Thunder, flash, and lightning*

Aus heiterem Himmel blökt mich ein Windstoß an: “Feierabend! Häng deine Wäsche ab und lies dein Buch drin zu Ende – or else…”. “Immer langsam mit den jungen Wilden”, denke ich, “ich rauche erst mal noch eine…” und da zerrt mir der Sauhund auch schon das frischgewaschene blütenweiße Handtuch in den Dreck. Okay, okay, okay, ich spute mich ja schon. Kaum drin, verfärbt sich der Himmel zu einem richtig giftigen Gelb, nein, nicht Schwefel, viel giftiger gelb, und Blitze zucken durch die Wolkenmassen, unmittelbar gefolgt von Rolldonnern. Ein ausgewachsenes Wetterleuchten. Das erste, das ich hier erlebe. Und nochmal! Und wieder Blitz und Donner in einem – hach!

Es klingelt. Was in jedem Horrorfilm der entsprungene blutrünstige irre Massenmörder wäre, ist in San Bruno meine liebe Nachbarin Carmen, die mir Asyl in ihrem Haus anbietet. “Because, this is, like, really scary. We don’t have thunderstorms like this in San Bruno.” Erstens mal, Carmen, yes, we do und zweitens, ich finds “exciting” und außerdem ist das nicht mein erstes Gewitter. Geh heim, stay dry – so lange der jetzt tobende Regensturm uns nicht die Stromleitungen aus ihren Wackel-Aufhängungen bläst, ist alles gut.

Außerdem bin ich gewappnet. Für den Fall steht die Taschenlampe griffbereit und seit ich “Sustaining Member” (Dauerspender) bei NPR bin, habe ich auch ein Solar-Radio mit Kurbel, falls die Sonne mal nicht scheint.

 

* Danke, Freddie – mir geht seit dem ersten Donnerschlag die Bohemian Rhapsody nicht mehr aus dem Kopf.

Alterserscheinung

Die ausscheidende Kollegin macht ihren Abschiedsrundgang. Wie üblich in diesen nostalgischen letzten Minuten vor der Abgabe der letzten Zugehörigkeitsinsignien wie Schlüssel und Computer, hat sie das Bedürfnis, un-be-dingt mit allen in Verbindung bleiben zu wollen, “stay in touch”.* “See you on Facebook and Linked-In, let’s do Facetime”. An meinem Schreibtisch verweilt sie ein wenig länger, sie habe mich nämlich in den sozialen Netzwerken nirgends gefunden. Das, liebe soon-to-be-Ex-Kollegin, liegt daran, daß ich den Schmonzes nicht mitmache. Große Augen. Ganz große Augen, gefolgt von der aufrichtig verwunderten Nachfrage, wie ich denn dann erführe, was bei meinen Freunden gerade abgeht? Ich refenziere auf die üblichen Methoden: sich treffen, reden, schreiben und muß auf Nachfrage zugeben, daß ich nicht immer unmittelbar informiert bin, wenn jemand gerade neue Schuhe gekauft, ein witziges Photo gepostet oder irgendwo irgendwas gegessen hat (mit Bildern) – und daß mich das auch nicht interessiert. Ihrem Gesichtsausdruck ist ganz deutlich zu entnehmen, daß sie mich inzwischen für ein unsoziales Monster hält, sie bewahrt aber Contenance und beschließt die Konversation mit “must be a generational thing”. Ja. Ist es wohl. Recht soll sie haben.

Ich werde meinen handverlesenen Freundeskreis weiterhin auf die altmodische (“old school”) Art pflegen und gehe gerade sehenden Auges das Risiko ein, daß sie und ich ab dieser Minute “out of touch” sind. Jo mei.

 

Personal_Space_svg* Amerikaner sind sehr bedacht auf ihren “personal space”, also die virtuelle “No-go-Zone”, die sie um sich errichten; gemäß (amerikanischer) Anthropologie kann dieser Raum in Zoll (Inch)** bemessen werden (s. http://bit.ly/1zrKKdE).

Wenn mir irgendwann mal ganz furchtbar langweilig ist, werde ich recherchieren, warum sich ausgerechnet hier eine derartig haptische Formulierung wie “stay in touch” (Touch = Berührung) durchgesetzt hat.

