Es wird Zeit für dicke Socken und Strickjacke. Wegen viel zu kalt und naß.
I am not amused.
Wiedergelesen: Margaret Atwood – “The MaddAddam Trilogy”
Meiner ursprünglichen Kritik (s. https://flockblog.de/?p=44270) aus unserem ersten Pandemiejahr habe ich nichts hinzuzufügen, außer der überraschenden Erkenntnis, dass mir dieses Mal der zweite Band “The Year of the Flood” von den dreien am besten gefallen hat. Bei der Erstlektüre wars noch der letzte, “MaddAddam”. Aber der ist auch toll.
Sonst kann ich nur meine Empfehlung wiederholen: Lesen! Lesen! Lesen! Lesen! und das Nobelkomitee anschubsen, auf dass die Ms. Atwood endlich den Literaturnobelpreis verleihen. Zeit wirds! Immerhin hat sie es, obwohl ich die Trilogie nun schon zum zweiten Mal gelesen habe und bekanntermaßen durch einige Dystopie-Stahlbäder gegangen bin, geschafft, dass mich in der Nacht von gestern auf heute wilde Alpträume plagten.
Gelernt ist gelernt
Bei der vorherigen Fußballweltmeisterschaft hatte ich eine Garde zuverlässiger Menschen gewonnen, die mich immer (!) und rechtzeitig (!) informierten, wenn ein Elfmeterschießen anstand.
Ich darf zu meiner großen Freude berichten, dass die Gruppe zwar ein wenig geschrumpft ist, mich aber gestern Abend im Theater doch einige SMS erreichten, die mich auf das Elferschießen zwengs Entscheidung zwischen England und Spanien hinwiesen.
Danke. Weitermachen. Und Congrats den Lionesses!
Nachtkritik: Vorhin im Prinzregententheater – “Die letzten Tage der Menschlichkeit?”
Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele 2025 recht unspektakulär als “Liederabend” angekündigt, dürfte es den meisten Menschen im Publikum gegangen sein wie mir, nämlich, dass man dem ansonsten sehr unsäglichen Egbert Tholl von der Süddeutschen zu Dank verpflichtet ist, weil der vor ein paar Tagen ein Interview mit den Künstlern Georg Nigl (Bariton), Nicholas Ofczarek (Sprech- und Sprachkünstler) und dem Pianisten Vladimir Jurowski geführt und damit Aufmerksamkeit für diesen Abend geweckt hat. Also, ausnahmsweise, Herr Tholl: Besten Dank.
Drei absolute Ausnahmekünstler präsentieren im ausverkauften Prinzregentheater die Erkenntnis: “Wir werden nicht gescheiter, wir sind einfach gleich blöd wie immer”. Ofczarek spielt (nur lesen kann man das, was er da tut, nicht nennen) Szenen aus “Die letzten Tage der Menschheit” von Karl Kraus, Nigl singt, kongenial von Jurowski begleitet, Lieder von Mahler und Eisler, mit Texten aus des Knaben Wunderhorn, Brecht und Tucholsky. Alles eigentlich eine Auseinandersetzung mit dem “Großen Krieg”, dem ersten der nummerierten Weltkriege, dennoch verstehen die heute und hier Anwesenden, dass die Menschheit nichts gelernt hat. Nicht aus dem ersten, nicht aus dem zweiten Weltkrieg und auch nichts aus allen nachfolgenden. Krieg ist Krieg ist Krieg und findet immer aus den dümmsten Gründen statt.
Die vorletzte Nummer ist Pete Seegers “Sag mir, wo die Blumen sind”. Eigentlich schon ganz und gar ausgelutscht, niedergeklampft in den hinteren Busreihen beim Schulausflug. Dennoch gelingt es Nigl und Ofczarek beim gemeinsamen Vortrag, das Lied klingen zu lassen, als wäre es gestern und da für die Ewigkeit geschrieben worden.
Meine Fresse! Ich habe den Mund erst beim langanhaltenden Schlußapplaus wieder zugekriegt. Was für Könner! Danke!
Sommerlandpartie
Ich bin fürs Wochenende bei Freunden auf dem Land eingeladen und, dies vorausgeschickt, mit und bei denen war es so schön wie immer und ich danke auch ganz recht herzlich für alles. Meine Kritik gilt allein den Rahmenbedingungen.
