlich in der Bahnhofshalle. Hojotoho!
Der nächste Zug fährt in 16 Minuten, das reicht lässig, um dem Fahrtkartenautomaten mit dem coronafördernden Touchscreen eine Fahrkarte abzukaufen und mit Sack und Pack zu Gleis 7 zu schnaufen, wo der ICE nach München seit Menschengedenken abfährt. Genauer, abfahren tun täte, lahmte nicht der gesamte Mannheimer Hauptbahnhof wegen einer Stellwerkstörung. Ich will nicht ins Detail gehen, aber nach mehreren Gleiswechseln (rauf, runter, Sack, Pack) erwische ich den Zug vor meinem, der mit fast zwei Stunden Verspätung gut besetzt schließlich auf Gleis 4 eintrifft. Meine eigens vorsorglich erstandene Platzreservierung? Mein Privatvergnügen.
Spät in Pasing angekommen, beauftrage ich einen Taxifahrer, mich zum Rathaus in Gräfelfing zu fahren, um dort mein Auto abzuholen. Ja, Pfeifendeckel! Gräfelfing, informiert mich der Herr, nachdem er sein Navi konsultiert, habe kein Rathaus. Doch, hat es, widerspreche ich. Wir einigen uns darauf, dass ich ihn lotse und wundersamerweise findet sich das Gebäude. Mein Auto hingegen? Ist von seiner schönen dezent silbergrauen Lackierung zu einer Bordellgoldsprenkeltönung verkommen und sieht aus wie Sau.
Tja, wenn eine eine Reise tut… Was werde ich erst zu erzählen haben, wenn ich irgendwann (also in zwei Wochen) mal wirklich wieder für länger unterwegs sein werde…
