Schöner Wohnen

Gentrifizierung ist in San Francisco ein großes Thema. Die alteingesessenen “Mom&Pop-Stores” (Tante Emma Läden) werden von coolen Coole-Typen-Bedürfniserfüllerinstitutionen* verdrängt, wohlklimatisierte Google-, Yahoo-, Facebook etc. Busse mit W-Lan, Kaffee-, Saft- und Häppchenbars an Bord blockieren morgens und abends im Stoßverkehr die Haltestellen und Routen der städtischen Muni, um ihre wertvolle Fracht heil zwischen der City, wo man lebt und dem Silicon Valley, wo man arbeitet, hin- und her zu spedieren. Nach vielen Protestaktionen anderer Nutzer des Öffentlichen Nahverkehrs blockieren sie die Busstops zwar immer noch, zahlen aber seit letztem Jahr eine portokassengerechte Abgabe dafür. Doch das sind, wie überall auf der Welt, nur Nebenerscheinungen.

Das größte Problem ist, daß eine Halbinsel ganz schnell an ihre feuchten Grenzen stößt. Dann geht es nur noch nach oben oder man folgt dem Beispiel Dubais und baut ins Wasser. Dickes Geld aus aller Welt investiert in hiesige Immobilien, Neubauten schießen in den Himmel und bis dato suboptimal genutzte Flächen werden heftig “modernisiert” und so ist San Franciso inzwischen zur teuersten Stadt der USA geworden. Früher mal war die “City by the Bay” ein leuchtendes Vorbild für Mietpreisbindung, gar Altmieterschutz, aber irgendwie wurden die Regeln in den letzten Jahren verwässert und auf dem Altar des Moloch Silicon Valley geopfert, der einen offensichtlich nicht zu sättigenden Bedarf an innovativen neuen Mitarbeitern hat. “Tech Money” regiert den Mietmarkt, wer’s nicht hat, muß leider draußen bleiben oder halt wegziehen. Betroffen sind Alte, Lehrer, Müllwerker, Dienstleister aller Art, Behördenmitarbeiter, jeder, der nur ein Durchschnittseinkommen oder gar darunter verdient – nochmal, das ist nichts neues, wenn gentrifiziert wird und ist genau wie überall sonst auf der Welt. Es hat mich aber erschreckt, wie hiesige Offizielle auftreten.

Zum Beispiel letzte Woche, im Rahmen einer Veranstaltung von Wohlfahrtsverbänden zu “the situation”. Es kamen Betroffene zu Wort, und eine ältere verwitwete Dame berichtete unter Tränen, daß ihr Hauswirt die “pet policy” (Vorschrift zur Haltung von Haustieren) geändert habe, und sie nun entweder ihr Hunderl weggeben, oder umziehen (wohin?) müsse. Da sprach salbungsvoll von der Tribüne eine Vertreterin der Stadtverwaltung und ließ vernehmen, daß die alte Dame, wenn sie ihr Tier verständlicherweise nicht aufgeben wolle, doch dem zukünftigen Vermieter die Entscheidung für Fifi leichter machen solle und in einem Fifi-Lebenslauf (“pet resume”) dessen gute Eigenschaften hervorheben solle. Dann klappts auch mit der Wohnung. Ist die jetzt einfach vollkommen realitätsfern?  Oder ist das schlicht ignorant? Dumm? Oder eine Folge von Tech Money in der Tasche?

Übrigens, der einzige Mensch, der während der Podiumsdiskussion das Wort “Immobilienblase” aussprach, wurde fürderhin übergangen. “Bubble” ist ein ganz böses Wort. Das sagen wir hier nicht. Wahrscheinlich mußte der hinter der Bühne seinen Mund mit Seife auswaschen.

* Schließlich kann ein Tag nicht beginnen, ohne daß man seine “Skinny-Soy-Latte-with-a-hint-of-sugar-free-Sea-Salt-Caramel-and-Organic-Fair-Trade-Quinoa-Sprinkles” im “biodegradable”-Becher für den Weg zum Bus holt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von jemandem zubereitet, der schon länger nicht mehr im angesagten Viertel wohnt.

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