Was ist das denn für ein Hoch-(dass ich nicht lache)-Sommer, in dem man sich, nunmehr bejackt und bestrumpft, doch aus dem herrlichen neugebauten luftigen (“mach zu, es zieht und regnet rein”) Wintergarten im steten dauerhaften Landregen lieber nach drin, “in’s Warme”, verzieht? Hmmm? Ein Hoch-(dass ich nicht lache)-Sommer, in dem das Orakel befragt werden muss, wann denn die beste Abfahrtszeit sei, um nicht in die dicksten möglichen Regengüsse zu geraten? Hmmm? Um dann vom Regenradar auch noch belogen zu werden und in einem halbdichten Wasservorhang durch frühlingsgrüne Landschaften schleicht und angesichts beige-grau-matter Stoppelfelder nicht einmal ein bißchen in Versuchung geführt wird, Stroh zu Gold zu spinnen? Hmmm? Nur der Mais, dem geht es offensichtlich saugut. Maisgut? Seit gestern sind die Stangen schon wieder weiter nach oben geschossen und die dichten Felder versperren die Sicht auf alles. Wobei, eigentlich ist das wurscht, weil die schweren Wolken eh so tief hängen.
Manno! Ich weiß, Klimawandel und woanders ist es so heiß, dass spontan Wälder brennen und alles. Aber mir regnet es hier in die Sandalen und ich mag das nicht. Sing, Rudi, sing!*
* Und ihr, junge Menschen, fragt die Oma. Die versteht die Referenz.
Neulich, beim Kunst anschauen
Ein kulturell aufgeschlossenes Paar steht vor einem Epitaph (Grabmal) und die Dame informiert den Herrn, dass sie sich an “Bondl Krama” erinnert fühle.
Seitdem geht mir die Szene nicht mehr aus dem Kopf, wie sich der Tod bei seinem nächsten Kunden mit den Worten: “Mein Name ist Bondl. Bondl Krama.” vorstellt.
Fünf Sterne und ein Hallelujah!
Wer hier schon mal öfter mitliest, dem ist bekannt, dass ich bei Kulturreisen nur auf einen Anbieter baue: Rothmüller-Reisen (s. z. B. hier: https://flockblog.de/?p=50712). Seit Jahren im Geschäft, zuverlässig, instruktiv und immer für eine hochwillkommene Sonderleistung gut. Mindestens eine.
Dieses Mal hatte ich Theater in Ergoldsbach gebucht. Was habe ich bekommen? Theater in Ergoldsbach, natürlich. Aber auch: Den Kosmos König. Jaha. Vielleicht sollte ich ausholen: Fritz König ist ein großer Sohn der Stadt Landshut und in diesem Jahr wird das 100. Geburtsjahr des Bildhauers begangen. Unter anderem mit der Möglichkeit, im Juni und Juli das Anwesen des Künstlers in Ganslberg, ein “lebendiges Denkmal”, zu besuchen. Es handelt sich um eine landschaftlich sehr schön gelegene sehr hügelige Fläche, die vom Künstler und seiner Frau Maria als Gestüt für Pferdezucht sowie Kunstareal mit um- oder neugestalteten Ateliers und Ausstellungsflächen, drin und draußen genutzt wurde. Leicht eingeschränkt in späteren Jahren, als der Freistaat Bayern mitten durch das Gelände eine Autobahn baute, aber hey, es waren die Achtziger. Der Künstler im eigenen Land noch nicht so geschätzt und das Auto ein Gott. Nachfolgend ein Bild der Skulptur “Autobahnvogel”, mit der König die Angelegenheit kommentierte.

Es ist hier… interessant. Alles, außer barrierefrei, ein Marsch durchs Gelände, also ganz meins… Ich besichtige im wesentlichen den Kunsthof und den dazugehörigen Skulpturengarten, bin hingerissen von den leider wenigen dort ausgestellten Epitaphen (davon will ich irgendwann mehr sehen) und etwas irritiert von der Heldenverehrung aller, die irgendwie mit dem Projekt zu tun haben. Hat fast ein bißchen Kultcharakter und mündet in dem ganz strikten Verbot der gralshütenden Nachfahren, Pfauen zu füttern sowie Pfauenfedern an sich zu nehmen – man wird schriftlich und mündlich mehrfach darauf hingewiesen. Ich habe die Viecher nur gehört und nicht gesehen und wäre auch ohne die Verbote nicht in Versuchung gekommen. Aber gut. Außerdem gelernt, dass Percy Adlon sich zum König-Biographen ausgerufen hat und es unzählige Filme gibt.
