“Schleife deine Maus, denn jetzt kommst du!”

Nein, das tu ich nicht. Ich lasse vielmehr meine Maus in Ruhe und bin verwirrt. Was will mir der Autor dieser Stellenanzeige sagen? Beschließe, dass mir das wurscht sein kann, weil ich in einem Unternehmen, das sich nicht entscheiden kann, ob es seine neuen Mitarbeiter Duzen oder Siezen will und in Ermangelung einer Lösung Anreden bunt und ohne Logik mischt, dafür aber Fachkenntnisse nicht voraussetzt, eh nicht arbeiten mag. Aber es hilft denen bestimmt, dass Bereitschaft zum ständigen Dazu Lernen sind Teil unserer Firmen-DNA. Dann lernen sie vielleicht irgendwann dazu, dass dieses Wort auch gemäß der allerneuesten Rechtschreibung noch zusammengeschrieben wird. In einem nächsten Schritt gilt es zu erkunden, wo der Plural herkommt.

Überhaupt scheinen die hipperen Arbeitgeber zur Zeit gerade alle DNA zu haben. Unsere DNA ist es, unsere Kunden zu unterstützen, jederzeit und überall. Schön. Von mir aus. Und? Team ist unsere DNA. Oh je. Vielleicht gibts da was von Ratiopharm? Das ist genau Deine DNA? Nein, Recruiter, ist es nicht. Geh weg. Und an dem Arbeitsplatz in einem der modernsten Gebäude Münchens mit Ausblick auf die Stadt und die Alpen bin ich nur interessiert, wenn die Stellenbeschreibung “Gutbezahlt aus dem Fenster schauen” ist.

Sonst noch? Für die Position fexible Allroundkraft (m/w) mit Russisch bin ich wahrscheinlich nicht flexibel genug und für Dagobert Duck zu arbeiten kann ich mir nicht leisten: Wohlh. Untnr su. Priv.skt. f. alles. Chiffre: 1234567. Habe ohnehin genug damit zu tun, herauszufinden, welcher Algorithmus bei Monster Stellenanzeigen, die zu meinem Profil passen, mit diesem Bild verknüpft. WTF?

ran an die jobs

Wie gehabt: alles, was kursiv hervorgehoben ist, ist wörtlich aus Stellenanzeigen entnommen.

Haare schön

Seit Fadi aus Baalbek heute Hand an mich gelegt hat, sehe ich aus wie die Hauptfigur aus dem Märchen “Silvilocks”.

Es mag daran liegen, dass Waschen und Schneiden miteinander in einer Viertelstunde erledigt waren, das Föhnen hingegen unter Einsatz mehrerer Rundbürsten und seltsamer Haarheizgeräte fast eine Stunde dauerte. Zahnarzt ist schneller.

Schwein gehabt

Wie ich grad vorhin aus der U-Bahn aussteige, drängt von draußen ein Knappzweimetermann in High Heels, Netzstrümpfen und einem sehr knappen Kranke-Schwester-Kostüm* mit tiefem Ausschnitt (links) und einer freistehenden Riesenplastikbrust mit palomapicassorotem Riesenhartnippel (rechts) in den Waggon. Hätte ich nicht schon seit Kindertagen immer eine Brille auf, dann müßte ich wahrscheinlich hinfort eine Augenklappe tragen. Und der behandelnde Notfallmediziner hätte auf seinem nächsten Kongreß einen Vortrag gehalten, mit einem sehr kuriosen Tittenbild mit Auge als Höhepunkt.

Gerade noch einmal gutgegangen. Puuuhhhh!

* Das vergleichbare US-Modell heißt “slutty nurse” und Nipplegate ist wg. Mayflower dort verboten.

Gelesen: Lissa Evans – “Small Change for Stuart”

Neulich hat sich im Feuilleton der Süddeutschen eine Autorin recht gefreut, dass jetzt endlich auch Lissa Evans Kinderbücher ins Deutsche übersetzt worden sind. Das habe ich mir gemerkt, weil ich ja immer fürs Jungvolk meines Vertrauens vernünftige Lektüre finden will.

Als guter Scout lege ich Wert darauf, zu kennen, was ich empfehle. Also hab ichs schnell weggelesen. Das Buch ist… liebenswürdig. Weniger geneigte Menschen würden möglicherweise sogar von altmodisch sprechen. Keine Drachen, keine Hexerei, keine elektronischen Helferlein. Nur ein kleiner, erfreulich intelligenter Junge, der sich durch die komplizierten Rätsel seines Magier-Großonkels löst, zur rechten Zeit ein kluges Mädchen mit ins Team holt und zum Schluß verdient belohnt wird.

