Pssst! Ganz still jetzt. Wir sind gerade echt, live und in Farbe Zeug*innen eines kreativen Entwicklungsprozesses und wenn alles gut geht, erblickt am Ende ein kleines Theaterstück das Licht der Welt. Ohren auf – uhund Action:
“Grachten”
“Schiffe, Boote, Kanus, Hausbo…”
“Ja, is ja gut. Haben wir verstanden. Nun weiter. Klappbrücken. Kopfsteinpflaster”
“Dam, Keizersgracht, Prinsengracht, Krasnapolsky, Rijksmuseu…”
“Jaha! Zefix! Jetzt mal weg vom Stadtplan, Mensch. Inhalte! Handel, Hafenstadt, Multikulti. Na?”
“Ausländerhaß, Antisemitismus, Nazis?”
“Nein, eigentlich… Obwohl? Geschichte, also. Deutsche Besatzung, Judensterne, Arier, Denunziation, Deportation, Shoah, Auschwitz, Gas…”
“Widerstand. Wand-, Keller-, Speicher-, Bodenverstecke. Anne Frank. Zivilcourage.”
“Stadtwerke.”
“Stadtwerke?”
“Ja, wegen der Gasrechnung…”
“Ah. Prima. Ich verstehe. Großer Bogen. Versteckte Juden, verschleppte Widerstandskämpfer, Gasrechnungen, die – inklusive aller Mahngebühren und Zinsen – noch heute als Forderungen zugestellt werden. Super. Jetzt packen wir noch die condition humaine obendrauf, Liebe in den Zeiten des Krieges, Schwangerschaft, Mutterschaft, abwesende Väter und sonstige Traumata und irgendwer schreibt das Ganze mal zusammen (Maya Arad Yasur), fügt noch ein paar Mal “Fotze, Schwanz, koscher und halal” dazu und läßt wen unter den Kirschbaum scheißen. Dann stecken wir drei Schauspieler (Nina Steils, Jonathan Hutter, Philipp Lind) in merkwürdige Kostüme mit Glitter, bauen eine Art Revuebühne auf der sie recht viel herumturnen, machen ein voll provokantes Plakat
ohne jeden Bezug zum “Stück” und dann nehmen wir es als “Deutschsprachige Erstaufführung” (Regie: Sapir Heller) auf den Spielplan der Kleinen Bühne im Volkstheater.”
Hmmm. Tja. Sagen wir mal so. Ich schau ja selten während einer Theateraufführung auf die Uhr. Gestern Abend schon. Mehrfach. (Und empfinde ein kleines bißchen klammheimlichen Neid für die ältere Dame, die einfach irgendwann die Lust verliert und die Vorstellung verläßt. Mit einem absatzklappernden Abgang quer über die Bühne. Das ist den Räumlichkeiten geschuldet, hatte aber wirklich Effekt.) Es lag übrigens nicht an den Schauspieler*innen. Die waren alle drei sehr gut. Aber dieses Stück war so dermaßen überfrachtet, dass es auch für drei gereicht hätte. Und als das unnötig verworrene Knäuel endlich entwirrt und aufgedröselt war, blieb halt gar nicht so viel Inhalt übrig. Naaa, des war nix Rechtes.