Gelesen: Renée Nault – The Handmaid’s Tale (The Graphic Novel)

Bei einer Schulaufgabe hätte ich drunter geschrieben “Thema verfehlt”. Renée Nault zeichnet allerliebste Wasserfarbenbilder der “Handmaids” (zur Reproduktion gezwungene Frauen im religiös-fanatischen patriarchalischen Staat Gilead), in feuerroten voluminösen Gewändern, bei denen mein Unterbewußtsein anfing, Melodien aus Mary-Poppins-Filmen zu pfeifen.

Sie hat’s, glaub ich, einfach nicht ganz verstanden. Ihre Handmaids sind weiße gutaussehende junge Frauen mit so wenig distinktiven Merkmalen, dass man sie kaum voneinander unterscheiden kann. Wäre aber immens wichtig gewesen, wenn alle Uniformen tragen. Die Frauen der herrschenden Klasse sind ältlich und vertrocknet und tragen irgendwas viktorianisch Anmutendes in Bleue mit Schleier. Sie hat sich aber nicht die Mühe gemacht, diesen Schnitt für die Unterklasse zu verändern. Grundverkehrt.

Die Bilder sind seltsam gefällig. Das mag für die Rückblenden in eine bessere Vergangenheit angemessen sein, ist aber für die Gegenwart in einem Unterdrückungsstaat doch recht unpassend. Ob frisch Gehängte von Haken an der Mauer baumeln, ob die öde Kammer, in der die Protagonistin gefangen gehalten wird oder wenn die Handmaids ihre blutige Rage an einem Vergewaltiger auslassen – der Schrecken von Gilead vermittelt sich nicht. Erst recht nicht, als sich June (“Offred”), die Heldin, auf einen Zeugungsakt mit dem Chauffeur einläßt. Die Szene hat eher was von einem romantisch-versteckten Stelldichein und falscher geht es nicht.

Schade, das Medium würde soviel mehr hergeben. Aber hier will es scheinen, dass Renée Nault einfach auf der Erfolgswelle der Verfilmungen mitgesurft ist. Wer’s lesen will, kann meins haben. Noch mehr Geld muss man dafür nicht ausgeben.

Déjà vu

Grad vorhin beim Duschen fiel es mir ein. So eine Periode, in der ich unter der Woche richtig richtig viel zu tun habe, und am Wochenende viel Zeit mit Blogschreiben und am Telefon mit friends und family verbringe, gab es in meinem Leben schon einmal. Vor elfeinhalb Jahren. Da war ich gerade frisch nach Amerika umgezogen und in einer Art Neulandquarantäne.

Dort hat man mir den Pazifischen Ozean vors Haus gelegt.

Ich sag ja bloß.

Bewegungsmangel

Irgendwo in meinem Hirn ist fest verankert, dass es mir einen wesentlich höheren Lustgewinn bringt, wenn ich Zeit lesend auf einem Sitz- oder Liegemöbel verbringe, als rennend, springend, laufend. Selbst simples Spazierengehen rangiert noch weit darunter. Demselben Hirn ist aber auch bewußt, dass es eine Grundvoraussetzung für Gesundheit ist, sich zu bewegen (mens sana in corpore sano). Darum habe ich mir schon zwei Programme gebookmarked, in denen mir jemand täglich sportliche Übungen vorturnt. Müßte ich nur nachmachen. Kann mich aber nicht aufraffen. Innerer hat zur Zeit die Zügel sehr straff in der Hand. Nun habe ich andauernd ein schlechtes Gewissen und spüre selbst in Jogginghosen, wie andere Hosenbünde zwicken und… ach, es ist ein Teufelskreis.

Was habe ich mich heute gefreut, als die Überschrift “Elf Tipps vom Profi – Wie Sie sich jetzt zum Sport motivieren” Abhilfe versprach. “Eine Professorin für Sportpsychologie erklärt”, wie selbst ich es schaffen kann. Super! Wie, Frau Professor?

“1. Reden Sie sich gut zu.” Die Übung besteht darin, sich vorzustellen, wieviel besser es einem gehen werde, wenn man Sport gemacht haben werde. Futur II also. Wenn das funktionieren würde, hätte ich es längst getan. Man solle übrigens einen Sport wählen, der zur eigenen Leistungsfähigkeit passe. Habe ich, Frau Professor. Alles, was im Wasser stattfindet. Sollte ich vielleicht mein Wohnzimmer fluten?
Vielleicht ist ja der 2. Tip besser.

“2. Treffen Sie eigene Entscheidungen.” Man solle einen Sport wählen, der zu einem selbst passe, von Mannschaftssportarten aber derzeit absehen. Hrrrrgggn!