Anschließend kooperiert Rothmüller-Reisen mit einem lokalen Anbieter und führt in die “Schwimmschuimarie” aus, wo, wie der Name schon vermuten läßt, gute türkische Hausmannskost gereicht wird. Hinreichend gestärkt besuchen wir die Vorstellung (s. vorherigen flockblog-Beitrag).
Es wäre nicht Rothmüller-Reisen, wenn nicht auch die Rückfahrt noch ein Highlight bereithielte: Bei der Einfahrt nach München wird von der Rückbank live das Elfmeter-Schießen des Frauen-WM-Viertelfinales Frankreich:Deutschland kommentiert. Hier nochmal zum Anschauen, für die, die es verpasst haben sollten: https://www.youtube.com/watch?v=pou6PwWOtlM. Ich habs ja nicht so mit Fußball, aber selbst für mich Ignorantin gibt es nicht viel Spannenderes als Elfmeter-Schießen. Das mag ich dann schon. Und Rothmüller-Reisen liefert. Hach!
Ich bin einfach ein Glückskind. Vielen Dank!
Theater in Niederbayern – Laienspielgruppe Ergoldsbach: “Das Gespenst von Canterville”
Vorrede: Mein Dreiländertsommertheatertour findet dieses Jahr ausschließlich in Unterröhrenbach statt, weil Frau Rothmüller erst nächstes Jahr wieder eine Regie in Südtirol macht und die Stadt Braunau und das dortige Bauhoftheater irgendwie im Zwist liegen und diesen Sommer dafür gar nicht gespielt wird. Umso mehr habe ich mich auf die Ergoldsbacher gefreut.
Sie haben es nicht leicht gehabt, mit der Bearbeitung dieser Novelle von Oscar Wilde. Der erste Teil ist ganz wunderbares Theaterfutter: eine amerikanische Familie, laut und rumpelig (sehr schön, alle miteinander) kauft sich ein Schloß in ye goode olde England, Haus und Hof, Inventar und Personal inkl. Gespenst, alles inbegriffen. Der alte Lord ist bei der Übergabe mit verblüffend amerikanischem Akzent englisch-exzentrisch, das Hauspersonal (Antje Haschke und Birgit Kilic, letztere ein ganz wunderbarer Neuzugang, hach!) snobistischer als die Herrschaft, das Gespenst (Ernst Baumann in einer Rolle, an der er viel Freude hat) ob der unerwünschten Kolonisierung sehr erzürnt. Hübsch! Das Ensemble tobt sich in dem sehr großartigen Bühnenbild mit großer Spielfreude aus, hat und macht Spaß.
Die Kulturen krachen aufeinander: Geisterketten rasseln? Dagegen haben die Amerikaner Schmieröl. Der Blutfleck stört? Dagegen gibt es gutes amerikanisches Sprühputzmittel (sehr hübsch Emily Köhls Werbespot). Egal, was das Gespenst aus dem Arsenal holt, die Amis haben ein Gegenmittel. Zum Glück tritt ab und zu der Vorfahre Beau Byron (!) (David Dauksch) aus dem Rahmen seines Gemäldes und berät den zunehmend ratlosen Geist, der über seinen Aktionen beinahe noch seinen Kopf verliert. (Findet sich im Wäscheschrank. Viel gelacht.)
Im zweiten Teil wird es schwerer, da hat Wilde nämlich eigentlich nur noch die Moral von der Geschicht zu bieten und das spielt sich etwas zäher. Regisseurin Sylvia Ammer hat sich aber davon nicht einschüchtern lassen und läßt gleich nach der Pause das ursprüngliche Opfer, die vom Gespenst ermordete Gattin, zu Wort kommen (ausgesprochen schön, auch wenn ich leider den Namen der Schauspielerin nicht weiß) und die musikalische Untermalung spielt die violett-satin-behandschuhte Hand aus der Wand, an der ich mich bis zum Schluss nicht sattsehen konnte.
Weil die älteste Tochter Virginia (!) (Emma Grieger) brav, gut und jungfräulich ist (ach, Herr Wilde), löst sich alles in Wohlgefallen auf und sie wird auch gleich noch verlobt – wie gesagt, wenn’s gar so moralinsauer ist, spielt es sich etwas schwerer. Aber sie haben das sehr schön gemacht und ich freue mich schon wieder auf nächstes Jahr.

