Mackenzie sucht einen Job
und streut ihre Bewerbungsunterlagen nach dem Gießkannenprinzip. Sie will irgendwas in “Radio/Television/Film Production” werden. (Wie wäre es denn mit der Teilnahme an einer Talentshow?) Mackenzie schreibt: “At this time, I am seeking a challenging position with an organization such as yours. I believe strongly that my professional experience and skill sets are an excellent fit with your company objectives. I possess all the attributes and abilities that you are seeking in an ideal candidate.”
Ich weiß nicht, wie oft ich das noch sagen soll: wir entwickeln (außer Haßgefühlen auf Leute, die unsere Zeit mit unsinnigen e-mails vergeuden) Software. Das A&O sind exzellente Kenntnisse in Java, social skills sind nicht Bedingung, aber auch kein Hindernis.
Mackenzie kann Kinder hüten (family child care provider performing all duties that correlate to the care of the children in order to create a safe, nurturing and stimulating environment in which the children can thrive and develop), über Belanglosigkeiten twittern und facebooken (ensure high recognition on various aspects of pop culture from students at the University of North Texas by using social media channels) und war the youngest employee to receive “Apple of Our Eye” award (Employee of the Month).
Mackenzie, ich bin sicher, die Welt braucht dich. Wir kommen erst mal noch gut ohne dich klar.
Heimatgefühle
Wohlmeinende Menschen haben mir eine Tatort-Folge mitgebracht, in der sich der Krassnitzer durch Wien grantelt und die Welt auch nach der Aufklärung des Mordfalles um keinen Deut besser geworden ist.
Schee wars. Hätte ich nie gedacht, aber so ein deutscher Krimi ist ein echtes Stück Heimat. (Österreich gildet ausnahmsweise auch.)
Augen zu, Zähne zusammenbeißen und durch
Ich hatte Zahnschmerzen. Noch nicht so richtig schlimm, aber ich weiß halt nicht, ob der Zahn warten will, bis ich je mal wieder in München bin und ihn von der Zahnärztin meines Vertrauens behandeln lassen kann. Also habe ich mir hier einen Termin geben lassen. Bevor ich vorgelassen wurde, mußte ich einen Anamnesebogen ausfüllen. Neben den üblichen Fragen zu Zahlungsfähigkeit und -modus, medizinischer und dentaler Vorgeschichte (“Do you/would you have any problems chewing bagels or other hard foods?”) sowie aktueller Medikation, Angaben zum Arbeitgeber und zweifacher Bestätigung der Kreditkartennummer (sowie die Hinterlegung einer weiteren Kreditkarte, just in case) gab’s einen kompletten Absatz zu “Smile Characteristics”
1. Is there anything about how your teeth look that you would like to change?
2. Have you ever whitened (bleached) your teeth?
3. Are you self-conscious about your teeth?
4. Have you been disappointed with the appearance of previous dental work?
Hauptsache, das Lächeln stimmt. Der Zahnarzt als Schönheitsdoktor. Und die meinen das wirklich ernst.
Die erste Behandlung hat eineinhalb Stunden gedauert; wir sind zwar dem schmerzenden Zahn kein Stück näher gekommen, dafür weiß ich jetzt Bescheid über die Tiefe des Zahnfleischs um jeden einzelnen Zahn und habe Röntgenbilder (nicht etwa mit dem mir aus München bekannten schönen Rundumröntgengerät sondern mit Platten (ca. so groß wie zwei Briefmarken), die ganz weit hinten in den Rachen gestoßen und dort ca. 10 Sekunden lang ruhig gehalten werden sollen), habe die Begriffe “gagging”, “gag reflex” und den durch die ganze Praxis hallenden Schrei (wenn ich wieder mit der Hand vor dem Mund Richtung Toilette gerannt bin) “out of the way, she’s a gagger” kennengelernt. Die Zahnärztin gab mir immer wieder eine Prise Salz auf die Zunge (damit werde der Würgereiz unterdrückt), ihre Mitarbeiterin hatte irgendwann die Faxen dicke und besprühte, kaum, dass Frau Doktor den Raum kurz verlassen hatte, Lippen und Mundinnenraum mit ein paar heftigen Stößen “Numb-Spray” – danach war es wirklich nicht mehr so schlimm.
