Künstliche Idiotie (KI)

Ich habe schon häufiger erzählt, dass ich die Vorschläge meiner Autokorrektur zuweilen recht rührend finde. Das ist aber nichts gegen den automatischen Outlook-Übersetzer meiner Kollegin. Der nämlich übersetzte nicht etwa nur die e-mail des amerikanischen Kollegen in das, was er für Deutsch hält, sondern auch die Grußformel. Man kann sich ihr Erstaunen vorstellen, als der Unterzeichner nicht mehr der Kollege Robert war, sondern ein bis dato nicht bekannter Horst.

Oder, um sie wörtlich zu zitieren: “Ist dir damals aufgefallen, dass jeder Robert in den Staaten ein Horst ist?”

Ist es nicht.

Ist aber wurscht. Ich habs aber inzwischen selbst ausprobiert, hin und zurück, hin und zurück. Funktioniert immer. Und macht einen Heidenspaß.

Gelesen: Wolfgang Kohlhaase – “Erfindung einer Sprache und andere Erzählungen”

Das ist mal ein selten tolles Buch! Die Geschichtensammlung ist 1977 bei Aufbau erstmals erschienen, 2021 von Wagenbach in einer ausgesprochen schönen Oktavheft-Ausgabe neu aufgelegt und spricht in einer sehr glasklaren glockenreinen Sprache von längst vergangenen Zeiten in einem längt vergangenen Land. Wun-der-schön!

Kohlhaase war einer der bekanntesten DEFA-Drehbuchautoren und -Regisseure, sein schriftstellerisches Werk verdient es, neu entdeckt und gelesen zu werden. Keine dieser dreizehn Geschichten hat mich unberührt gelassen, im besonderen die titelgebende und “Mädchen aus P.” klingen stark nach. Beide behandeln auf ihre Art Kollateralschäden, kleinste Ereignisse am Rande eines Weltkriegs. Sie lassen einen nicht los.

Kostbarkeiten.

Lesen! Lesen! Lesen!

Schon länger nicht mehr neu: “Legit”

Manchmal verpaßt man was. Ich zum Beispiel vor zehn Jahren diese ausgezeichnete, brüllend komische und sehr herzenswarme Serie, die die IMDB folgendermaßen zusammenfaßt:

(Im Original sind die “angezogenen Freunde” “put-upon friends”. Also alles Menschen, die halt ihr Päckchen zu tragen haben.)

Etwas auführlicher und nicht von einer Maschine übersetzt geht es darum, dass ein australischer Komiker nach Hollywood zurückkehrt, und durch eine Verkettung von Umständen in einer WG mit seinen Brüdern aus der damaligen Schüleraustauschfamilie landet, deren einer gerade in einer Lebenskrise steckt, weil seine Frau ihn mit dem ehemaligen Nachbarn betrügt und samt Kind weit weg ziehen will. Der andere leidet an Muskeldystrophie, kann außer der Gesichtsmuskulatur nichts bewegen und ist in allen Bereichen seines Lebens auf Hilfe angewiesen. Wenn er aufs Klo muss oder essen will oder endlich endlich auch einmal Sex.

Was hätte ein rührseliges Krüppeldrama werden können, ist hier eine Ode an das Leben und den Umgang mit all seinen Maläsen und Freuden.

Anschauen!

Gute Tat

Ich halte mich für einen altruistischen Menschen, wobei meine Hilfsbereitschaft, je nach Art der Bedürftigkeit oder Anfrage durchaus graduelle Abstufungen aufweist. Die Bitte, sich an der Beseitigung mehrerer Tonnen Bauschutt oder der Bespaßung einer größeren Gruppe lebhafter Kinder zu beteiligen, ruft bei mir weniger Enthusiasmus hervor, als beispielsweise bei der Erstellung von Hausaufgaben (vorzugsweise in Sprachen, besonders bevorzugt Deutsch), Texten im allgemeinen oder besonderen oder dem Zubereiten von Mahlzeiten oder Backwerken, gerne auch für den Verkauf bei Basaren aller Art, tätig zu unterstützen. Das kann ich, tue es gerne und bin dann auch freigiebig mit meiner Zeit.

Wenn die langjährige Freundin ihrem guten alten Onkel, der in einem Anfall von bibliophilem Mitleid vor nunmehr fast eine Dekade den gesamten Restbuchbestand eines Antiquariats in seine Obhut genommen und seitdem Myriaden von unsortiert vollgestopften Bananenkartons voller Bücher in einem Lagerraum herumstehen sowie deswegen einen Dauerzank mit der Gattin am Halse hat, das Versprechen gegeben hat, sich um deren Sortierung zur gegebenenfalls Weiterverwendung oder schlimmstenfalls Entsorgung zu kümmern – whom are you gonna call?