** Was habe ich mich neulich gefreut, als in einem britischen Film ein Amerikaner mit diesen Worten abgefertigt wurde: “If you need me to translate this into the idiom of American acceptionalism: a centimeter is about the third of an inch.”

Trari! Trara! Neues aus dem Kaschperltheater

Die strunzdummen Schwanzvergleichmachtspiele zwischen der demokratischen Minderheit plus amtierendem Präsidenten und der republikanischen Mehrheit in beiden Häusern, Senat und Kongreß, haben ein neues Tief erreicht. Wenn die sich nicht bald einigen, geht dem Department of Homeland Security diese Woche, um genauer zu sein, am Freitag um Mitternacht, das Geld aus. Der Präsident appelliert staatstragend an die “bipartisan*” Vernunft und den Zusammenhalt gegen den weltweiten Terrorismus zum Schutz des Heimatlandes, die Republikaner sind je-der-zeit bereit, der weiteren Finanzierung zuzustimmen, als winzigkleines Zeichen des seinerseitigen Entgegenkommens soll der Präsident bloß sein Prestigeprojekt zurückzunehmen, die “Executive Action” zum vorläufigen Bleiberecht für illegale Einwanderer. (S. https://flockblog.de/?p=24957).

Ich glaube ja, daß der Sheriff von Santa Clara County (nächste Kommune südlich) am meisten unter der Pleite leiden würde. Dem hat sein Stadtrat nämlich gestern Abend genehmigt, daß er sich ein “Stingray-Mobiltelefonüberwachungssystem” für $500.000 anschaffen darf – mit einem Darlehen des Department of Homeland Security. Und wenn die kein Geld mehr haben, kriegt er auch keines. Dabei hat doch die Polizei von Redwood City erst neulich einen SWAT-Panzer bekommen, für schlappe $750.000. Mann, ist das gemein!**

Der Schwabe neigt in Fällen, wo’s ihm wegen der Dummheit seines Gegenübers schier die Sprache verschlägt, zum Ausruf von: “O Hoimedland!”, begleitet von heftigem Kopfschütteln und Augenrollen. Der Schwabe hat ja so recht!

 

* “Bipartisan*” bedeutet eigentlich überparteilich, also auf amerikanisch “bi”,  weil’s eigentlich nur zwei Parteien gibt.

** NTS (= Note to self): Über die zunehmende Militarisierung der amerikanischen Polizei muß ich demnächst auch mal was schreiben.

Altes Europa

Falls es wer in der alten Heimat tatsächlich noch nicht gewußt haben sollte: in Deutschland feiert man am 25. Februar den “Tag des Schachtelsatzes”; ich müßte mich sehr täuschen, wenn Thomas Mann heute nicht breit grinsend in seinem Grabe liegt. Der Amerikaner ist da prosaischer: Heute ist Muschelsuppentag (“Clam Chowder Day”), gestern war “Tortilla Chip Day” und morgen ist “Chili Day”.

Eigentlich mochte ich Brecht eh immer lieber und er hat ja so recht, der Brecht: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral bzw. Satzbau.

In God We Trust

Der Erzbischof von San Francisco ist von Amts wegen ebenfalls oberster Schuldirektor aller katholischen Lehranstalten in seiner Diözese, und das sind überraschend viele. Wie vielen zum Zölibat verpflichteten Kirchenmännern liegt ihm das Sexualleben anderer Menschen und das seiner Schäflein besonders am Herzen, namentlich Homosexualität (an sich und Gay Marriage nochmal extra), Geburtenkontrolle, Fruchtbarkeitsbehandlung, Schwangerschaftsabbruch, Masturbation, Cloning, außerdem die Ordination von Frauen, wobei er bei der Bewertung dieser “Sünden” sehr feine Unterscheidungen zwischen ernstlich böse (“gravely evil”) und dem Bösen an sich (“intrinsically evil”) trifft. Steht alles im einem neuen Handbuch zum Lehrplan und weil der Erzbischof Jesuit mit Doppelstudium ist, hat er sich der Mitarbeit seines Lehrkörpers an der Reinen Lehre gleich zweifach versichert: zum einen ist das Handbuch Bestandteil des Arbeitsvertrages, zum anderen heißen Lehrer in seinem Einflußbereich nicht mehr Lehrer, sondern “Minister” (Pfarrer oder Seelsorger) und sind damit Angestellte eines Tendenzbetriebs, für den staatliche Antidiskriminierungs- und Kündigungsschutzbestimmungen nicht gelten.

