Wasser ist zum Waschen da

Und zum Zähneputzen, Kaffee kochen, Geschirr spülen – auch Duschen wäre bei dem Wetter nicht schlecht. Oder halt das alles auch nicht.

Und warum? Weil irgendein Dimpfl in der Nachbarschaft beim Häuslebauen mal schnell die zentrale Wasserversorgung für mehrere große Wohnanlagen inklusive des gesamten Augustinumkomplexes kaputtgemacht hat. Vorgestern schon, aber da hatte ich die dünnen schnell versickernden Rinnsale aus den Wasserhähnen noch der mangelnden Kommunikationsfähigkeit der Hausverwaltung unterstellt. (Die stellen gerne mal das Wasser ab und wenn der Kollege, der für die Aushänge zuständig zeichnet, mal da ist, sagen sie einem das vorher. Sonst merkt mans ja selber… )

Gestern war ich früh aus dem Haus und erst zu einer Zeit zurück, in der sich niemand mehr für meinen diesbezüglichen Anruf interessiert hätte. Heute früh floß wieder Wasser, also gabs nach dem Zähneputzen Kaffee. Das hat mich so lange befriedet, dass ich erst nach dem Einkaufen, als die Leitungen wieder nur noch lahm stöhnten, daran dachte, die Hausverwaltung zu kontaktieren. Meine Hausverwaltung ist ein großartiger Arbeitgeber und die Mitarbeiter im Mieterservice haben ein tolles Arbeitszeitmodell und dürfen freitags schon um 11:00 Uhr nach Hause. Mieter haben bis Montagfrüh um 09:00 Uhr einfach keine Anliegen mehr zu haben. Und wer braucht schon Wasser?

Also habe ich die Stadtwerke angerufen, die offensichtlich heute Vormittag erfuhren, was da los ist, einen Trupp ausrücken ließen und jetzt mit Hochdruck (höhö) daran arbeiten, dass hier an Pfingsten Wasser fließt.

Ich kenne meine Black-out-Szenarios und habe inzwischen sicherheitshalber eine Kiste Mineralwasser besorgt. Reicht vorerst. Außerdem fahre ich übers lange Wochenende fort. Und da gibt es eine Dusche! Hah!

Für Konstantin W.

Es hatte sich schon am sehr frühen Morgen abgezeichnet, dass heute so ein saudummer Tag werden würde. War dann auch genau wie vorhergesehen.

Am Abend schließlich stand ein alter Mann vor der Eisdiele auf der Straße und löffelte genüßlich ein Gläschen Senf. Das hätts aber eigentlich gar nicht mehr gebraucht.

Angekommen

München und ich… ach Quatsch. München hat das noch nicht einmal mitbekommen. Also anders: ich habe mit München sehr lange sehr gerungen. Ich wußte wirklich nicht, ob ich gerne wo sein will, wo FJS König ist (das war damals noch so), die Menschen grob sind (und das dann als “die bayerische Art” definieren; Zitat Max Streibl), seltsam sprechen, aber Anderssprachige wegen ihres Dialektes ausgelacht werden* und Getränke nur in Riesenkübeln auftreten (die, das habe ich damals zum ersten Mal mit sehr sehr großen Augen im Hirschgarten gesehen, mit Klobürsten (!) gereinigt werden). Nein, so richtig glücklich war ich in meinen Anfangsjahren hier nicht.

Dann kam dies und das und jede Menge Leben dazwischen und wir haben uns, vielmehr ich habe mich, arrangiert (München war das immer noch von Herzen wurscht). Dass München meine Heimat geworden war, habe ich erst gemerkt, als ich in die weite Welt hinausging und gar manches Mal an schwerem Weh litt.

Dann kam ich aus der Fremde zurück. Heim. Dass ich wirklich ein Kind dieser Stadt geworden bin, habe ich heute gemerkt. Wer, wenn nicht eine echte Münchnerin, verabredet sich schon wochentags am Vormittag ummara oilfe am Fischbrunnen, ist dann leicht irritiert von den smartphonebewehrten Menschenmassen, die den Blick nach oben richten, kommt nach einer Weile drauf, dass die ja nur wg. Glockenspiels da sind, und den Platz auf dem Weg zur nächsten Touristenattraktion wieder freiräumen werden, sobald der Gockel hupt.

