Fehlzündungen

Weil sie eine schwungvolle junge Kollegin ist, geht sie vor dem Meeting nicht nochmal sicherheitshalber um die Ecke, sondern um die Kurve – und zieht damit ein paar verwirrte Blicke auf sich.

Schadenfreude

Wahrscheinlich wollte mir der nette Spammer aus dem Worldwideweb nur eine Diät empfehlen. Ich kriege aber das Bild nicht aus dem Kopf, wie, unterlegt mit Roy-Black-Schmalz, eine Dame ganz in Weiß dem Bräutigam an ihrer Seite eine 20kg-Kettlebell auf den wohlbeschuhten Fuß fallen läßt.

Ich muß dann immer lächeln.

Fehlzündungen

Aus einem Bericht über ein Vorstellungsgespräch: “Bin unentschieden. Eigentlich müßten wir den erst auf die Probe setzen.”

Urlaubsplanung

Irgendwie hat das in diesem Jahr noch nicht so recht geklappt mit dem Wegfahren und Ausspannen und Erholen. Seit ich aber nachts im Traum schon lange Diskussionen mit Chef und Kollegen führe, weil ich tagsüber viel zu viel zu tun habe, und mit nichts mehr fertig werde, weiß ich: es ist Zeit. Allerhöchste Zeit.

Es geht nach Salalah. Für die, die den Ort nicht kennen: Salalah liegt gleich nach Abrakadabra und kurz vor Simsalabim. Im Morgenland.

Davor haben die Götter noch ein, zwei, drei Ausflüge in den Hunsrück gesetzt. Aber dann.

Nimmer ganz neu im Fernsehen: “Slow Horses” (1. Staffel)

Das ist mal richtig gute Fernsehunterhaltung.

Die Serie basiert auf den Spionagethrillern von Mike Herron und handelt von einer Agenten-Einheit, die der britische MI5 wegen Unfähigkeit (oder anderen, bösartigeren Gründen) in ein Spion-Nirwana abgeschoben hat. Bitte täglich zum Dienst erscheinen, mit unnützen Aufgaben beschäftigen (zum Beispiel Falschparktickets auswerten, wohlgemerkt aus einer analogen Zeit und ohne konkretes Ziel, die Papierstapel auswerten halt, Mensch!), aber bitte bloß nie mehr im aktiven Dienst im Feld sein. Bloß nicht.

Zwei besondere, nein, drei besondere Lobe: eines dem Locationscout für das Alptraumgebäude, in dem die Herrschaften ihren Dienst fristen müssen. Das zweite der Casting-Abteilung für die mehr als stimmige Besetzung, das dritte an Gary Oldman, der sich in seiner Rolle als Dirty-Old-Man-Vorgesetzter aus mindestens drei Höllenkreisen mit einer exorbitanten Spielfreude geradezu suhlt (Triple-Hach!).

Die sechs Dreiviertelstundenepsioden der ersten Staffel lassen sich an einem verregneten Samstagabend gut wegbingen und enden im genau richtigen Mix zwischen Aufklärung und Cliffhänger.

Ich präge dann mal als Heim-Äquivalent zum Popcorn-Kino die Erdnußflip-Serie und empfehle diese.

Gelesen: Jeff Lemire (Script) / Jock (Art and Cover) – “Snow Angels” Volume 1

Mit dem Auftaktband ihrer “Snow Angels”-Serie zeigen Lemire und Jock wieder einmal, warum sie mehrfach preisgekrönte Meister ihres Faches sind. Lemires großartige Dystopie eines düster-kalten von Schnee und Eis bedeckten Landes, in dem eine kleine Menschengruppe in einem Graben gegen die äußeren Widrigkeiten zu überleben versucht, inszeniert Jock in ebenso großartigen Bildern. Grau-Blau-Weiß-Schwarz sind die Schattierungen, die Panelanordnung dem Tempo der Fortbewegung auf Schlittschuhen angemessen. Wenn Rot hinzukommt, bedeutet es immer Blut und meistens Tod.

Am Schluß des ersten Teils sind nur noch zwei kleine Mädchen, Schwestern von acht und zwölf Jahren, übrig und alles, was bisher galt, gilt nicht mehr. Das letzte Bild zeigt sie von hinten, im Schneesturm. Und einen Racheschwur.

Was freue ich mich auf den nächsten Band.

Gelesen: Becky Chambers – “A Prayer for the Crown-Shy”

Wenn ich an einem arbeitsfreien Tag morgens genauso früh aufwache wie sonst, aber nicht gleich los muss, gibt es für mich nichts schöneres, als mich mit einem Buch wieder in die warme Decke zu rollen und ein paar Stunden lang ungestört zu lesen.

So scheine ich es letztes Jahr mit Becky Chambers erstem Band der Monk-and-Robot-Serie an einem grauen Novembermorgen gemacht zu haben (https://flockblog.de/?p=45650). Was bietet sich also mehr an, als das mit dem nächsten Buch der Reihe an einem grauen Septembermorgen wieder zu tun?