Nachdem diese Tortur endlich überstanden war, wurden Abdrücke gefertigt. Während ich gerade mit der Batzbreiklammer im Mund ruhig durch die Nase atmen sollend auf das Festwerden der Abdruckmasse wartete (nur ganz wenig gagging), überbrachte die strahlende Empfangsdame – wo ich doch jetzt zur Praxisfamilie gehöre – ein “Welcome Gift” (die Zahnarzthelferin hat sie fast aus dem Raum getreten) und stand zwei Minuten später wieder da, weil sie jetzt aber wirklich meine Kreditkarte haben müsse. Warum sich das Bezahlen* weder vor- noch hinterher erledigen ließ, ist mir nicht so ganz klar. Ein Abdruck wurde als “be-uuutiful” befunden, der zweite als “it will do”, dann bekam ich das Gesicht mit einem warmen feuchten Lappen abgewischt und ein aufmunterndes “we’ll see you in two weeks” auf den Weg.
Nächstes Mal ist nicht etwa der schmerzende Backenzahn dran, sondern ein Gespräch über den Behandlungsplan. “We want you to be well and smile well.” Dann habe ich erst noch einen Hygiene-Termin und danach wenden wir uns den Zahnschmerzen zu. Bin ich froh, dass der Zahn sich wie jeder ordentliche Zahn verhält und aufgehört hat zu ziepen, sobald der Termin vereinbart war.
Der Termin war Donnerstagnachmittags. Seitdem (es ist jetzt Freitagabend) habe ich von denen drei e-mails bekommen. In zweien steht, wie sehr sie sich freuen, dass ich jetzt auch zu ihrer Praxisfamilie gehöre, in der dritten wollen sie wissen, ob ich mich genauso freue: “Sabine, It was great seeing you at your last appointment. Our mission is to provide you with the absolute best dental care possible. Your feedback is very important to us!” Ist ja gut. Ich will einen kaputten Zahn repariert haben, nicht die ganze Praxis heiraten.
Obwohl, dafür hätten sie auch einen Vorschlag:
Our Wedding Gift to you! For our lucky patients who are about to get married, we would like to do a complimentary tooth polishing for all the members or your wedding party! Let us know when the special day is and we will set up some time for your group.
Die spinnen, die Amerikaner.
* Übrigens ein Kennenlern-Sonderangebot: eine Aufnahmebehandlung in drei Teilen zum Preis von nur einem.
www.flock-blog.de
“Dies ist der Treffpunkt für Flock, einer losen Gemeinschaft von lieben Menschen, die sich auf den wirren und endlosen Pfaden des Internets und diverser Online- / Browser-Games begegnet sind. Viele Games gibt’s nicht mehr, aber ein kleiner verrückter Haufen, der sich nicht voneinander trennen will, ist übrig geblieben und pflegt hier den Kontakt. Flock ist jedoch keine geschlossene Gruppe. Nette und kommunikative Menschen sind immer willkommen !!!”
Das ist mir vielleicht ein loses Völkchen lieber Menschen in der Nicht-Geschlossenen. Die haben Hässchen (das ist kein Tippfehler, sondern ein Zitat!), denen sie die Zähne stutzen und in der Rubrik “unbedingt angucken” findet man “Weblink Flock (alt)” – “ein leeres forum”.
Verwechslungsgefahr mit dem einzig originalen und schon viel älteren flockblog.de (nur echt ohne Bindestrich) besteht wohl eher nicht, denn die Bindestrichler sind laut Eigenbeschreibung “Volunteers”. Ich nicht.
The Fog
Es ist schon sonderbar: Obwohl Nebel hier im Sommer ein ganz normales Wetterphänomen ist (an manchen Abenden fahre ich auf meinen Weg nach San Bruno auf eine undurchdringliche weiße Masse zu, die alles verschlungen zu haben scheint), reagieren die meisten Anwohner jedes Jahr wieder vollkommen überrascht und eigentlich ein wenig beleidigt. Letzterem ist wahrscheinlich auch der Vorschlag zuzuschreiben, dass man den August hinfort (zumindest lokal) in “Frogust” umbenennen solle. Dabei ist es nicht mehr lang hin bis September, dem Monat “when the summer usually hits San Francisco for a day or two”.