Dass ich das derweil ganz entspannt unter den Pflanzkübelpalmen in der Sonne sitzend abwarten und dieses aufgeregte G’schwerl dodal ignorieren kann, bedeutet, dass die Liberalitas Bavariae nunmehr über mich gekommen sein muß und wir miteinander, also ich mit München, versöhnt bin. (Der Stadt ist das immer noch wurscht.)

* Haltet ihr mal euer erstes Referat zum Thema Lyrik im Barock im Proseminar Germanistik und wartet, bis das grausame Gelächter wieder verstummt, nachdem ihr den Vortrag mit dem berühmten Gryphius-Zitat “Es ischt alles ganz eitel” eröffnet habt. Ein Trauma, an dem ich noch heute trage.

Theatermuseum: Ausstellung – Ödön von Horvath und das Theater “Ich denke ja garnichts, ich sage es ja nur”

In meiner Jugend Maienblüte gab es einige wenige sehr feste Regeln, darunter die, dass man jedes Jahr an einer Sommergrippe zu leiden hatte. Erworben wurde der Infekt traditionell auf dem Marktplatz, wo kulturbeflissene Menschen, getrieben von einer Mischung aus schwäbischer Sparsamkeit und Ganzvornesitzenwollen, schon Stunden vor Beginn der Generalprobe (“jede Karte 5 Mark”) auf den orangefarbenen Plastikstühlen mit den wannenförmigen Sitzflächen ausharrten, mit einer Wolldecke untenrum und einem Derischnochgut-Regenponcho drüber (war er nie, noch nicht mal ganz neu), bis endlich das Spiel auf der Treppe der St. Michaelskirche, bei dem die Schauspieler auf den regennassen glitschigen Stufen teils akrobatische Meisterleistungen darboten, spätnachts zu Ende war und das Publikum, mangels Bewegung, steif, blaugefroren und krank. Das waren die Zeiten, in denen ich noch glaubte, dass das Wort “Regisseur” ein Synonym von Achim Plato sein müsse; seine Intendanz mit angeschlossener Regietätigkeit umfaßte immerhin die Jahre 1969 bis 2003.

Warum erzähle ich das alles? Weil ich auf dieser Treppe zum ersten Mal die “Italienische Nacht” von Horvath gesehen habe, in einer Inszenierung, die den Autor sicher erheitert hätte. Man hatte nämlich, geschuldet der notorischen Unterfinanzierung des kommunalen Kulturbetriebs sowie dem schon oben erwähnten sehr schwäbischen Geiz, die Komparsen für den SA-Schlägertrupp beim Goethe-Institut rekrutiert. Was zur Folge hatte, dass, zumindest in meiner Heimatstadt, Nazis als fröhlicher multikultureller Haufen in allen Hautfarben in Uniformen in diversen Matschtönen in Erscheinung traten.

So, nun zur Gegenwart. Im Deutschen Theatermuseum zu München gastiert derzeit eine Ausstellung des Theatermuseums Wien, erweitert um die Aspekte von Horvaths Münchner und Murnauer Schaffen. Der Gestalter der Ausstellung, Peter Karlhuber, ist von Beruf Bühnenbildner und hat die drei “Volksstücke” (Italienische Nacht, Kasimir und Karoline, Geschichen aus dem Wienerwald) in zwei Räumen und dem Treppenhaus wie Bühnenbilder aufgebaut. Ein Wirtshaus nach der Schlägerei mit zerissenen Dekorationen, umgestürzten Biertischgarnituren und Krügen am Boden, einen oktoberfestinspirierten Rummelplatz mit Kettenkarussel und die Schlachterei sowie die Puppenklinik rund um den Wiener Heurigen.

Dazwischen Zeitzeugnisse, Arbeitsproben, Biographisches. Zum Beispiel gleich am Eingang der Ast, der den Horvath in Paris erschlagen hat. Und dazu Josef Hader in einer Videoinstallation in Dauerschleife, der auf eben diesem Ast in seinem “Hader muß weg”-Programm eine irrwitzige Zeitreise unternimmt.

Auf dem Rummel kann man sich, wie überall in der Ausstellung, auf einer Bierbank niederlassen und Videos schauen. Zum Beispiel das, in dem eine blutjunge Ruth Drexel als sehr berührende Karoline ihre Einsicht zur Rolle der Frau zusammenfaßt. “Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich. Aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln, und das Leben geht weiter, als wär man nie dabei gewesen.” Oder hinten in der Schlachterei in Wien, wo Qualtinger das Töten der Sau dem Gehilfen überträgt, weil ihm das Abstechen heute einfach keine rechte Freude macht.

