Obacht!

Ein Herr tritt der mitreisenden Dame nun schon zum wiederholten Mal auf die in Riemensandalen geschnürten Füßchen. “Jetzt passen Sie doch auf, Sie Dimpfel*!” schimpft sie.

Darauf der Herr, mit der ernsthaften Würde eines leicht Angetrunkenen: “Ich? Sie müssen achtgeben. Sie haben nur diesen einen Körper!” Anschließend geht er, die Rüttelbewegungen des Zuges gekonnt ausgleichend und begleitet vom sehr verblüfften Schweigen der Dame, nach hinten ab. Richtung Bordbistro.

A votre santé, Monsieur!

* Mit diesem Zugereisten-E gesprochen. So wie “stramme Wadel” oder “Schosch Hackel”.

Mobilblogger

Wie überaus aufregend! Draußen fährt die Landschaft vorbei und drin sitze ich, in einem moderat gefüllten erfreulich gut klimatisierten Abteil und fange gerade damit an, mir nach einem Hitzemarsch mit vollem (Roll-) Gepäck zum Waggon in Abschnitt G (der liegt kurz vor Pasing) die vor mir liegenden gut fünf Stunden Zugfahrt zu vertreiben.

Der Auktionator in der Sitzreihe neben mir wartet schon recht ungeduldig, dass ich endlich mit der Tipperei aufhöre und mir seine Geschichten aus der spannenden Welt frühkeltischer Trinkgefäße anhöre. Ich glaube, das mache ich jetzt mal und werde mit der Frage eröffnen, ob alter Keltenkruscht tatsächlich “Antiquität” genannt wird.

Jedes Schlechte hat sein Gutes

Bei der Überschrift habe ich lange gegrübelt, ob es dieses Sprichtwort im Deutschen überhaupt gibt oder ob ich da eine wohlbekannte englische Redensart (There’s always something good in something bad) einfach eingebürgert habe und das Internet war dabei keine große Hilfe. Böses Internet!

Wurscht, ich wollte eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus. Ulla nämlich, unsere heiße Hitzewelle. Meiner aktuell nicht von Erwerbstätigkeit blockierten Zeitplanung habe ich es nämlich zu verdanken, dass ich nun schon den zweiten Tag in Folge recht früh morgens im Schwimmbad aufscheinen und mir eine der begehrten “freien” Liegen (die anderen sind angekettet) zu einem Schattenbaum meiner Wahl zerren kann. Dann schwimme ich mir hin und wieder eins, trockne und lese ich bis zu Schulschluß + Mittagsessen und wenn die lärmenden Kids anrollen, packe ich gemütlich ein und verbringe den Rest des herrlichen Tages so lange auf meinem Balkon, bis es Zeit wird, in den Biergarten aufzubrechen.

Die Gesamtsituation ist zwar nicht zufriedenstellend, solche Details aber dann schon…

Heiliger Donald, hilf!

Amerika, höre ich, leidet unter der Zollpolitik des Präsidenten. Weil Stahl? Ach Quatsch! Weil Seltene Erden? Ach woher denn? Weil Harley Davidson und Heinz Ketchup? Nicht doch, geh weiter. Sondern, aufgemerkt: weil Bibel.

China ist der weltweit größte Hersteller von Bibeln und wenn die Christenlobby Trump nicht bald davon überzeugen kann, eine Ausnahmeregelung zu verfügen, dann wird demnächst auf jedes importierte “Good Book” 25% Zoll fällig. Man steckt ja nicht drin, aber möglicherweise werden die Frommen zukünftig nach dem Kauf teuerer Bibeln eher zurückhaltende Spender und das könnte sich am Ende negativ auf die Geldbeutel der Heilsprediger auswirken. Ogottogottogott!

Gelesen: Thi Bui – “The Best We Could Do – An Illustrated Memoir”

So geht Graphic Novel!

