Leben und leben lassen

Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, an dem diese Maxime mehr Gültigkeit hat als in einem (vor)städtischen Schwimbad. Für kleines Geld kommt jede*r rein, alle Körperformen sind, mehr oder minder bedeckt durch sparsame Badekleidung sichtbar und keine*r schert sich drum. Das Kinderbecken liegt, lärm- und sichtgeschützt, hinter hohen dichten Hecken, das für die Großen ist zweigeteilt für ernsthaft Schwimmende und Adabeis, die ihre Zuwasserlasserei mehr oder minder lässlich betreiben. Am Kiosk gibts Minimilk und schlechten Kaffee.

Die kluge Frau aus dem Viertel ist früh dran, kommt in Ruhe zu allem, was sie sich vorgenommen hat (Schwimmen und Lesen, an einem schattigen Plätzchen) und kann guten Gewissens einen Parkplatz freimachen, wenn die Sonne recht brennend hochsteht und sehr viele Menschen mit reichtlich Gepäck und greinender Brut auf der Wiese ihre Reviere errichten. Dann haben sie und ihr Buch nämlich einen traumhaften Schattenplatz auf dem eigenen Balkon und, weil es Sonntag ist, noch’n Eis, an dem nix mini ist, die Milch nicht und der Wohlgeschmack erst recht nicht.

Doch, so soll das in diesem Sommer noch oft sein.

Ziemlich neu auf Netflix – “Operation Mincemeat”

“Operation Mincemeat” ist ein solider Spionagefilm nach einer wahren Begebenheit. Ein Truppe nicht Feldtauglicher spinnt das größte Fake-News-Seemanngarn des 2. Weltkriegs und schafft es, den deutschen Gegner davon zu überzeugen, dass die Offensive nicht an den Stränden Siziliens, sondern in Griechenland stattfinden wird. Der Ausgang ist bekannt.

Colin Firth gibt den führenden Offizier und Gentleman als hätte er in seinem Leben noch nie etwas anderes gemacht. Hat er? Humor und Understatement sind very unterhaltsam very British und als Zuckerle wird ein junger Mann namens Ian Fleming eingeführt, den wir alle als den Schöpfer James Bonds kennen.

Macht Spaß.

Haltet ein!

Mitbürger, Freunde, Geschenkegeber von der Einhorneinheitsfront,
lasst es bitte bitte bleiben! Schenkt mir nicht mehr länger irgendwas mit Einhorn. Nichts. Gar nichts! Auch nicht ironisch.

Weil. Seit gestern Abend stehe ich nun wieder mit einem Paar Haarspangen da. In Einhorn. In Pink. Mit Glitzer. Im Konflikt.

Eigentlich müßte ich sie umgehend wegschmeißen. Geht aber nicht, weil ich den Sweatshopmenschen, die diese Dinger handgebissen und mit Glitzer mundgeblasen haben, nicht noch zusätzlich ins Gesicht treten will. Von denen aus dem anderen Sweatshop, die den Blister auf dem die Spangen stecken mit goldigen und silbrigen und pinkrigen Glitzerherzchen, -sternchen und blümchen, in Einzelfällen sogar getüpfelt, beklebt haben, gar nicht zu sprechen. Nein, gleich in den Müll geht gar nicht.

Nun frage ich mich wie weiland Altvater Lenin: Was tun? Einem Kinde, egal welchen Geschlechts (soviel Gender-Neutrality muss sein) antragen? Gleichgültig, ob direkt oder durch in der U-Bahn aussetzen – geht auch nicht. Sendet immer die falsche Botschaft. Die Transen in meinem Freundeskreis haben Geschmack und andere erwachsene Menschen kann ich mit den Dingern auch nicht behelligen, es bleibt dieselbe falsche Botschaft.

Da, Schenkend*innen, nun habt ihrs. Eure Gabe langt nur zu einmal Blogpostmaterial und, solange kein besserer Verwendungszweck gefunden ist, zu einem weiteren Beitrag zum bereits erschreckend hohen Einhornkruschtstapel. Wenn mich dereinst die Wohnungsentrümpler nach meinem Verscheiden der Messieschaft bezichtigen, seid ihr schuld.

Das nächste Mal hätte ich bitte lieber ein Eis.

Don’t let me be misunderstood

Seit Jahr und Tag schreibe ich gegen die Einhornisierung dieser Welt an und was tut die Welt (insbesondere die darin erhaltenen guten Freunde und Freundinnen)? Sie schenkt mir Einhornparaphernalia.

Mauspad? Hab ich. Schaumbad? Auch. Ein handgepinseltes Aquarell? Zum Geburtstag bekommen. Ein allerliebstes Tier zum Aufziehen? Am Schwanz gleich gar? In meinem Besitz. Keksdose? Klar. Notizblock mit passendem Stift mit oben Regenbogenschweif. Sischer dat. Einen Laden könnte ich inzwischen aufmachen. Aber, Herr- und Damenschaften, ich bin DAGEGEN! Ich mag keine Einhörner (außer sie sind von Pratchett und böse wie Feen).

Ich hoffe doch stark, dass der Gipfel letzte Woche erreicht wurde, als mir gleich zwei Freundinnen ihre Sympathie mit Einhornbadeenten ausdrückten. Ein Juniorentchen in zartweiß mit rosa Mähne und güldenem Horn, eine eher ausgewachsene Variante in Knatschpink, mit lila Stirnlocke, lila Mähne, lila Schweif und gelb-orange geringeltem Horn. Mit Zertifikat vom Duck Store de Paris und den Worten “für deine Sammlung”.