Erzbischof heißt auf Englisch “Archbishop”, ausgesprochen Artschbischop. Hiermit entziehe ich “The Most Reverend” Salvatore Joseph Cordileone das “T”.

Aus dem Vokabelheft

Der “Hamstring” heißt Hamstring, weil an der Schnur (string) ein Schinken (ham) hängt. Wenn Schnur und/oder Schinken nicht so tun, wie sie sollen, gibt Physiotherapeutin Laura Hausaufgaben auf. Wenn Sabine die brav macht, dann werden Schnur und Schinken sauer (“sore”). Im Deutschen nennt man das weniger plastisch einen Muskelkater des hinteren Oberschenkelmuskels bis ganz rauf in die mittleren und maximalen Gluteen.

Zur Zeit sitze ich nicht gern.

Priced-Out (Nachtrag zu “Schöner Wohnen”)

Heute mitgehört, wie jemand sein neues Leben in der nicht unbedingt bestbeleumdeten Vorstadt pries, nachdem er von der City “priced-out” geworden war. Weil ich noch nicht wußte, wie man “Price” in diesem Zusammenhang schreibt, hatte ich wider jede Vernunft ganz kurz gehofft, daß er “prized-out”, also sozusagen weggelobt geworden war. War er nicht. Die naheliegendere Variante war die richtige: er konnte sich die Miete in der Stadt einfach nicht mehr leisten.

Nach erschreckend unaufwendiger Recherche hierauf gestoßen: In diesem Artikel werden einige Einzelschicksale des Gentrifizierungskahlschlags vorgestellt: http://bit.ly/1tuD76m.

Und wo ich gerade beim Nachtragen bin: der Gatte meiner Palo Altaner Gewährsbekannten ist dem Ruf des Geldes gefolgt und hat eine Stelle bei einem Heuschrecken-Hedgefonds auf der anderen Seite des Landes angenommen und seine ganze Familie mit. Abreisend prahlt sie, daß sie bei der Untervermietung ihres Hauses ein richtig gutes Geschäft gemacht habe: die Mieter zahlten ihr nämlich nicht nur die gesamte Hypothek, sondern auch gleich noch die Miete des neuen Hauses an der Ostküste. Super, Kapitalismus! Olé!

Abgehakt

Lieber Internal Revenue Service (IRS = Finanzamt),

im letzten Jahr habe ich weder eine Nebentätigkeit als Kopfgeldjäger (“Reward from a Crime Hotline”) aufgenommen, noch saß ich unbegründet in einer “Correctional Facility” ein (“False Imprisonment Compensation”), auch haben meine Nachkommen nichts von meinem Ableben, weil ich nicht der Küstenwache angehöre (“CA National Guard Surviving Spouse & Children Relief”). Meine Bestrebungen, in Theodoras Nachfolge dem oströmischen Reich wieder zum alten Glanz zu verhelfen, waren bedauerlicherweise bis dato erfolglos, ich nehme aber gerne einen Vorschuß aus dem “Ottoman Turkish Empire Settlement” an. Ich bezweifle, daß Pumpi unterm Haus hinreichend für einen “Rebate for Buying and Installing a Water Conservation Device” qualifiziert, hätte aber nichts gegen ein “Financial Incentive for Turf Removal” (brauner Rasen) einzuwenden.

Fürderhin war ich weder “legally blind as of December 31, 2014. Explain This”, sondern nur kurzsichtig, wie immer, außerdem fühle ich mich ganz lebendig (“Sabine passed away before filing this return”), was möglicherweise daran liegt, daß ich keinem eurer Truppenverbände beigetreten bin (“Sabine served in the U.S. Armed Forces (active, reserve, or National Guard) in 2014”).

Also: “None of the above” – Ich zahle hier nur Steuern. Und zwar mehr als doppelt soviel wie im letzten Jahr.

