Wenn ich an einem arbeitsfreien Tag morgens genauso früh aufwache wie sonst, aber nicht gleich los muss, gibt es für mich nichts schöneres, als mich mit einem Buch wieder in die warme Decke zu rollen und ein paar Stunden lang ungestört zu lesen.
So scheine ich es letztes Jahr mit Becky Chambers erstem Band der Monk-and-Robot-Serie an einem grauen Novembermorgen gemacht zu haben (https://flockblog.de/?p=45650). Was bietet sich also mehr an, als das mit dem nächsten Buch der Reihe an einem grauen Septembermorgen wieder zu tun?
Ja. Hmmm. Also. Ich weiß nicht recht. Wo ich Ms. Chambers sonst eigentich gut leiden kann, geht sie mir dieses Mal gehörig auf den Keks. Erstens, weil ich glaube, dass ihr irgendein Parkranger mal bei einer Wanderung in einer Lecture erklärt hat, was Crown-Shyness* bedeutet und sie genau in diesem Moment schon beschlossen hat, diesen Begriff in einem Buchtitel unterzubringen. Egal, ob’s passt oder nicht. In diesem Buch pfropft sie das Phänomen künstlich auf einen Waldspaziergang auf, wo es der allzeit neugierige Roboter entdecken und aus seinem enzyklopädischen Wissenschatz heraus definieren darf. Zweitens ist diese Fortsetzung nichts als der zweite Aufguß der ersten Geschichte. Weil es aber eben eine Geschichte und nicht grüner Tee ist, ist das gar nicht gut, sondern, dare I say it, ein wenig fade. Drittens, und demgegenüber war ich an diesem grauen Septembermorgen gar nicht gnädig gestimmt, ist es schon wieder unerträglich woke. Mosscap, der Roboter ist noch einigermaßen klar in der Definition, nämlich eine Maschine, also ein “it”. Sibling Dex, der radelnde Tee-Mönch, identifiziert sich als “they”, was mir in der sexuellen Zuordnung wirklich so hoch wie breit ist, aber dann anstrengend wird, wenn “they” eine Nacht mit einem Mann verbringen und der ist dann nicht ein Mister, sondern “Mx.” Der Vater des Mönchs hingegen ist “Mr. Theo”. Dergleichen Feinheiten überfordern mich. Ach was, ganz ehrlich, sie nerven. Viertens gönnt Ms. Chambers in diesem Buch nicht einer Figur eine Entwicklung. Sie dienen allesamt nur als Stichwortgeber für noch eine Gutmenschenbinsenweisheit mehr, zum Beispiel, dass es okay ist, nicht okay zu sein. WTF? Fünftens, das ist nun schon Ms. Chambers zweite knapp 150 Seiten-Novella, die sich in unter zwei Stunden weglesen läßt. Jeweils zum stolzen Preis von über 20 Dolares.
Ja, ja, ich weiß schon. Qualität und Quantität in der Literatur und so. Hemingway schafft eine hinreißende Kurzgeschichte in sechs Worten (“For Sale: Baby shoes, never worn”). Ich hätte den Preis auch niemals erwähnt, wenn es denn ein gutes Buch gewesen wäre. Ist es aber nicht. Ich hoffe doch sehr, dass das nächste wieder besser wird. Die Ausrede Lockdown lasse ich dann nicht mehr gelten. Sonst ziehe ich mich auf die Wayfairers zurück, die ich nur und immer wieder empfehlen kann und Madame können in Zukunft ihr woken Mist anderen andrehen. Hah!
Lesen? Nah, erst mal abwarten.
* Crown-Shyness bezeichnet das Phänomen, dass Bäume mit ihren Kronen voneinander Abstand halten. Mehr hier: https://bit.ly/3UeYpGW