Man kann es vorlesen oder einem ab ca. 9 Jahre alten Kind zum Selberlesen geben und es sollten alle Freude dran haben. Der deutsche Titel “Stuart Horten: Acht Münzen und eine magische Werkstatt” hat leider im Zug der Übersetzung das hübsche Wortspiel verloren und verrät dafür die ganze Handlung; die Übersetzung an sich soll aber gut geraten sein.

Ich freu mich auf und über Rückmeldungen.

Countdown

Mein Freund aus dem Spam-Folder schreibt mir: In 4 Tagen ist Frauentag! Bis zu 80% Rabatt: Blumen, Vibrator, Kurz-Reisen, Thalia. Supi. Weil früher, sagt er, war alles noch anders. Im Ursprung ging es um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Mag ja ganz nett gewesen sein damals, meint er, aber nichts gegen das, was er zu bieten hat. Blumen. Bis die Vase platzt. Außerdem Perlwein.*

What women want2

* “Perlwein”? Echt jetzt? Den Begriff hab ich zum letzten Mal in einem Roman aus den Zwanzigern (letztes Jahrhundert!) gelesen…

El Imperativo

Die aktuelle Lektion im Spanischkurs beschäftigt sich mit der Befehlsform. Komm her! Geh weg! Bleib da! und dergleichen. Wie in vielen anderen Sprachen, ändert sich die Form des Verbs. Ist an sich simpel.

Nicht, wenn es nach vielen amerikanischen Mitschülern geht. Die schreiben die Foren voll, weil der Spanier an sich so furchtbar “rude” und ungehobelt sei und Anweisungen erteilt, ohne einmal “danke” oder “bitte” zu sagen.* Madre de Dios! It’s a language course, stupid!

Übrigens: “Umgangsformen leicht gemacht mit Frau Dr. Knigge” findet im 2. Stock statt.

 

* Pars pro toto: “In English you would say ‘Sir, please work in this office.’ We do not command people like they do in Spanish.”

Gelesen: Emil Ferris – “My Favorite Thing Is Monsters”

Leider bin ich inzwischen so alt und belesen (jaha), dass es nicht mehr oft passiert, dass mich ein Buch vollkommen umhaut. Da muß schon jemand wie Emil Ferris mit ihrer fast eineinhalb Kilo schweren Monsterschwarte daherkommen.

Vielleicht erst einmal ein paar Worte zur Autorin. Ms. Ferris wurde 1962 in Chicago geboren, wuchs dort auf und lebt bis heute in der Windy City. Ihre Eltern waren Künstler, sie wurde ebenfalls Illustratorin und Spielzeugdesignerin. Soweit, so unspektakulär. Mit 40 Jahren infizierte sie sich durch einen Mückenstich mit einer lebensbedrohenden Erkrankung und war drei Wochen später nicht nur von der Hüfte abwärts gelähmt, nein, sie konnte auch ihre rechte Hand nicht mehr bewegen. In der langen und mühevollen Rekonvaleszenz wurde das Zeichnen zu ihrem Rettungsanker und mit zunehmend zurückgewonnener Beweglichkeit gelang es ihr, an ihrem “Monster”-Projekt zu arbeiten. Das Buch erschien schließlich 2017, schlug ein wie eine Bombe und wurde unter anderem mit dem Eisner-Award ausgezeichnet.

Zum Inhalt: In den 60er Jahren wachsen Karen Reyes (10) und ihr älterer Bruder bei ihrer Mutter im Souterrain eines Mietshauses in einem sozialen Brennpunktviertel in Chicago auf. Die Nachbarschaft ist, was man heute “divers” nennen würde. Menschen mit Migrationshintergrund in allen Hautfarben und die Umstände prekär. Karen ist eine Außenseiterin ohne Freunde, wird in der Schule gehänselt, gemobbt und physisch angegriffen. Nicht, dass sie daran nicht leidet, aber sie hat ein Ventil: ihr Tagebuch. Ein spiralgebundenes Schulheft, in dem sie mit Farbstiften auf liniertem Papier ihren Alltag mit Worten und Zeichnungen dokumentiert. In Vor- und Rückblenden, so sprunghaft, wie das Leben eines Teenagers halt mal ist. Wie Ferris damit eine Geschichte um das Erwachsenwerden in widrigen Umständen zeichnet, ist schlicht atemberaubend.