You are not really welcome!

Sabine (Legal Alien)

Schöner Wohnen

Gentrifizierung ist in San Francisco ein großes Thema. Die alteingesessenen “Mom&Pop-Stores” (Tante Emma Läden) werden von coolen Coole-Typen-Bedürfniserfüllerinstitutionen* verdrängt, wohlklimatisierte Google-, Yahoo-, Facebook etc. Busse mit W-Lan, Kaffee-, Saft- und Häppchenbars an Bord blockieren morgens und abends im Stoßverkehr die Haltestellen und Routen der städtischen Muni, um ihre wertvolle Fracht heil zwischen der City, wo man lebt und dem Silicon Valley, wo man arbeitet, hin- und her zu spedieren. Nach vielen Protestaktionen anderer Nutzer des Öffentlichen Nahverkehrs blockieren sie die Busstops zwar immer noch, zahlen aber seit letztem Jahr eine portokassengerechte Abgabe dafür. Doch das sind, wie überall auf der Welt, nur Nebenerscheinungen.

Das größte Problem ist, daß eine Halbinsel ganz schnell an ihre feuchten Grenzen stößt. Dann geht es nur noch nach oben oder man folgt dem Beispiel Dubais und baut ins Wasser. Dickes Geld aus aller Welt investiert in hiesige Immobilien, Neubauten schießen in den Himmel und bis dato suboptimal genutzte Flächen werden heftig “modernisiert” und so ist San Franciso inzwischen zur teuersten Stadt der USA geworden. Früher mal war die “City by the Bay” ein leuchtendes Vorbild für Mietpreisbindung, gar Altmieterschutz, aber irgendwie wurden die Regeln in den letzten Jahren verwässert und auf dem Altar des Moloch Silicon Valley geopfert, der einen offensichtlich nicht zu sättigenden Bedarf an innovativen neuen Mitarbeitern hat. “Tech Money” regiert den Mietmarkt, wer’s nicht hat, muß leider draußen bleiben oder halt wegziehen. Betroffen sind Alte, Lehrer, Müllwerker, Dienstleister aller Art, Behördenmitarbeiter, jeder, der nur ein Durchschnittseinkommen oder gar darunter verdient – nochmal, das ist nichts neues, wenn gentrifiziert wird und ist genau wie überall sonst auf der Welt. Es hat mich aber erschreckt, wie hiesige Offizielle auftreten.

Zum Beispiel letzte Woche, im Rahmen einer Veranstaltung von Wohlfahrtsverbänden zu “the situation”. Es kamen Betroffene zu Wort, und eine ältere verwitwete Dame berichtete unter Tränen, daß ihr Hauswirt die “pet policy” (Vorschrift zur Haltung von Haustieren) geändert habe, und sie nun entweder ihr Hunderl weggeben, oder umziehen (wohin?) müsse. Da sprach salbungsvoll von der Tribüne eine Vertreterin der Stadtverwaltung und ließ vernehmen, daß die alte Dame, wenn sie ihr Tier verständlicherweise nicht aufgeben wolle, doch dem zukünftigen Vermieter die Entscheidung für Fifi leichter machen solle und in einem Fifi-Lebenslauf (“pet resume”) dessen gute Eigenschaften hervorheben solle. Dann klappts auch mit der Wohnung. Ist die jetzt einfach vollkommen realitätsfern?  Oder ist das schlicht ignorant? Dumm? Oder eine Folge von Tech Money in der Tasche?

Übrigens, der einzige Mensch, der während der Podiumsdiskussion das Wort “Immobilienblase” aussprach, wurde fürderhin übergangen. “Bubble” ist ein ganz böses Wort. Das sagen wir hier nicht. Wahrscheinlich mußte der hinter der Bühne seinen Mund mit Seife auswaschen.

* Schließlich kann ein Tag nicht beginnen, ohne daß man seine “Skinny-Soy-Latte-with-a-hint-of-sugar-free-Sea-Salt-Caramel-and-Organic-Fair-Trade-Quinoa-Sprinkles” im “biodegradable”-Becher für den Weg zum Bus holt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von jemandem zubereitet, der schon länger nicht mehr im angesagten Viertel wohnt.