Genau.

Zu zweit war die Bewältigung dieser Aufgabe, unbenommen davon, dass es anstrengend war, dennoch ein Riesenspaß. Wir schwelgten. In Gelesenem. In der Entdeckung noch schönerer Ausgaben, als der, wir ohnehin schon besitzen. In der Bertelsmannisierung einer ganzen Generation. In Unfassbarem, das dennoch irgendwem einmal das Papier wert war, auf dem es gedruckt wurde (“Was will der Araber?”). Und in der dauernden Erkenntnis, dass der einen Müll – eine Strauß-Lobhudel-Biographie und eine von Stoiber gleich dazu – des anderen Schätze sind. Wie das eben immer ist mit allem. Außerdem, dass nichts vergänglicher ist als Lexika und Atlanten.

Wir sind in einem langen Nachmittag, bei sehr sehr großzügigem Aussortieren, durch knapp die Hälfte gekommen. Aber es sind ja bald Weihnachtsferien.

Dass die Belohnung in “nehmt’s mit, was ihr brauchen könnt” beinahe bei uns beiden zu Streit geführt hat, war zu erwarten, ließ sich aber lösen. Wir haben ja eigentlich die Regale schon voll…

You’ll never walk alone

Nicht als deutscher Kanzler. Nicht als sein deutsches Volk und schon gar nicht in der deutschen Bahn. Erstens sind die Züge wieder vorpandemisch proppenvoll (wobei ich bis heute nicht verstehe, dass es selbst in einem Autofahrerland wie den USA möglich ist, einfach nur so viele Fahrkarten zu verkaufen, wie Sitzplätze vorhanden sind und warum das hierzulande nicht geht) und zweitens hat man als Passagier immer, immer, immer die DB Reisebegleitung an seiner Seite.

Sinn und Zweck dieser Einrichtung scheint zu sein, das Blaue vom Himmel herunterzulügen. In Mannheim (meinem gestrigen Zustiegsbahnhof) blieb sie zwar noch still und stumm und die Bahnhofsdurchsage, dass der Zug sich verspäten werde, erfolgte gute 20 Minuten nach der geplanten Abfahrt und wurde dann in Zehn-Minuten-Inkrementen gesteigert, bis der nachfolgende Zug eingetroffen und die Zugbindung aufgehoben war. Danach schickten mir die freundlichen Menschen von reisebegleitung@deutschebahn.com aber immer ca. zehn Minuten nach dem verspäteten Verlassen eines Bahnhofes eine sehr nach unten korrigierte Verspätungsanzeige mit Schuldzuweisung. In jedem Bahnhof waren es übrigens die Anderen. Die, die behördliche Maßnahmen vornehmen.

Was bin ich froh, dass sich die Ordnungsmacht gerade auf Bahnhöfen so für mich engagiert.

Arbeitsteilung

Nicht alle meine Kollegen im Hunsrück sind Jäger. Nein, manche sind auch Sammler. Der eine zum Beispiel, der vor vielen Jahren eine Plantage mit 80 Obstbäumen geheiratet hat (die Frau gabs obendrauf), und der mich mit einer Auswahl seiner besten Chilis und seiner wunderbaren Walnüsse beglückt hat. Oder der andere, der mit einer Gruppe Freunde ein paar Streuobstwiesen besitzt und das geerntete Obst zu hellen Bränden veredelt.

Von denen habe ich bei ein paar Firmenfesten nun schon probieren dürfen. Pflaume und Zwetschge (kleiner, aber feiner Unterschied), milder und rasser Apfel (nicht ganz so meins, aber das liegt an der Frucht an sich und nicht am Brennmeister), Mirabell (lecker, aber für meinen Gaumen ein wenig zu süßlich) sowie Birne (göttlich). Mein Allzeitfavorit.

Was habe ich mich gefreut, dass ich, obwohl im letzten Jahr die Birnenernte mager war und die paar Flaschen Ausbeute quasi heilig sind, die Einzige außerhalb des Inneren Kreises bin, die eine bekommen hat. Noch dazu geschenkt. Ich bin schon ein Glückskind.

Wer mag, darf kosten.

Mann, September!

Du bist zuständig für Nach-Sommer! Schöne warme Tage, viel zu früh einsetzende Nächte, in denen man beim Draußensitzen dann halt doch ein Strickjäckchen braucht.

Das, was du da in den letzten zwei Wochen an Wetter produziert hast, ist eine Beleidigungen, grenzend an Körperverletzung und deiner nicht würdig. Wo samma denn, wenn im neunten Monat des Jahres der Mann vom Wetterbericht grausige Wörter wie “Schneefallgrenze” mit anschließend viel zu kleinen dreistelligen Zahlen in den Mund nimmt?

Oktober, du wirst viel gut zu machen haben!