Die restlichen 9 Binsenweisheiten liegen hinter der Bezahlwand und da dürfen sie gerne bleiben. Ich brauche eine Lösung und kein Geschwafel. Habe mittlerweile die Yoga-Matte mitten im Wohnzimmer ausgerollt. Vielleicht hilft das. (Fürs schlechte Gewissen allemal.)

Noch’n Gedicht – Auflösung

Wir erinnern uns? Darum gings:

Und das ist die Aulösung:
»Hingesunken alten Träumen,
Buhlst mit Rosen, sprichst mit Bäumen
Statt der Mädchen, statt der Weisen;
Können das nicht löblich preisen.
Kommen deshalb die Gesellen,
Sich zur Seite dir zu stellen,
Finden, dir und uns zu dienen,
Pinsel, Farbe, Wein im Grünen.«

Neu auf Amazon Prime: “Star Trek: Picard”

Laaangweilig!
Als Belohnung dafür, dass ich mich trotzdem durch die 10 Folgen gequält habe, spoilere ich im Folgenden hemmungslos. Es wurde nämlich nicht besser! You’ve been warned.

Hab Sie denn gar nichts Gutes finden können, Frau flockblog? Doch, schon. Die Programmierer haben sich selbst übertroffen. Die CGI ist ganz und gar großartig! Ob Borg-Cube, Weltraumschlachten, Killerorchideen (aber hallo!), AI-Hippiekommunen oder das hyperamerikanische Arkadien, in dem Riker, Troi und ihre Ronja Räubertochter leben (ich sagte doch, Spoiler) – wow! Und nochmal wow! Doch, ganz toll! Inhalte über “der Mensch ist gut und der künstliche Mensch aber auch” wären trotzdem schön gewesen.

Worum geht es denn eigentlich? Nun, kurz gesagt, das Thema ist Das doppelte Klonchen bzw. Data’s Daughters. Das eine sucht Hilfe bei Picard und wird noch in der ersten Folge schlimm dahingemeuchelt. Nicht mit Picard, ey! Und nun taumelt der alte Admiral durchs Universum, um die Zwillingsschwester rechtzeitig vor den bösen romulanischen Schurken zu finden und seffaständlich zu retten. Unterwegs sondert er laufend Ratgebersentenzen auf Glückskeksniveau ab. Das soll wohl an Captain Picard, den großen Humanisten erinnern, machte auf mich aber mehr den Eindruck, als zwänge man einem schon senilen alten Mann, Texte, die er nicht versteht, von Papptafeln abzulesen. Dabei kann Sir Patrick doch ganz anders, wie seine allabendlichen Shakespeare-Sonett-Lesungen zeigen. Ich weiß nicht, ob das schlechte Regie ist oder Unlust eines großen Schauspielers, sicher ist, es macht einfach keinen Spaß, ihm dabei zuzusehen. Aber zurück zur Geschichte.

Der Admiral braucht ein Schiff und eine Crew. Die Repräsentantinnen (sind alles Frauen, denn so ist das in der Zukunft) der Sternenflotte haben aber keine Lust, ihm zu geben, was er verlangt. Im Gegenteil, Picard ist schwer in Ungnade gefallen und wird nurmehr wie ein lästiger alter Mann behandelt. Blöd das. Muß er halt persönliche Gefallen erbitten. Die alte Freundin Raffi (Michelle Hurd) hat Zugang zu einem Raumschiff, ist erst mal zögerlich, macht ihm aber dann doch die Freude. Neben dem Schiff bringt sie gleich einen Piloten mit, Rios (Santiago Cabrera). Der kommt mit einer Auswahl an Hologrammen, die alle aussehen wie er und verschiedene Fachbereiche abdecken (Medizin, Gastfreundschaft, Navigation). Die Idee ist zum Brüllen komisch. Hallo, Herr Lehrer, hab doch noch was Gutes gefunden. Das nächste Mitglied dieser dieser skurrilen Crew ist Elnor (Evan Evagora), ein Waisenknabe, den Picard seinerzeit wegen Zeitmangels (es war halt immer noch ein Planet mehr zu retten) kurz in einem Kloster zwischengelagert hatte. Das Kind ist inzwischen zum Manne gereift und vom Kampfjungfernorden zum Shaolin-Samurai (oder so) mit Schwert und schwarzer Kutte ausgebildet worden. Nach kurzem Widerstand (“Warum hast du mich in den letzten 14 Jahren nicht mehr besucht, Vaterersatz?”), weiht er Schwert und Kampfeskraft doch dem Admiral. Gut so, aber auch anstrengend, weil die Figur so herzzerreißend naiv angelegt ist, dass der Bub permanent ein bisserl zurückgeblieben daherkommt.