Neihein!

Bin kein Jäger und kein Sammler! Geht mir weg mit diesen Viechern. Bitte.

PS: Ente übrigens mag ich gerne in Form von Brust, zartrosa gebacken und mit grünen Bohnen. Nicht in Quietsch.

Modern Times

Früher, als man hinten im Bus auf der Klassenfahrt noch zu jung war, um ironisch Autoquartett zu spielen, aber schon zu alt für Kennzeichen raten, waren wir in meinem Jahrgang dazu übergegangen, absurde Sportarten zu erfinden. Unterwasser-Halma zum Beispiel. Oder Rodel-Weitwurf.

Wie ich am Wochenende der Zeitung entnehme, wurden wir Naivlinge vom Rücksitz inzwischen längst von der Wirklichkeit eingeholt. Die hat sich nämlich eine (echte) Sportart wie Speed-Kanu-Polo einfallen lassen und überträgt sie selbstverständlich im Fernsehen.

Falls sich wer für die Regeln interessiert: Es paddeln Vier gegen Vier durchs Becken, werfen und schlagen den Ball in ein oder aus einem Tor, das zwei Meter über dem Wasser in der Luft hängt. Ein Angriff darf nur 30 Sekunden dauern und der Spieler darf den Ball nur fünf Sekunden halten.

Unterwasser-Halma war dagegen schon immer eher eine ruhigere Sportart und ich weigere mich, die Regeln (unten bleiben, Straße bauen, nach gegenüber umziehen, nicht ertrinken) um einen Speed-Aspekt zu erweitern.

Irgendwas mit Medien

Und dann sitzt man in seiner Agentur mit einem Berg Knabberzeugs und wird kreativ. Schwer kreativ.

Kinder, schlagt doch mal nach, was “nuts” auf Englisch wirklich bedeutet…

Yup,

ich habe eben sicherheitshalber auch noch einmal auf den Kalender geguckt. Wir schreiben das Jahr 2022. Und sowas geht im Post-Augstein-Spiegel als Meldung durch.

Man hätte allerdings auch ohne Kalender drauf kommen können: Sisi war nicht zugegen.

Aus dem Vokabelheft

“Gehen wir spazieren?” ist ja so Boomer. Wie ich neulich beim Workshop gelernt habe lautet die Frage auf Sozpädneudeutsch inzwischen: “Wünschst du eine gemeinsame bewegte Regenerationseinheit?” Wenn irgendwo dazwischen noch das Wörtchen “kreativ” vorkommt, darf gesprochen werden.

Neu im Fernsehen: “Shining Girls”

Ich wollte die Serie von Anfang an mögen: erstens wird die Hauptrolle von Elisabeth Moss gespielt, die seit “A Handmaid’s Tale” einen Spitzenplatz in meinem persönlichen Olymp innehat, zweitens wird zwischen Zeitebenen und Epochen gewechselt, drittens investigativer Journalismus mit Newsroom sowie rasendem (bzw. getriebenen) Reporter, viertens kommt ein psychopathischer Killer vor und fünftens und außerdem: Chicago, hach. Wers selber noch sehen will, sollte hier gleich wieder aufhören zu lesen, denn Vorsicht: es folgen Spoiler.

Mossens Figur ist eine Geschlagene, Niedergedrückte, an den Umständen scheiternde und verzweifelte Frau, die, die dem Killer seinerzeit entkam, seit dem Verbrechen aber damit kämpft, dass ihre Realitäten ständig wechseln. Mal wohnt sie abends nicht mehr da, wo sie morgens noch das Haus verlassen hat, mal hat sie einen Hund, dann eine Katze, mal einen Mann, dann wieder keinen, es ist ein rechtes Durcheinander und ich konnte schon da kaum folgen, obwohl sie so ordentlich Buch über ihre Lebensumstände führt. Weil man aber nicht ohne Grund Moss besetzt hat, ist sie auch eine Kämpferin und Aufmupf ihr Mittelname, was sehr schön damit illustriert wird, dass sie mal graues Archiv-Mäuschen, dann wieder Star-Journalistin ist. Diese Wechsel spielt sie glaubhaft und überzeugend. Ich würde dieser Schauspielerin alles abnehmen, sie könnte, wie man das seinerzeit auch De Niro nachgesagt hat, bei Bedarf absolut glaubhaft ein Spiegelei geben.

Bei der Besetzung des zeitreisenden Killers Harper (Jamie Bell) hat das Casting ebenfalls einen guten Job gemacht. Seine Figur ist extrem präsent und sehr gelungen psychopathen-creepy. Dass ich die ganze Zeit das Gefühl hatte “so sieht es also aus, wenn man Ryan Gosling nicht kriegen kann”, liegt wahrscheinlich an mir. Auch der Reporter Dan (Wagner Moura) in seinem Konflikt zwischen Alkohol-Stupor und Wahrheit ist genau richtig gewählt – an den Schauspielern liegt es wahrhaftig nicht, dass ich mitten in der vierten von acht Folgen abgebrochen habe.

Ich vermute, ich muss das im Winter auf einen Sitz bingen. Im Sommer, wenn man nach einem langen heißen Tag noch eine Folge vor dem Zubettgehen anschaut, hat es mich einfach nicht gezogen. Ich weiß also noch nicht, ob es mir gefallen hätte/hat. Falls wer durchhält, freue mich mich auf einen Kommentar.