Die ausscheidende Kollegin macht ihren Abschiedsrundgang. Wie üblich in diesen nostalgischen letzten Minuten vor der Abgabe der letzten Zugehörigkeitsinsignien wie Schlüssel und Computer, hat sie das Bedürfnis, un-be-dingt mit allen in Verbindung bleiben zu wollen, “stay in touch”.* “See you on Facebook and Linked-In, let’s do Facetime”. An meinem Schreibtisch verweilt sie ein wenig länger, sie habe mich nämlich in den sozialen Netzwerken nirgends gefunden. Das, liebe soon-to-be-Ex-Kollegin, liegt daran, daß ich den Schmonzes nicht mitmache. Große Augen. Ganz große Augen, gefolgt von der aufrichtig verwunderten Nachfrage, wie ich denn dann erführe, was bei meinen Freunden gerade abgeht? Ich refenziere auf die üblichen Methoden: sich treffen, reden, schreiben und muß auf Nachfrage zugeben, daß ich nicht immer unmittelbar informiert bin, wenn jemand gerade neue Schuhe gekauft, ein witziges Photo gepostet oder irgendwo irgendwas gegessen hat (mit Bildern) – und daß mich das auch nicht interessiert. Ihrem Gesichtsausdruck ist ganz deutlich zu entnehmen, daß sie mich inzwischen für ein unsoziales Monster hält, sie bewahrt aber Contenance und beschließt die Konversation mit “must be a generational thing”. Ja. Ist es wohl. Recht soll sie haben.
Ich werde meinen handverlesenen Freundeskreis weiterhin auf die altmodische (“old school”) Art pflegen und gehe gerade sehenden Auges das Risiko ein, daß sie und ich ab dieser Minute “out of touch” sind. Jo mei.
* Amerikaner sind sehr bedacht auf ihren “personal space”, also die virtuelle “No-go-Zone”, die sie um sich errichten; gemäß (amerikanischer) Anthropologie kann dieser Raum in Zoll (Inch)** bemessen werden (s. http://bit.ly/1zrKKdE).
Wenn mir irgendwann mal ganz furchtbar langweilig ist, werde ich recherchieren, warum sich ausgerechnet hier eine derartig haptische Formulierung wie “stay in touch” (Touch = Berührung) durchgesetzt hat.
** Was habe ich mich neulich gefreut, als in einem britischen Film ein Amerikaner mit diesen Worten abgefertigt wurde: “If you need me to translate this into the idiom of American acceptionalism: a centimeter is about the third of an inch.”
aber wegen ihrer bemerkung “generational thing” hätt’st du sie doch schon locker wegen alters-diskriminierung verklagen können, oder?
Hab’ das weniger als Diskriminierung als als Achtungsbezeugung vor meiner Altersweisheit verstanden.
PS: Will immer noch nicht wissen, ob du neulich Schuhe gekauft, ein lustiges Photo gemacht oder was gegessen hast.