Thi Bui erzählt ihr Leben, gleichermaßen in Bildern und Worten.
Kurz zum Inhalt: Die Familie flieht nach dem Krieg aus Vietnam übers Meer. Amerika empfängt die “Boat People” mit der Begeisterung, die es auch heutzutage Immigranten aus armen Ländern entgegenbringt. Wie sie sich in einem fremden Land mit harter Arbeit ihren Platz erkämpft ist interessant, aber nicht das Besondere an diesem Buch.

Einzigartig ist vielmehr Buis Auseinandersetzung mit der Geschichte Indochinas, die nolens volens auch ihre Familiengeschichte ist. Wie sehr haben die Folgen des Kolonialismus und die Kriegseinsätze fremder Mächte ihre Vorfahren, ihre Eltern geprägt, wieviel davon trägt sie, drei Monate vor Kriegsende geboren und schon als Kleinkind geflüchtet, in sich und was davon wird sie an ihren neugeborenen Sohn weitergeben?

Mit sehr eindrücklicher Sprache und noch eindrücklicheren Bildern läßt sie ihre Leser*innen teilhaben und man folgt ihr gerne in diese doch sehr fremde Welt. Das Buch ist leider (noch) nicht auf Deutsch erschienen, sei aber trotzdem jede*r ans Herz gelegt. Es lohnt sich.

Herrgott noch einmal, Christen!

Wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, dass Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung Perlen vor die Fundamentalisten sind, dann doch eure Forderung an Netflix, die Kurzserie “Good Omens” nach dem gleichnamigen Buch von Terry Pratchett und Neil Gaiman dringend abzusetzen. Weil nämlich Gott mit einer Frauenstimme spricht, die apokalyptischen Reiter ihre Pferde gegen Motorräder getauscht haben und ein satanischer Nonnenorden dafür stehe, dass Satanismus was ganz Normales, Leichtes und gar Akzeptables sei (s. http://bit.ly/2L9fOQf).

Bei soviel Dummheit, womit ich einmal den gesamten Tenor eurer Anschuldigungen meine und dann den Adressaten Netflix (wo die Serie doch von Amazon und BBC1 produziert wurde), dürft ihr euch jetzt wirklich nicht wundern, dass das Internet Spott und Häme über euch ausgießt. So kanns gehen, wenn man mit Schaum vor dem Mund gleich um sich beißt und keine Zeit auf Recherche aufwendet…

Am Schönsten machen das die beiden Streaming-Konkurrenten selbst. Netflix verspricht hoch und heilig, keine weiteren Folgen von Good Omens zu drehen und Amazon gelobt im Gegenzug, Stranger Things (eine der bisher erfolgreichsten Netflix-Produktionen) abzusetzen. Hihi.

…du woaßd ja ned, wia’s Weda wird

So unlustig, wie die Sonne heute am Himmel rumhängt, habe ich mir gedacht, kann ich mir die Fahrt zum Badesee und einen überhasteten Wegen-Gewitter-Aufbruch sparen. Außerdem habe ich noch ein dickes schweres Buch auszulesen (dazu später mehr). Ganz einfach: ich bleibe auf Balkonien. Allerdings, fällt mir zum zigsten Mal auf, sieht es hier aus wie Sau. Seit längerem Zeugs einfach nur noch dazugestellt und nicht wirklich verräumt und der ganze Ramsch voller gelbem Blütenstaub. Na gut, dann wird Hochglanz meine Aktivität für diesen Tag. Sobald das Buch zu Ende gelesen ist.

Buch aus. Leider. Also los. Ich räume weg und auf, verkeile, sortiere, mache die Farbe an den Fensterrahmen wieder kenntlich, kehre hier und klaube Blätter von Nachbars Dachgarten da und… dann bricht die Hölle los. Blitz, Donner, Graupelschauer, das volle Programm. Nach wenigen Minuten bin ich bis auf die Haut durchnäßt und dann denke ich mir, dass ich es mit dem Saubermachen auch übertreiben kann und die Wasserlachen, die hier inzwischen auf dem Balkon stehen, den Restschmutz schon wegspülen werden und gehe rein, um mich von Kopf bis Fuß neu einzukleiden. Inklusive Unterhosentausch.