Karen hat anderen Menschen in ihrer Umgebung eines voraus: Ihr Bruder hatte sie schon als Kleinkind mit ins “Art Institute” genommen und Bilder “lesen” gelehrt. Bildaufbau, Komposition, Farbauswahl und -auftrag, goldener Schnitt, Maltechniken… und was sie lernt, schlägt sich in ihrem Tagebuch nieder. Genau wie ihre Liebe zu Pulp-Grusel-Horror-Comics, deren getreulich kopierte Titel die einzelnen Kapitel ihre Tagesbuchs markieren. Sie mischt die Genres, wie es ihr gerade paßt. Gekritzel auf Kinderniveau mit fast klassisch anmutender Radierung, Comics mit Kopien von Meisterwerken, Strichmännchen mit bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Studien. Groß-ar-tig!

Ich will nicht zu viel preisgeben, aber ein Detail muß ich vorab verraten, weil ich die Idee gar so begeisternd fand: Karen stellt sich selbst als Monster dar, einen kleinen Werwolf. Natürlich hat sie regelmäßig Albträume, in denen “das Monster” von einem aufgebrachten Mob mit Fackeln und Mistgabeln verfolgt wird. Was habe ich mich gefreut, als ich den Mann mit der Mistgabel als den Bauern aus dem ikonischen Gemälde “American Gothic”* von Grant Wood erkannte. Und das schon auf den ersten 10 Seiten des Tagebuchs.

Nun will ich gar nicht mehr viel über die vielen Subebenen des Buches erzählen. Nur so viel: die Nachbarin aus dem oberen Stockwerk wird ermordert. Karen “ermittelt”. Sie findet Audiokassetten, auf denen die jüdische Frau von ihrer Zeit als junges hübsches aber armes Waisenmädchen im Berlin der Zwanziger Jahre (Babylon) erzählt und ihrem weiteren Werdegang durch die Vernichtungsmaschinerie des Nazi-Regimes. Und Karen zeichnet. Die Mutter erkrankt an Krebs. Und Karen zeichnet. Sie sieht Akte von ungeheurer Zivilcourage und bodenloser Feigheit. Und Karen zeichnet. Wenn ihr Bruder nicht gerade mit Gangs herumzieht, treibt er es mit allem, was einen Rock anhat. Und Karen zeichnet. Martin Luther King wird ermordert. Und Karen zeichnet. Karen gerät in die Pubertät und versteht sich nicht. Und Karen zeichnet, zeichnet, zeichnet.

Zeitgeschichte, Sittengemälde, Krimi, Gesellschaftsstudie, Coming-of-Age-Erzählung, Familiendrama, Parallelwelten, Monsterfilm und Pulp Fiction. Alles und noch viel mehr ist Emil Ferris Debüt “My Favorite Thing Is Monsters”. Wow! Ich hatte so ein Leseerlebnis bisher noch nie und möchte keine Minute missen, die ich mit diesem Buch zugebracht habe. Freue mich schon jetzt auf die Fortsetzung, die am 11. September erscheinen wird und werde es sicher bis dahin noch mindestens einmal wiederlesen.

Lesen! Lesen! Lesen! Lesen!

 

* Das Bild hängt übrigens im Original im Art Institute of Chicago.

PS: Es empfiehlt sich eine stabile Unterlage für das Buch (wie gesagt, fast eineinhalb Kilo schwer), wenn man Krämpfe in Händen und Unterarmen vermeiden möchte.

PPS: Die deutsche Übersetzung ist vor kurzem erschienen.

Neu auf Netflix: The Dragon Prince – 2. Staffel

Die zweite Staffel war schneller da als gehofft (s. https://flockblog.de/?p=37032). Da schau her. Manchmal hilft Wünschen anscheinend doch. Ich habe gestern einen vergnüglichen Fernsehabend damit verbracht, sie durchzubingen und mich sehr gefreut, dass die Figuren sehr schön weiterentwickelt und die Animationen noch besser geworden sind. Es lohnt sich.

Anschauen! Anschauen! Anschauen!

“Let’s talk about the Health of the Hot Dog”

Wenn mir wer sowas schreibt, dann bin ich schon sehr versucht, mich nach dem Krankheitsbild des Würstchens zu erkundigen und nachzufragen, ob das Brötchen auch befallen ist und ob man schon probiert habe, statt Ketchup und Senf vielleicht Himbeermarmelade oder Eierlikör aufzutragen.

Dann denke ich mir aber, dass der Spammer, der mir das geschickt hat, meiner Sorge um das Fleischprodukt nicht würdig ist und ich beantworte seine e-mail doch nicht.