Ich hatte ganz vergessen, wie viele druckreife Sprüche Horvath in seine Stücke geschrieben hat. Die Kuratoren haben sie ausgegraben und sehr treffend auf Bierkrüge gedruckt. Man möchte einen jeden mitnehmen und diesen ganz besonders: “Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist”.

Hingehen. Anschauen. Zeit genug ist, die Ausstellung läuft noch bis Mitte November.

Ganz neu auf Amazon Prime: Good Omens

Das ist mal eine gelungene Literaturverfilmung! Bleibt nah am Text wo es nötig ist und erlaubt sich Ausreißer, wo’s das andere Medium besser kann (pars pro toto: die Reiseplanung des Dämons. Was habe ich gelacht!). Die Herren Terry Pratchett (R.I.P.) und Neil Gaiman haben sich Ende der Achtziger einen Jux mit ihrer ganz eigenen Version des Armageddon gemacht und Gaiman, ein erfahrener und hochgelobter Autor von Prosa und Graphic Novels, hat diesen Spaß ganz in ihrer beider Sinne in ein zauberhaftes Drehbuch übersetzt.

Dreh- und Angelpunkt sind der Engel Aziraphale (Michael Sheen, in altmodischem Dandy-Look in Cremebeige und Rüschen) und der Dämon Crowley (David Tennant, teilt sich offensichtlich den Style-Consultant mit Mick Jagger), die schon seit der Vertreibung aus dem Paradies als quasi Agenten ihrer Mächte auf der Erde tätig sind. Wobei… Ersterer verschenkt aus Mitleid sein Flammenschwert an Adam und Eva, weil erstens ist es da draußen kalt und sie ist schwanger und zweitens wilde Tiere und so. Letzterer ist, na was wohl, die Apfelbaumschlange (da hieß er noch “Crawly”) und findet, dass Gott da doch ziemlich “überreagiert” habe. Wenn ER wirklich hätte vermeiden wollen, dass die Menschen seine Äpfel klauen, hätte ER den Baum doch auf einem Berg pflanzen können – oder, besser, gleich auf dem Mond, oder?

Wenn Gott spricht, und das tut ER(?) zumindest am Anfang der sechsteiligen Miniserie ziemlich oft, tut er das mit der Stimme der göttliche Frances McDormand und erklärt uns, dass es nun allerhöchste Zeit ist, dass die letzte Schlacht geschlagen werde, damit ein für allemal die Guten (?) siegen und dann Dingsbums und Wohlgefallen. Zu diesem Zwecke wird der Antichrist angeliefert, im Klappdeckelpicknickkorb (ist das nicht ein schönes Wort?) und zwecks Aufzucht einem amerikanischen (!) Diplomatenehepaar untergeschoben. Das Baby wird natürlich versehentlich vertauscht und statt des Weltuntergangs geht 11 Jahre später der Schlamassel los.

Ganz, ganz herrlich, wie die Autoren Engel und Dämon in Rückblenden durch die Geschichte der Menschheit ziehen lassen. Vor allem Tennant darf sich in den verschiedenen Stationen richtig ausleben (“Inquisition? Nein, war ich nicht. Da sind die Menschen ganz alleine drauf gekommen.”) Die Beiden haben sich längst auf der Welt und unter den Menschen eingerichtet, wollen nicht mehr weg und vor allem nicht, dass alles kaputtgeht. Darum haben sie sich abgesprochen (wunderschön, wie die Chemie zwischen den Akteuren stimmt) und 11 Jahre lang den falschen Satansbraten zu Frieden und Wohlgefallen indoktriniert (zum Schießen: Tennant als Mary Poppins) und suchen, wie auch ihre Chefs von oben und unten, nun verzweifelt nach dem korrekten Antichristen.

Ich erzähle jetzt nicht die ganze Geschichte, weil das jede/r selbst sehen soll. Oder lesen. Ist gleich gut. Wer’s anschaut, wird eine bis in die letzte Nebenrolle wunderbar besetztes Schelmenstück sehen, wer’s liest, kommt in den Genuß einer Unzahl Pratchett’scher Fußnoten. Richtig gut und klug unterhalten wird man in beiden Medien. Und das sage ich, als bekennender Bücherwurm.

Anschauen! Anschauen! Anschauen!