Gelesen: Renée Nault – The Handmaid’s Tale (The Graphic Novel)

Bei einer Schulaufgabe hätte ich drunter geschrieben “Thema verfehlt”. Renée Nault zeichnet allerliebste Wasserfarbenbilder der “Handmaids” (zur Reproduktion gezwungene Frauen im religiös-fanatischen patriarchalischen Staat Gilead), in feuerroten voluminösen Gewändern, bei denen mein Unterbewußtsein anfing, Melodien aus Mary-Poppins-Filmen zu pfeifen.

Sie hat’s, glaub ich, einfach nicht ganz verstanden. Ihre Handmaids sind weiße gutaussehende junge Frauen mit so wenig distinktiven Merkmalen, dass man sie kaum voneinander unterscheiden kann. Wäre aber immens wichtig gewesen, wenn alle Uniformen tragen. Die Frauen der herrschenden Klasse sind ältlich und vertrocknet und tragen irgendwas viktorianisch Anmutendes in Bleue mit Schleier. Sie hat sich aber nicht die Mühe gemacht, diesen Schnitt für die Unterklasse zu verändern. Grundverkehrt.

Die Bilder sind seltsam gefällig. Das mag für die Rückblenden in eine bessere Vergangenheit angemessen sein, ist aber für die Gegenwart in einem Unterdrückungsstaat doch recht unpassend. Ob frisch Gehängte von Haken an der Mauer baumeln, ob die öde Kammer, in der die Protagonistin gefangen gehalten wird oder wenn die Handmaids ihre blutige Rage an einem Vergewaltiger auslassen – der Schrecken von Gilead vermittelt sich nicht. Erst recht nicht, als sich June (“Offred”), die Heldin, auf einen Zeugungsakt mit dem Chauffeur einläßt. Die Szene hat eher was von einem romantisch-versteckten Stelldichein und falscher geht es nicht.

Schade, das Medium würde soviel mehr hergeben. Aber hier will es scheinen, dass Renée Nault einfach auf der Erfolgswelle der Verfilmungen mitgesurft ist. Wer’s lesen will, kann meins haben. Noch mehr Geld muss man dafür nicht ausgeben.

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