Ich kann das empirisch bestätigen: Ende September ist es in der City gerne brüllend heiß. Das ist doch was zum Vorfreuen.
Sir! Yessir! Sir!
Wer immer noch annimmt, bei Obrigkeitshörigkeit handele es sich um eine typisch deutsche Eigenschaft, der wird auf amerikanischen Highways eines Besseren belehrt. Auf U.S.-Autobahnen sind sie nämlich alle unterwegs: die, die angesichts der Highway Patrol auf 60 mph (statt der erlaubten 65) runterbremsen und dann bräsig hinter ihrem Lenkrad sitzen, wie ein Kind, das sich für’s Verpetzen ein “Gut-Gemacht-Sternchen” erhofft. Noch lieber sind mir die Verkehrserzieher, die auf der ganz linken Spur (von vier oder fünf möglichen) mit 62.3/4 dahinkriechen und einen dazu zwingen, sie rechts zu überholen. Das ist erlaubt, aber unnötig und im Zweifelsfall sogar gefährlich. Was allerdings die Rechthaber nicht schert. Es sei denn, der Rechtsüberholer wäre (wie üblich mit mindestens 80 Sachen) die Highway Patrol. Dann fahren sie für den Rest des Tages vor lauter Schiß und Bravseinwollen ab sofort nur noch im 50-Meilen Bereich.
Diese Liebdiener- und Katzbuckelei vor der Uniform sitzt tief in der amerikanischen Seele, meist noch gekoppelt mit einer (stark geförderten) Neigung zum Denunziantentum. Wollt ihr euch nicht mal wieder an eurem eigenen Anspruch messen, das “Land of the Free and Home of the Brave” zu sein?
Wir können auch einfach den Text anpassen: “Land of the Wimps and Home of the Shamus.” Your choice.
Eingedeutscht
Immer, wenn ich auf der Leiter stehe und Pflaumen pflücke, muss ich an TriTop denken, das Saftkonzentrat meiner Kindheit (damit beworben, dass Mutti an den Einkäufen nicht mehr so schwer zu schleppen hat). Warum das Pappzeug TriTop heißt? Weil oben im Baum, im Tree Top, die süßesten Früchte wachsen. Toni läßt anmerken, dass ein anderes Produkt unserer Kindheit, Wick’s VapoRub, auf dem Weg über den Atlantik um ein “S” erleichtert wurde.
Besser so. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie das brennt.
Zu den zwölf Geschworenen
fehlen bloß noch zehn, Toni hat auch einen Gestellungsbefehl zur “Jury Duty” bekommen. Was für ein Chaotenhaufen! Es wird einfach erst mal jeder angeschrieben, der je eine Fahrprüfung abgelegt hat. Anschließend liegt es hierzulande in der Verantwortung des Individuums, selbst dafür zu sorgen, dass es seine mangelnde Qualifikation beweist (nicht etwa in der des Gerichts, nur geeignete Kandidaten zu kontaktieren).
Das ist bei Strafzetteln ähnlich. Wir haben neulich einen bekommen. Wegen Linksabbiegens um 09:00 Uhr früh (ist auf dieser Straße zwischen 07:00 und 10:00am verboten – wenn man ganz genau hinsieht, fällt einem das briefmarkengroße Hinweisschild auf). Mit Lalü und Blinkelichtern zum Pull-Over bewegt und vom freundlichen Motorradcop (“No disrespect, Sir”) belehrt: Falls das Schreiben mit der Zahlungsaufforderung nicht bis zum sowiesovielten eingetroffen sei, dann müssen wir bei Gericht vorsprechen und den Wisch dort persönlich abholen. Unkenntnis oder schlampige Post schützten nämlich vor Strafe nicht,
War hier schon immer so: “Gebt ihm ein faires Gerichtsverfahren und hängt ihn dann auf.” (Judge Dredd zugeschrieben.)