Nimmer ganz neu auf Amazon Prime: “The Marvelous Mrs. Maisel”, 1. Staffel

“Nimmer ganz neu” bedeutet in diesem Kontext, dass die Serie schon mit Emmies und Golden Globes beschmissen worden war, bis ich auf sie aufmerksam wurde. Hey, frau kann sich nicht um alles kümmern…

Worum gehts? Es sind die Fünfziger Jahre und Mrs. Maisel hats nicht leicht. Erst betrügt, dann verläßt sie ihr Gatte, weil er das Leben mit ihr und den beiden Kleinblagen nicht mehr erträgt, woraufhin sie mit viel Sack und noch mehr Pack wieder bei ihren Eltern einziehen muß und dann kommt sie auch noch drauf, dass Gatte und andere Frau (seine Sekretärin, was sonst?) genau das großkleinbürgerliche Leben weiterführen, das er mit ihr doch gerade nicht mehr wollte, woraufhin sie sich betrinken muß und in ihrem Suff mit ihrer Rage das Publikum eines downtown Comedy-Clubs an den Rand der Hysterie begeistert und prompt wegen obszöner Sprache verhaftet wird.

Soweit zur Ausgangssituation. Nun marschiert die fröhliche Klischeeparade mit Gesang und Schellenklang, und alle sind dabei. Die jiddische Mamme, die nun schon zum zigsten Male mit dem Preis für den größten Schuldkomplex beim eigenen Kind ausgezeichnet wurde. Die superreiche Uptown-Elite (s. auch Joel, Billy: https://bit.ly/PJQYFU). Die schrägen Typen (schwul, schwarz, schwinging) von Downtown (s. Joel, Billy, ebd.). Die Butch-Lesbe, von der ich jetzt schon weiß, dass sie irgendwann für irgendeinen Anlaß ihre Hose-Weste-Schieberkäppi-Uniform für ein Kleid eintauschen werden muß und dann auf einmal hübsch ist und ihre feminine Seite entdeckt. Mrs. Maisel, also eine Frau, die schon allein deswegen auffällt, weil sie gut aussieht, aber nicht singt, dafür im öffentlichen Rahmen in expliziten undamenhaften Worten über Sex redet. Zum Glück ist das heutzutage nichts besonderes mehr (s. auch Peaches in Stuttgart, https://bit.ly/2MQgybQ.) Dass sie dabei auch noch flucht wie ein Droschkenkutscher? Man hätte sie einfach nicht aufs College gehen lassen sollen. Höhere Bildung schadet dem weiblichen Hirn. In ihrer Not wird Mrs. Maisel ein “working girl”, also Kosmetikverkäuferin in einem der tollen neuen “Department Stores” (Vorgänger der Shopping Malls). Was man halt so tut mit einem Abschluß in russischer Literatur. Aber es kommt schlimmer. Berufstätig allein genügt dieser wenig standesbewußten Person nicht (ihre Mutter ist schon wieder einem Herzanfall nahe, inklusive Griff an die gequälte Brust und geblähten Nasenflügeln – Klischee, aber was will man machen). Stand-up-Comedienne will sie werden und treibt sich zu diesem Behufe in Clubs herum. Nachts. In Downtown Clubs. Oi, Gewalt! Mrs. Maisels Vater ist Mathematikprofessor, also Nerd. So auch der Bruder. Der hat aber, obwohl einer jüdischen Familie der Oberklasse angehörend, eine Schickse (Nicht-Jüdin) geheiratet. Das ist für ein paar ganz wunderbare Konvertitenscherze gut. Die Schwiegereltern, jüdische Immigranten (Ganef und Muttertier), müde, arm und geknechtet, haben mit nichts als den Kleidern auf dem Leibe im guten Tellerwäscherzummillionäramerika ein gutgehendes Textilimperium aufgebaut. Wer hätte je zuvor von jüdischen Schneidern gehört… Und so weiter und so fort, es wird kein Klischee ausgelassen und jedes oft und vielfach bedient.

Dass das gut geht, ist den Autoren zu verdanken, die ihren Figuren glaubhafte Brüche geschrieben haben und einer Riege guter Schauspieler, die alles tut, um ihre Rollencharaktere zu knacken und, gegebenfalls mit ein paar falschen Steinchen dazwischen, wieder zusammenzukitten.

Man kann das gut ansehen. Wer nur seicht will, wird gut unterhalten, wer Zwischentöne (Frauenrechte! Politik! Religion! Familienmuster! Rassenkonflikte! Antisemitismus!) hören möchte, findet sie. Die 2. Staffel offensichtlich schon gedreht und, eben nachgesehen, auch auf Prime, die 3. im Werden.

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