Hätt ich doch zum Baden gehen können…

Ein Lob der Sturheit

Was bin ich froh, dass der amerikanische Zeitschriftenabohändler so ein hartnäckiges Geschöpf ist, sonst hätte ich doch niemals erfahren, dass es auch diese Fachblätter gibt…

Meine kluge Oma hatte schon recht: Jeder Jeck is anders jeck.

Nimmer ganz neu im Volkstheater: Amsterdam

Pssst! Ganz still jetzt. Wir sind gerade echt, live und in Farbe Zeug*innen eines kreativen Entwicklungsprozesses und wenn alles gut geht, erblickt am Ende ein kleines Theaterstück das Licht der Welt. Ohren auf – uhund Action:

“Grachten”
“Schiffe, Boote, Kanus, Hausbo…”
“Ja, is ja gut. Haben wir verstanden. Nun weiter. Klappbrücken. Kopfsteinpflaster”
“Dam, Keizersgracht, Prinsengracht, Krasnapolsky, Rijksmuseu…”
“Jaha! Zefix! Jetzt mal weg vom Stadtplan, Mensch. Inhalte! Handel, Hafenstadt, Multikulti. Na?”
“Ausländerhaß, Antisemitismus, Nazis?”
“Nein, eigentlich… Obwohl? Geschichte, also. Deutsche Besatzung, Judensterne, Arier, Denunziation, Deportation, Shoah, Auschwitz, Gas…”
“Widerstand. Wand-, Keller-, Speicher-, Bodenverstecke. Anne Frank. Zivilcourage.”
“Stadtwerke.”
“Stadtwerke?”
“Ja, wegen der Gasrechnung…”
“Ah. Prima. Ich verstehe. Großer Bogen. Versteckte Juden, verschleppte Widerstandskämpfer, Gasrechnungen, die – inklusive aller Mahngebühren und Zinsen – noch heute als Forderungen zugestellt werden. Super. Jetzt packen wir noch die condition humaine obendrauf, Liebe in den Zeiten des Krieges, Schwangerschaft, Mutterschaft, abwesende Väter und sonstige Traumata und irgendwer schreibt das Ganze mal zusammen (Maya Arad Yasur), fügt noch ein paar Mal “Fotze, Schwanz, koscher und halal” dazu und läßt wen unter den Kirschbaum scheißen. Dann stecken wir drei Schauspieler (Nina Steils, Jonathan Hutter, Philipp Lind) in merkwürdige Kostüme mit Glitter, bauen eine Art Revuebühne auf der sie recht viel herumturnen, machen ein voll provokantes Plakat ohne jeden Bezug zum “Stück” und dann nehmen wir es als “Deutschsprachige Erstaufführung” (Regie: Sapir Heller) auf den Spielplan der Kleinen Bühne im Volkstheater.”


Hmmm. Tja. Sagen wir mal so. Ich schau ja selten während einer Theateraufführung auf die Uhr. Gestern Abend schon. Mehrfach. (Und empfinde ein kleines bißchen klammheimlichen Neid für die ältere Dame, die einfach irgendwann die Lust verliert und die Vorstellung verläßt. Mit einem absatzklappernden Abgang quer über die Bühne. Das ist den Räumlichkeiten geschuldet, hatte aber wirklich Effekt.) Es lag übrigens nicht an den Schauspieler*innen. Die waren alle drei sehr gut. Aber dieses Stück war so dermaßen überfrachtet, dass es auch für drei gereicht hätte. Und als das unnötig verworrene Knäuel endlich entwirrt und aufgedröselt war, blieb halt gar nicht so viel Inhalt übrig. Naaa, des war nix Rechtes.