Der Frühe Vogel, das steht mal sicher fest, ist ein Warmduscher. Wenn’s nämlich draußen kalt und naß ist, macht er keinen Piep. Wahrscheinlich sucht er, frühmorgens im Dunkeln leise vor sich hinfluchend, seinen Turnbeutel.
Wenn’s draußen dunkel ist und ich tief schlafe,
verkündet die Jury ihre Bewertung: Ich sei, befindet sie, eine “phantasiefähige Biberbegabung” und das alles nur, weil ich einen Damm in Einhornform kunstgenagt hatte.
Manchmal frage ich mich schon, wo sich mein Unterbewußtsein ohne Aufsicht herumtreibt und dann solche Träume mit nach Hause bringt.
Gelesen: Nadine Matheson – “The Jigsaw Man”
Das ist so eines von diesen Büchern, bei dem andere Autoren wieder merken, dass sie ihren Vertrag doch hätten gründlicher lesen sollen. Denn irgendwo im Kleingedruckten findet sich die Klausel: “Wenn wir, der allmächtige Verlag, ein neues Werk promoten, dann drucken wir deinen Namen mit einer Lobpreisung unserer Wahl auf dessen Einband ab. Und nein, gut, dass du fragst, du hast kein Mitspracherecht.”
Der Paragraph wurde reichlich genutzt: drei Testimonials auf dem Titel, eines unter der viel zu langen reißerischen Inhaltsangabe auf dem Hinterdeckel. Gut macht die Werbung das Buch trotzdem nicht. Ms. Matheson versucht auf über 400 Seiten mit allen Tricks auktorialer Erzählkunst, neben dem (vorgeblich) an Hannibal Lecter angelehnten Oberpsychopathen noch eine kleine Auswahl an Azubispinnermördern in die Welt zu setzen, allein, sie scheitert. Um die Zusatzpsychos überhaupt in die Geschichte zu kriegen, müssen die Ermittler saublöde Ermittlungsfehler machen. So saublöde, dass ich mich schon 100 Seiten vorher frage, warum sich da eigentlich keiner kümmert und das einzige, was Olivier (Mathesons Täter) und Lecter verbindet, ist, dass sie von einer Polizistin im Knast besucht werden. Über Schafe wird nur in einem Fall gesprochen.
Ich hatte erwogen, das Buch einer Freundin weiterzugeben, die gerne Karin Slaughter liest, weil gleiches Genre. Ist aber doch zu schlecht und wird in der U-Bahn ausgesetzt werden.
Nicht lesen.
Neu auf Netflix: Love, Death & Robots – 3. Staffel
Neun Episoden, die für mich in drei Kategorien fallen:
a) mag ich, denn sie sind lustig: Scalzis “Three Robots” als Touristen auf einer nachapokalyptischen Erde; “Masons Rats”, was, wenn der Kammerjäger schlimmer ist, als das Ungeziefer?; “Night of the Mini Dead”, genau, was man sich unter diesem Titel vorstellt, eine gaaanz winzig kleine Zombie-Apokalypse;
b) mag ich, weil fremd, aber sehr interessant: “Bad Travelling”, was tun, wenn unter Deck ein Monster lebt?; “Jibaro”, eine eigenartige Geschichte vom tauben Ritter und der Sirene; “The Very Pulse of the Machine”, quasi “Lucy in the Sky with Diamonds”, bebildert;
c) das hätte man auch lassen können: Military Science Fiction, eher fad.
Konnte ich gut und mit Genuß an einem Abend wegbingen.
Erschwerte Mobilität
“Ich mußte heute zu Fuß kommen”, erklärt das kleine Mädchen (ca. dreineinhalb) der Verkäuferin im Zeitungsladen mit hochernster Stimme. “Mein Fahrrad hat einen Defekt.”
Hunsrück, wie bitte?
Ich kann die Kollegin heute in der Teams-Konferenz kaum verstehen und bitte sie, Mund und Mikro näher zusammenzubringen. “Geht nicht, du liegst da unten, weil ich radiere.”
Neu im Fernsehen “DI Ray”
Ich mag britische Polizeiserien, also schau ich mir immer mal wieder gerne an, was so neues erscheint. “DI Ray” war so ein Experiment.
Wie muss es sich anfühlen, wenn man als Immigranten-Abkömmling-Quotenfrau in eine Polizeiwache versetzt wird, um dort ein von Immigranten-Abkömmlingen verübtes Verbrechen unter den mißtrauischen Augen ausgesprochen widerwilliger Kollegen und Vorgesetzter aufzuklären bzw. lieber nach deren Vorverurteilung abzuarbeiten und zügig zu den Akten zu legen?