Kurz vor dem Abflug drängt sich auf Dr. Agnes Jurati (Alison Pill) auf, Genetikerin, AI-Spezialistin und Dummblondchen. Warum man eine Schauspielerin dieses Kalibers an Bord holt (hoho, schon wieder Wortspiel) und sie dann hauptsächlich staunend Mund und Augen aufreißen läßt (oh, der Weltraum, oh, öd und leer, oh, ein Hologramm, oh, zwei sogar etc.pp.), würde ich gerne erklärt bekommen. Sie wird später immerhin noch ein sehr sinistrer Charakter werden, aber das hätte man doch auch anlegen können und müßte den Zuschauer nicht aus heiterem Himmel mit ihrer dunklen Seite überraschen?

In den nächsten Folgen wird viel geflogen, im Weltenraum gekämpft und man trifft alte Bekannte. Seven-of-Nine, Ranger-Rächerin derer ohne Stimme, und in Rückblenden immer wieder Data, der mit seinen Erklärungen die Geschichte vorantreibt. Im Borg-Cube (“The Artifact”) treiben Cersei und Jamie derweil ein übles Spiel mit dem Zwilling (ja, doch, sie heißen anders und sind von Romulus, aber die Lannisters sind halt mal die Blaupause für inzestuöse Übel-Geschwister). Man möchte es kaum glauben, aber Picard rettet sie, sowas von kurz vor knapp, und läßt Seven und seiner Crew die Dreckarbeit, während er mit dem Zwilling zu Rikers in deren luxuriöse “Cabin in the Woods” teleportiert und sich Pizza backen läßt. Mit selbstgezogenen Tomaten. Huiui!

Ganz zum Schluß stellt sich raus, dass alle, außer natürlich Picard, die alte Prophezeihung mißverstanden haben und das Klonchen gar nicht der Weltenzerstörer ist und deswegen auch gar nicht umgebracht werden muß und alles ist wieder gut. Boooaaaahh! Das hätte man in einem schlechten Spielfilm auch klären können. Dann wären wenigstens nur zwei Stunden weggewesen.

Die 2. Staffel ist schon in Postproduction. Mir ganz wurschtegal. Nochmal tue ich mir das nicht an.

Samstagmorgen in Hadern

Vor jedem Laden lange Schlangen. Klar, bei maximal zwei Kunden pro kleinem Geschäft (Bäcker, Metzger, Gemüsehändler, Lottomann) und nur einer beschränkten Menge im Edeka (habe die Höchstanzahl nicht erfragt, weil ich nix brauche und nur den armen D’Leut-Abhalter bedauert). Ungefähr die Hälfte der Menschen trägt freiwillig Masken*, viele davon lustig bunt und offensichtlich selbstgenäht. Die Stimmung ist gut, Sieche und Lahme werden vorgelassen, Vordrängler ruhig aber bestimmt auf das Ende der Schlange verwiesen. Bis ich beim Pfister drankomme, schaffe ich die gesamte Titelseite der gerade beim Lottomann erstandenen Süddeutschen, kaufe an Backwaren, was ich voraussichtlich für die kommende Woche brauchen werde und wups bin ich wieder daheim.

Während meines kurzen Aufenthalts da unten treibt mich die ganze Zeit die Erinnerung an gestern Abend um. Ein Elternpaar mit offensichtlichem Migrationshintergrund (Kopftuch) war mit seinen beiden Kindern im Vorschulalter durch das Absperrband am Spielplatz geschlüpft und hatte die Zwerge sich austoben lassen. Regelverstoß! Das kann der deutsche Blockwart nicht ungeahndet lassen! Hau ab, du Kanakenhure und nimm deine Brut gleich mit war noch eine der harmloseren rassistischen Beschimpfungen, mit denen sie von den Balkonen herunter angegeifert wurden.

Manche, die gestern diese ultrahäßliche Fratze zeigten, habe ich gerade wegen ihres ruhigen und disziplinierten Verhaltens gelobt. Was steckt da in uns und was kann man dagegen tun?

* Ich trage auch eine. Einer unser chinesischen Geschäftspartner hat seine Produktion umgestellt und dem Hunsrücker Unternehmen welche zukommen lassen. Woraus wir anteilig Care-Pakete für die Mitarbeiter und eine Spende an den lokalen Kinderarzt gemacht haben. Gutes gebiert Gutes.

Dann doch lieber das

(Heute Abend, in Hadern an einem Plakatpfosten.)

Ich fand das solchermaßen nett. Nicht einmal mein Rotstiftautomatismus hat eingesetzt.