Ja. Hmmm. Also. Ich weiß nicht recht. Wo ich Ms. Chambers sonst eigentich gut leiden kann, geht sie mir dieses Mal gehörig auf den Keks. Erstens, weil ich glaube, dass ihr irgendein Parkranger mal bei einer Wanderung in einer Lecture erklärt hat, was Crown-Shyness* bedeutet und sie genau in diesem Moment schon beschlossen hat, diesen Begriff in einem Buchtitel unterzubringen. Egal, ob’s passt oder nicht. In diesem Buch pfropft sie das Phänomen künstlich auf einen Waldspaziergang auf, wo es der allzeit neugierige Roboter entdecken und aus seinem enzyklopädischen Wissenschatz heraus definieren darf. Zweitens ist diese Fortsetzung nichts als der zweite Aufguß der ersten Geschichte. Weil es aber eben eine Geschichte und nicht grüner Tee ist, ist das gar nicht gut, sondern, dare I say it, ein wenig fade. Drittens, und demgegenüber war ich an diesem grauen Septembermorgen gar nicht gnädig gestimmt, ist es schon wieder unerträglich woke. Mosscap, der Roboter ist noch einigermaßen klar in der Definition, nämlich eine Maschine, also ein “it”. Sibling Dex, der radelnde Tee-Mönch, identifiziert sich als “they”, was mir in der sexuellen Zuordnung wirklich so hoch wie breit ist, aber dann anstrengend wird, wenn “they” eine Nacht mit einem Mann verbringen und der ist dann nicht ein Mister, sondern “Mx.” Der Vater des Mönchs hingegen ist “Mr. Theo”. Dergleichen Feinheiten überfordern mich. Ach was, ganz ehrlich, sie nerven. Viertens gönnt Ms. Chambers in diesem Buch nicht einer Figur eine Entwicklung. Sie dienen allesamt nur als Stichwortgeber für noch eine Gutmenschenbinsenweisheit mehr, zum Beispiel, dass es okay ist, nicht okay zu sein. WTF? Fünftens, das ist nun schon Ms. Chambers zweite knapp 150 Seiten-Novella, die sich in unter zwei Stunden weglesen läßt. Jeweils zum stolzen Preis von über 20 Dolares.

Ja, ja, ich weiß schon. Qualität und Quantität in der Literatur und so. Hemingway schafft eine hinreißende Kurzgeschichte in sechs Worten (“For Sale: Baby shoes, never worn”). Ich hätte den Preis auch niemals erwähnt, wenn es denn ein gutes Buch gewesen wäre. Ist es aber nicht. Ich hoffe doch sehr, dass das nächste wieder besser wird. Die Ausrede Lockdown lasse ich dann nicht mehr gelten. Sonst ziehe ich mich auf die Wayfairers zurück, die ich nur und immer wieder empfehlen kann und Madame können in Zukunft ihr woken Mist anderen andrehen. Hah!

Lesen? Nah, erst mal abwarten.

* Crown-Shyness bezeichnet das Phänomen, dass Bäume mit ihren Kronen voneinander Abstand halten. Mehr hier: https://bit.ly/3UeYpGW

Heiße Ohren

Vorhin in der Mittagspause fällt ein Zitat und meine ebenfalls der Boomer-Generation entstammende Kollegin und ich versuchen zu rekonstrukturieren, woher wir das kennen… – Ein Schlager vielleicht? Bestimmt ein Schlager… – und wie der Text doch gleich nochmal war. Ein paar Brocken bauen wir auf diese Weise zusammen, dann werden wir bequem. Denn dummerweise gibt es das Internet und das ist bekanntermaßen wie der Mob und vergißt nichts. Und schon schraubt uns ein sonnengebräunter junger Mann in eine Art schwarzer Overall-Kasten gekleidet seine neuentdeckte Lebensphilosohie in die Ohren. Direkt aus der ZDF-Hitparade.

Wer nicht für die nächsten Wochen einen Ohrwurm haben will, unterlasse es, auf diesen Link zu klicken. Wer doch klickt, sage nicht, er/sie/es sei nicht gewarnt worden.

https://bit.ly/3qHthm1

C-Schnipsel – Die “Warum Oktoberfest, warum bloß?” -Edition

Ich bin ja nicht die einzige, die sich fragt, warum man mitten in einer Millionenstadt ein internationales Superspreader-Event veranstalten muss. Oder sollte man den Bierauftrieb mit Gesang und Tanz möglicherweise gleich ein “Experiment” nennen?

Die Augen geöffnet hat mir die Lektüre gleich mehrerer Artikel in so gut wie allen deutschsprachigen Printmedien, die den Unterschied zwischen dem sozialen und dem medizinischen Ende einer Pandemie elaborierten. Ersteres eher ein kollektives “Es-reicht-jetzt”-Gefühl. Lange genug isoliert, gedarbt, verzichtet, vernünftig gewesen und jetzt da angekommen, das gefühlte persönliche Risiko zum Verlangen nach in-Gesellschaft-lustig-sein ins Verhältnis zu setzen und sich für eines davon zu entscheiden.

Ich habs gut. Als bekennende Wiesnmuffeline muss ich nur den Fans weitläufig ausweichen. Ich fahr dann mal in den Hunsrück.

Gelesen: Francis Kirps – “Eber im Nebel”

Kirps wurde mir ganz arg ans Herz gelegt und das nicht zu unrecht. In diesem Büchlein sind dreizehn surreale Literaturexperimente gesammelt, deren einzige Gemeinsamkeit ist, dass die Protagonisten Tiere sind – bis auf eine, da ist es ein Gespenst. Die Erzählperspektive ist spaßig, die Geschichten von unterschiedlicher Qualität und Stärke.

Der Autor ist als Poetry Slammer groß und bekannt geworden. Das muss man wissen und daher rührt auch meine Empfehlung: Man sollte den Band in dreizehn Einzeldosen lesen, ich glaube sogar, noch besser, vorlesen lassen. Dann kann das Groteske seine Wirkung besser entfalten. Auf einen Sitz weggelesen, besteht das Risiko, dass der komische Effekt wegen Überfütterung verpufft.

Danach sollten wir uns unterhalten, wem welche Geschichte am besten gefällt und warum. Diese dürfen dann vor Publikum verlesen werden.