Scheiße? Genau.
Rassismus, Misogynie, Herablassung, Machtmißbrauch, Korpsgeist. Alles gar nicht schön. Dass und wie das dem Zuschauer ständig unter die Nase gerieben wird, ist wahrscheinlich (hoffentlich) gut gemeint, aber so furchtbar schlecht und hölzern und vorhersehbar gemacht. Nein, nein, nein!
Der hierarchisch höher gestellte weiße Boy-Friend und seine Familie sind dermaßen Höllenklischee, dass man sie gar nicht ertragen kann. Und wer diese beiden als Paar besetzt hat, hat noch nie im Leben von Erotik gehört. Wenn die abends nebeneinander in ihrem Möbelhausausstellungsbett liegen, glaubt man eher, einander fremden Kunden beim Probeliegen zuzusehen, als zwei Menschen, die demnächst heiraten wollen.
Einzig der ebenfalls braunhäutige Sidekick (Stellenbeschreibung: untergeben + comic relief) ist auszuhalten. Er darf auch den schönen Text von seiner frühesten Kindheiterinnerung aufsagen, nämlich, dass sein Vater, als man ihm im Kindergarten nicht den erwarteten Sohn, sondern das andere “brown kid” gebracht habe, getan habe, “was wir immer tun. Er hat sich für ihren Fehler entschuldigt.” So beschreibt man alltäglichen Rassismus.
Aber dafür muss man sich die vier ganzen langen Folgen wahrhaftig nicht anschauen. Ich habs euch ja jetzt erzählt.
Hunsrück, sprichwörtlich
“Man hätte es schon gern nett, weil, das Auge guckt ja auch mit.”
Nach mir die Sintflut
Giftiggelber Himmel und gegen die Bürofenster trommelt der Regen. Vielleicht hatte die von Hagel am späten Nachmittag unkende Kollegin doch recht und es wäre besser, jetzt zügig heimzufahren – und ja, die Fotos einer Hunsrücker Kollegin, deren Auto am Samstag fünf Minuten lang dem Bombardement golfballgroßer Eisboller ausgesetzt war und jetzt aussieht, wie von einer schlimmen Abart der Beulenpest befallen, mögen auch dazu beigetragen haben… Laptop zuklappen, einpacken, losfahren.
Auch andere scheinen zum zügigen Aufbruch geblasen zu haben, ich komme kaum aus der Ausfahrt und dann gehts auf den Straßen zu, als hätte jemand zu allgemeiner grober Rücksichtslosigkeit aufgerufen. Andere schneiden? Aber hallo! Ganz knapp überholen, um als erster vor der roten Ampel anzukommen. Aber klar! Hupen wie wild? Aber sicher! Aufblenden? Aber wie! Beides gleichzeitig? Leichteste Übung. Bis ich auf der Autobahn bin, ist aus dem Regenschauer irgendwas mit dicken Wasserschwällen geworden, und hinter meiner, vorder meiner, links, rechts, ober meiner, unter meiner siach i nix.
Martinshörner gellen aus jeder Richtung, Hupen blechern und ich biege nunmehr schweißgebadet endlich in meine Garage ein. Auto unter Dach, ich auch, jetzt kann kommen, was will.
Gelesen: Margaret Atwood – “The Robber Bride”
Atwood veröffentlicht seit 1969. Ich habe seinerzeit (späte Achtziger) mit “The Handmaid’s Tale” angefangen und immer noch viel aufzuholen und möchte zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass alleine schon der Teil ihres Werkes, den ich kenne, nobelpreiswürdig ist. Also macht hinne, ihr Herrschaften da in Stockholm.
Die “Robber Bride” ist wieder so ein Werk mit einem fast unwiderstehlichen Sog. Drei Frauen gehen einer Hochstaplerin auf den Leim, weil diese ihre jeweiligen gebrochenen Biographien mit äußerster Rafinesse ausnutzt. Das heißt, Atwood zeichnet dreieinhalb Lebensgeschichten mit Akkuratesse, eingebettet in das Weltgeschehen, mit Humor und einer gehörigen Portion Nadelstiche – es ist die helle Freude, sich diese klare Sprache auf der Zunge zergehen zu lassen.
Lesen! Lesen! Lesen!